No Gay Man, no cry


Die schwulenfeindlichen Texte im Reggae wurden 2004 zu einem Politikum, das das Genre endgültig zurück in die dritte Welt katapultierte.

Der Reggae, der sich über die letzten knapp 24 Jahre nie ganz vom Tod seiner einzigen Identifikationsfigur mit Crossover-Potential erholt hat, musste in diesem Jahr weitere Rückschläge einstecken: Dass die Texte selbst der populärsten und erfolgreichsten Reggae und Dancehall-Künstler Jamaikas mit ihren unzähligen „Fire! Fire!“-Rufen vermutlich den Anstoß zu zwei Brandstiftungen gegeben hatten, die christliche Kirchen auf der subtropischen Insel in Schult und Asche verwandelt haben, war in der westlichen Welt lediglich eine Randnotiz. Dass in den Hits von Elephant Man, Buju Banton, Beenie Man und anderen aber regelmäßig zum Mord an Homosexuellen aufgerufen wird, hatte erstmals drastische Konsequenzen: Die Nominierungen einiger Reggae-Stars bei Englands Black-Music-Awards „Mobo“ wurden nach heftigen Protesten zurückgezogen, Konzerte von Beenie Man, Sizzla und Capleton in England und den USA abgesagt. Nachdem im Juni Jamaikas führender Schwulenrechtler erstochen wurde, haben auch Firmen aus Kingston, die bisher als Konzertsponsoren aufgetreten sind, damit gedroht, ihre Unterstützung zu streichen, falls sich an den Songinhalten nichts ändere. Auch Puma, Sponsor des jamaikanischen Olympia-Teams, wird keine Veranstaltung mit Buju Banton unterstützen, bis dieser „schwört, keine schwuienfeindlichen Songs mehr zu schreiben“. Da in Jamaika Homosexualität noch verboten ist, werden Verbrechen gegen Schwule und Lesben selten geahndet. Einige Reggae-Fans, darunter die lesbische, afroamerikanische Equal-Rights-Aktivistin Deepa Soul, beschuldigen die Kritiker der Dancehall-Texte nun allerdings des Rassismus.