SOUND & SILENCE


Der größte Nachteil der additiven Popkultur ist gleichzeitig ihr größter Vorteil. Alles bleibt, nichts verschwindet. Die schlechten wie die guten Sachen. Zum Beispiel Ambient. Während Brian Eno, der Namenspatron des Genres, zusammen mit Karl Hyde von Underworld zwei Alben mit rumpelnden, schludrigen und ziemlich egalen Popsongs veröffentlicht hat, spielt sich Ambient in anderen Territorien ab. Ambient kann der most beautiful sound next to silence sein, muss aber nicht nur aus beatlosen, sphärischen Flächen mit den dezentesten Phasenverschiebungen bestehen. Wie etwa das aktuelle Album AURORA (Mute) des australischen Experimentalisten Ben Frost zeigt. Hier gibt es aufreibende Sounds aus den Maschinen, aber auch Tracks, in denen kaum mehr passiert als in „4:33“ von John Cage. Frost findet den Impressionismus im Expressionismus, in der Dunkelheit der Drones.

Der Österreicher Christian Fennesz veröffentlichte seine ersten Soloplatten Ende der Neunziger, zu einer Zeit also, in der experimentelle Grenzmusiken aus „U“ und „E“ sich so nahe kamen wie nie zuvor und aus den Interaktionen etwas Neues entstand. BÉCS (Editions Mego), das neue Album von Fennesz, markiert den Kulminationspunkt dieser gegenseitigen Befruchtungen. Wohlklang und Dissonanz stehen dicht beieinander, aber nicht absolutistisch, weil das eine immer wieder durch das andere aufgehoben wird.

Thomas Köner (Jahrgang 1965) ist einer der bedeutendsten Vertreter der zweiten großen Ambient-Welle vom Anfang der 1990er-Jahre. Seine Alben TEIMO (1992) und PERMA-FROST (1993) sind Klassiker. Zusammen mit dem Hamburger Klangkünstler Asmus Tietchens bildet Köner das Duo Kontakt der Jünglinge (Stockhausen-Referenzen beabsichtigt). Das aktuelle Album heißt MAKROPHONIE 1 (Die Stadt) und kommt dem Urbild des Genres ziemlich nah. Formal (ein Track, 38 Minuten) und soundästhetisch: Auf einem sanften Drone drapieren Köner und Tietchens punktuell und intuitiv elektronische Effekte.