Rockabilly Romeo


Sein Stimmband ist eine Schmalzlocke. Neue Platte, neuer Film — und eine Nacht mit Chris Isaak im Heartbreak Hotel.

Vom Kult- zum Welt-Star in nur zwei Jahren: Die Hit-Single „Wicked Games“, die Isaak-Fan David Lynch für den Soundtrack seines Films „Wild at Heart“ verwendet hatte, sorgte für den Karriere-Kick. Volle Konzertsäle statt Club-Tingelei, MTV statt Studenten-Radio, und nun verpflichtete der italienische Regisseur Bernardo Bertolucci Isaak für eine Hauptrolle seines Films „Linie Buddha“. Im Moment dreht er mit Bertolucci in Seattle, mit der lokalen Promi-Szene hat er jedoch nichts am Hut. Statt in Grunge-Clubs zu versumpfen, verbringt er seine drehfreien Abende lieber im Hotel mit seiner großen Liebe (seiner Gitarre) — oder mit Interviews.

Isaak mimt in dem Bertolucci-Streifen den Vater eines Jungen, der für eine Reinkarnation von Buddha gehalten wird. Seltsame Rolle für einen Rockabilly-Romeo. „Bertolucci brauchte einen Typen in einem bestimmten Alter, und jemand sagte ihm, ich sei in der Stadt“, untertreibt Isaak. „Vielleicht war ich einfach billiger als die anderen Kandidaten, und deswegen nahm er am Ende mich!“

Wahrscheinlicher ist allerdings, daß Bertolucci in Isaak einen unterschätzten Regie-Kollegen erkannt hatte. Während seiner College-Zeit drehte der kalifornische Exzentriker schon in eigener Regie den experimentellen Science-Fiction-Streifen „Forced Journey“. in dem er — aus Budget-Gründen — geklautes Material aus einer Washington-Dokumentation und aus einem Hard-Core-Pomo verwurstete.

Der 36jährige Saubermann, der noch nicht mal Kaffee trinkt, nimmt direkt aus dem Mix-Gefäß einen großen Schluck Frucht-Shake und sinniert über die Konsequenzen des überraschenden Erfolgs: „Ich konnte mir endlich eine Tournee mit meiner Band leisten — und trotzdem zuhause weiter meine Miete bezahlen. Außerdem habe ich den Kredit ßr meinen Chevy Nova, Baujahr ’64, abbezahlen können. „

Die Zeiten, in denen er neben seinen Club-Gigs auch noch als Dachdekker oder Anstreicher jobben mußte, dürften jedoch endgültig vorüber sein. Inzwischen darf er auf dem Firmenparkplatz seines Labels im kalifornischen Burbank gar vor seinem eigenen Namensschild parken („Lange Zeit dachten sie, ich sei Randy Travis. Ich habe sie in dem Glauben gelassen und hatte immer einen prima Parkplatz.“).

Chns Isaak greift zur Gitarre und knö’delt eine herzerweichende Schnulze vor sich hin. „Das war mein Tribut an Bing Crosby“, meint er hinterher und fügt lachend hinzu: „Ich stehe nun mal auf alle Songs mit einer richtigen Melodie. Wenn statt der Stimme nur ein Drum-Computer kommt — vergiß’es!“

Dennoch sind auch an Chns Isaak die 90er Jahre nicht ganz spurlos vorübergegangen. Auf dem neuen Album wurde er endlich schwach und benutzte zum allerersten Mal selbst eine Schlagzeugmaschine — aber natürlich auf seine Weise. „Ich verwendete ein uraltes Gerät, das noch auf Röhren-Basis arbeitet. Anstatt sie ßr 60.000 Dollar programmieren zu lassen, drückte ich einfach den Knopf und verwendete einen der eingebauten Rhythmen über einen ultrabilligen Verstärker — du hättest mal den verdutzten Blick des Toningenieurs sehen sollen!“

Die bittersüße Melancholie seiner Pop-Poesie hat Chris Isaak auf seinem aktuellen Album SAN FRANCISCO DAYS in ein noch kammermusikalischeres Gewand gekleidet — und wieder befürchtet er, mißverstanden zu werden. „Ich hasse es, wenn Leute als Amateur-Psychologen auftreten — vielleicht sind meine Songs traurig, dafür enthalten meine Texte immer auch eine Spur Hoffnung“, erklärt Chris Isaak das Motto, das ihm vor Jahren sein Idol Roy Orbison gesteckt hatte.

SAN FRANCISCO DAYS ruft in seinen besten Momenten in der Tat Erinnerungen an Roy Orbison wach — ein Vergleich, über den sich Isaak natürlich freut, obwohl er ihm gleichzeitig auch ein wenig peinlich ist: „Gut — der einzige Unterschied zwischen Roy Orbison und mir besteht darin, daß er sehr viel origineller und ein sehr viel besserer Sänger war!“