Phantom/Ghost


Weinselige Gefühligkeit im Berliner HBC. Halleluja!

Das ist härter als Blackmetal“, zischt einer der etwa 200 auf Hartplastikstühlen untergebrachten Besucher seinem Nachbarn zu, als Michaela Meise im Vorprogramm zum Lobgesang auf den Gottessohn ansetzt. „Halleluja, Jesus lebt.“ Mit zärtlicher Mädchenstimme trägt die Bildende Künstlerin neben einem Nico-Cover Stücke aus dem Katholischen Gesangsbuch vor. Sie tut das mit geschlossenen Augen, was ihrem nur von Akkordeon begleiteten Auftritt mehr Eindringlichkeit verleiht, sie aber auch vor den Blicken des verwunderten Publikums schützt.

Darf man da jetzt lachen? Ist das ernst gemeint? Ja, es ist ernst gemeint und ja, man darf lachen. Michaela Meise ist sichtlich erlöst, als sie die Bühne für Thies Mynther und Dirk von Lowtzow räumt. Letzterer tut sein Bestes, um seiner langgedienten Backingsängerin die Zweifel auszutreiben, applaudiert ihr im Set von Phantom/Ghost immer wieder zu, enthusiastisch wie Kermit der Frosch.

Der 40-Jährige reitet ohnehin seit Jahren auf einer Welle der Begeisterung, an diesem Abend aber wirkt er ganz besonders gelöst. Seine Hauptband hat ein Jahr Pause und diesen einen Auftritt absolviert er nur aus Freude. Er traumtänzelt, trinkt Rotwein und lässt sich selbst von folgendem Zwischenruf nicht von seiner Heiterkeit ablenken. Kurz vor dem Finale stört ein Kraftmeier die Atmosphäre des sich gesittet gebenden Indie-Establishments und grölt: „Ey, jetzt spielt ihr aber noch das Lied, wo ihr im Zug irgendwo hinfahrt und falsch umsteigt. Das will ich hören!“ Von Lowtzow ist ratlos. „Du musst uns mit den Beatsteaks verwechseln“, sagt er und widmet sich wieder dem Best-of-Set seines vom Elektro-Pop- zum Varieté-Duo gewandelten Nebenprojekts. Gefällige, aber oft auch unauffällige Musik, die nicht halb so viel Freude verbreiten würde, wenn ihr Präsentator nicht so eine unbändige Freude an ihr hätte.