Rammstein in München: Die Grünen fordern „Bündnis gegen Sexismus“


Konzert im Olympiastadion ohne „Row Zero“. Bundesfamilienministerin Paus fordert „Bündnis gegen Sexismus“

Wenn das alles nicht so traurig und misogyn wäre, müssten Rammstein eigentlich viel Freude an dem Skandal haben, den sie seit ihrem Konzert in der litauischen Hauptstadt Vilnius vom Zaun gebrochen haben. Von Twitter-Kanälen bis zu den Großkopferten der Hochkultur-Seiten mischen alle mit bei der Bewertung der Mechanismen bei Lindemann und Co.

Dabei bekommen auch der Kölner Literaturverlag Kiepenheuer & Witsch (der zwei Bücher mit derben Lindemann-Poemen veröffentlichte) und SZ-Feuilletonchef Alexander Gorkow (der die derben Lindemann-Poeme „kuratierte“) bekommen ihr Fett weg. In diesen Tagen tauchen langjährige Weggefährten ab, niemand will mehr „fanboy“ der Pyroblitz- und Spermakanonen-Rocker sein. Schweigend im Walde auch die anderen Rammstein-Mitglieder. Keine nach außen kommunizierte interne Abgrenzung – gute Freunde stehen also immer zusammen?

Die gewöhnlich gut informierte „Abendzeitung“ (AZ) in München hat mit Hinweis auf den lokalen Veranstalter derweilen gemeldet, dass die Konzerte in München ohne „Row Zero“ und sonstige Backstage-Aktivitäten steige werden.

Auch die Politik wittert längst Profilierung. Aus München ist zu hören, dass Grüne, ÖDP und Linke Konzerte insgesamt „sicherer“ machen wollen. Auch die Verwaltung meldet sich zu Wort. Gegenüber der „AZ“ hat sich bereits „die städtische Gleichstellungsstelle“ geäußert.

Weiterhin liege ein Antrag unter dem Arbeitstitel „Sichere Konzerte für Alle“ vor. Selbst das für gewöhnlich Rammstein-freie Oktoberfest ist unter dem schönen Titel „Sichere Wiesn“ betroffen. Im Angebot von Politik und Verwaltung: So genannte „Safe Spaces“ und speziell geschulte „Awareness-Teams“, die als mobile Ansprechpartner in Konflikt- oder Bedrohungs-Situationen niederschwellig helfen können.

Münchens Grüne Fraktionsvorsitzende Mona Fuchs besteht darauf, dass Anschuldigungen von betroffenen Frauen „gehört und ernst genommen werden“ müssen. Und weiter: Die Politik müsse bei „Fragen der Sensibilisierung, der Bildung und der Prävention“ lenkend einschreiten. Sie sieht die bayrische Landeshauptstadt in der Verantwortung, dass „derartige Strukturen aufgebaut und bei Veranstaltungen in städtischen Räumen eingesetzt werden.“ Die Kosten dieser Maßnamen müssten, ähnlich wie bei anderen Maßnahmen, etwa „Crowd Control“ oder Lärm, letztlich die Veranstalter tragen.

Auch die Bundespolitik ist mittlerweile alarmiert. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hat gegenüber der Nachrichtenagentur AFP „Änderungen im Konzertbetrieb“ gefordert. „Gerade junge Menschen müssen hier vor Übergriffen besser geschützt werden“, so die Ministerin in Berlin. Es müsse schnell und konkret über Schutzmaßnahmen diskutiert werden, fordert Paus.

Sie regt eine ernsthafte Debatte über die Verantwortung von Künstlern und Veranstaltern gegenüber ihren Fans an. Laut AFP wolle sie die „Musikbranche“ einladen, dem „Bündnis gegen Sexismus“ beizutreten. Dazu Paus: „Das Bündnis stellt sich jeder Art von Sexismus und sexueller Belästigung entgegen“.

Man darf gespannt sein, wie die „Musikbranche“, die ja von Mini-Konzerten vor 23 ZuschauerInnen in der Kellerbar bis zu Helene Fischer reicht, auf diese Einwürfe reagieren wird. Von Rammstein ganz zu schweigen. Bislang gibt es nur zwei dürftige Statements von Seiten der Band.