Scorpions – Ring frei für die Geisha-Killer


Harter Rock ist seit Deep Purple‘ s Fernost-Expedition ein begehrter Importartikel im Land der Geishas und der aufgehenden Sonne, der Umweltkatastrophen und der Kamikaze – Mentalität. Der japanische Markt hat sich in den vergangenen Jahren mehr denn je zu einem bedeutenden Absatzgebiet für wesentliche Rockmusik entwickelt. Zur Zeit profitieren besonders die deutschen Scorpions von diesem Trend. Im September unternehmen sie ihre erste Japan-Tournee. Eingeplant sind bislang drei Tage Tokio und zwei oder drei Gigs in Osaka.

In der östlichen Dependence der Plattenfirma RCA rangieren die Scorpions im Spitzenfeld der hausinternen Absatz-Hitparade. Ihr Album „In Trance“ katapultierte sie in Japan auf Platz 32 der 50 populärsten Gruppen (da stehen sie zum Beispiel noch vor den Beach Boys). Und sie gelten als „Brightest Hope Of The Year“. Kein Wunder, daß Japan in diesem Jahr bei der Band aus Hannover Thema Nummer eins ist.

Von Mai bis Juli arbeiten die Scorpions im Studio Diercks in Stommein an ihrer neuen LP, damit sie pünktlich zu Beginn der Tournee in den japanischen Plattenregalen steht. „Wir haben uns musikalisch und technisch verbessert“, sagt Gitarrist Rudolf Schenker, “ und das wollen wir den Zuhörern auf der Platte natürlich vermitteln. Dazu gehört, daß die Kompositionen besser werden, unter anderem wieder etwas melodischer.“ Auch die Anspräche an den Sound sind gewachsen. Die Scorpions wollen die Grundtracks für die neue LP zweimal mitschneiden: einmal im Studio und einmal in der Halle, um zu testen, auf welchem Wege die bessere Atmosphäre entsteht. Leisten kann sich die Band eine solch aufwendige Produktion, nachdem ihre jüngste LP, „Virgin Killer“, allein in der Bundesrepublik bereits in über 50000 Exemplaren über die Ladentheken wanderte – ein Umsatz, den heimische Hardrock-Truppen selten verbuchen. Dazu Sänger Klaus Meine: „Wir sind überzeugt, daß es nicht nur an dem umstrittenen Cover lag! “ Zur Erinnerung: das Cover zeigt ein blutjunges Mädchen, dessen Scheide von einer zersprungenen Glasscheibe verdeckt wurde.

Zu den beliebtesten deutschen Bands zählen die Scorpions nicht erst, seit sie solche Gags fabrizieren. Die Gruppe will jedoch mehr, will internationalen Ruhm. Das Rock-Publikum etlicher europäischer Länder reagierte auf die Anmacher aus Norddeutschland bereits mit Ausgelassenheit, und die englische Rock-Zeitung „Sounds“ ernannte sie im vergangenen Jahr zu „Hevay Hopefulls“.

Für Rudolf Schenker signalisiert der derzeitige Hardrock-Trend in den USA – angeführt von Kiss, Aerosmith und Ted Nugent – , daß auch jenseits des Atlantiks die Chancen für deutsche Heavies günstig stehen. Doch um jeden Preis wollen die Scorpions nicht in den Staaten touren; zu groß ist die Gefahr, daß sie sich dabei auf einen bösen Kuhhandel einlassen könnten. „Solange wir nicht sicher sind, daß ein korrektes Management dahintersteckt, warten wir lieber noch“, meint Schenker. „Wir hatten schon ein Angebot, aber als Vor-Vorgruppe, wie sich dann herausstellte. Da hätten wir auf der Bühne gestanden und uns totgespielt, während die Leute noch rein- und rausrennen.“ „Wenn du rübergehst ist eines wichtig“, betont Rudolf. „Du mußt als Gruppe Live-Erfahrung haben und in der Lage sein, eine gute Atmosphäre zu vermitteln.“ Live-Erfahrung haben die Scorpions mittlerweile zur Genüge. Das Wort „Anmache“ hören sie nicht so gern, obwohl es gerade ihre Show ist, auf die ein großer Teil ihres Publikums abfährt. Ulrich Roth als gitarrebeißender Freak wirkt dabei noch eher verkrampft. Klaus Meine dagegen dürfte unter den deutschen Hardrock-Sängern wohl den ersten Platz einnehmen. Man vergleicht ihn mit David Byron, David Coverdale oder Robert Plant, wobei er beteuert, niemanden bewußt zu imitieren. Fest steht, daß er die überzeugendste Röhre deutscher Nation besitzt wenn es darum geht, englischen Text ohne den verräterischen Deutschrock-Stempel zu bringen.

Doch zurück zur „Anmache“. Das Publikum der Scorpions hat sich in letzter Zeit merklich verjüngt: „Das liegt daran, daß soviele Teeny-Zeitschriften über uns berichten“. Klar, daß die Kids weniger auf Musikalität als auf Action achten. „Wir nutzen unser junges Publikum aber in dieser Beziehung nicht aus,“ beteuern die Scorpions. „Uns ist es sogar lieber, wenn die Leute über zwei Drittel des Konzertes relativ ruhig bleiben, dann können sie anfangen zu toben. Wenn gleich zu Anfang so ein paar Chaoten am Bühnenrand stehen, ist es auch für uns sehr schwer, alles unter Kontrolle zu halten.

Auch im Hardrock-Rahmen könne man gute Musik machen, meinen die Scorpions mit Blick auf Led Zeppelin. „Es gibt durchaus Konzerte, in denen man beweisen muß, was man musikalisch zu bieten hat.“