Steve Forbert – The American In Me


Stille Größe und schlichte Songs sind sein Metier. Mit zehn Jahren Ver spätung liefert Steve Forbert sein persönliches Meisterwerk ab.

ALIVE ON ARRIVAL hieß Forberts Debüt aus dem Jahre 1978. Und das wahre Leben ließ sich immer spüren auf den Alben des in Mississippi geborenen Singer/Songwriters. Einst als neuer Dylan gehandelt, dann in der Versenkung verschwunden, setzt THE AMERI-CAN IN ME zehn Jahre später Forberts fast verblüffend einfache Linie so fort, als sei nichts geschehen in der Zwischenzeit. Ohne technologischen Ballast konzentriert er sich stets in voller Konsequenz auf das Wesentliche: einfache Songs, lebensechte Slories, Gitarre und Gesang, von Forbert komponiert und zelebriert, drängen unweigerlich die Frage auf: Was braucht man mehr? Denn in den jungen Neunzigern klingt THE AMERICAN IN ME alles andere als altväterlich antiquiert. Forberts Erfahrung spricht in der Musik für sich, hier singt kein Altachtundsechziger dümmlich naiv von Frieden, Liebe und Glückseligkeit. THE AMERI-CAN IN ME, inhaltlich ähnlich dem 88er Vorgänger STREETS OF THIS TOWN, doch klanglich wesentlich entspannter, ist Forberts musikalische Abrechnung, ein Dokument des Erwachsenwendens. Stimme, Stimmungen, Stories sind nach wie vor die bestrickend simple Essenz der zehn Songs, doch das klingt am Ergebnis gemessen fast zu einfach. Doch klassische Größe braucht nunmal kein Beiwerk, die geschmeidige Art und Weise, wie Forbert in jeden seiner Songs ein Stück Alltag schmiedet, beweist wahre Kunstfertigkeit, und läßt schlicht und simpel alle überflüssigen Worte grobschlächtig wirken: ,You say you feel weird and your faith’s disoppeared, it’s probably just some new strain of the flu‘ (aus: .New Working Day“), da packt jeder Hobbypsychiater ein. Steve Forberts kleine Weisheiten sind erfrischend unsentimental, präzise, von ernstem Optimismus geprägt und musikalisch entsprechend gut verpackt. Produziert von Pete Anderson (Michelle Shocked, Dwight Yoakam) und unterstützt von Michelle Shockeds Begleittruppe trifft THE AMERICAN IN ME in schlicht schonen Balladen, fröhlichem Rhythm ’n Blues und federleicht fließenden Melodien ohne jede Peinlichkeit für jede Emotion den richtigen Ton. Unbestritten der erste Favorit für die Jahres-Top-Ten. (thj

DER AUFSTIEG

Alle Jahre wieder wird in der amerikanischen Musikpresse die Thronfolge diskutiert. Tenor:

Could this be the new Dylan?? Tim Buckley und Tim Hardin sollen es gewesen sein, Tom Petty, Bruce Springsteen und eben Steve Forbert. In Forberts Fall hinkte der Vergleich kaum, ir wirkte 1978 wie der „Folk-Prototyp der Achtziger*. Das Cover seines hochgelobten Debütalbums ALIVE ON ARRIVAL zeigte ihn als eine Art juvenile Kreuzung zwischen Presley und Dylan. Die Forberf sehen Texte, anfangs sehr wortverspielt, wurden von Album zu Album gehaltvoller. Die Arrangements des in Nashville aufgenommenen JACK-RABBIT SLIM-Albums erinnerten an Dylans BLONDE ON BLONDE-Meisterwerk. Es schien, als sei der Mann aus Meridian ein ernstzunehmender Thronanwärter jetzt brauchte es nur noch ein bißchen waschechten Rock ’n‘ Roll, um aus einem grünen Jungen einen echten Kerl zu machen. Doch Forbert, mit ALIVE ON ARRIVAL ein Straightshooter wie aus dem Bilderbuch, Liebling der Kritik und des US-Publikums, mußte erst Anfang der Achtziger sein persönliches Waterloo erleben, um jetzt die gefestigte Zweitkarriere zu starten.

DER ABSTURZ

„Kaum vorstellbar, wenn er nicht ein Riesenerfolg werden würde‘, schrieb die New York Times 1977 über Steve Forbert. Und seine ersten Jahre schienen die Vorhersage nur zu bestätigen. Seine Premiere ALIVE ON ARRIVAL machte aus dem Nobody ein Chartthema. JACKRABBIT SLIM warf mit .Romeo’s Tune‘ einen Top 20-Hit ab. Und zwei Nochfolgealben konsolidierten den Erfolg. Doch dann ging plötzlich nichts mehr. Seine Plattenfirma Columbia weigerte sich 1984, das damals fertiggestellte Material zu veröffentlichen. „Kommunikationsprobleme“, kommentiert Forbert knapp. Die Folge: Prozesse, Berufsverbot, drei Jahre gefangen im Dschungel der Gesetze. Forbert verließ das ungastliche New York in Richtung Nashville — kein Plattendeal, schlechte Aussichten und wieder am Ausgangspunkt. Doch aufgeben war nicht: „Songs schreiben und auftreten – das ist mein Job, Ich mußte wieder ganz unten anfangen, aber das war okay. Der Gedanke aufzuhören kam mir nie.“ Also wieder die bekannte Tingeltour zusammen mit Langzeltfreund und Gitarrist Clay Barnes und seiner Band „The Rough Squirreis*. Bis anläßlich einer Gedenkveranstaltung für Buddy Holly im New Yorker »Lone Star Cafe‘ die Crickets, Hollys legendäre Mannschaft, als Gastmusiker auch Steve Forbert einluden. Im Publikum: Gary Tallent, Bassist von Springsteens E-Street-Truppe, der spontan seine Hilfe für Forberts neues Songmaterial anbot. In Tallents 24-Spurstudio enstanden erste Demos, Forbert erhielt seine zweite Chance. 1988 – nach sechs langen Jahren erschien bei Geffen die fünfte Forbert-LP STREETS OF THIS TOWN. Das amerikanische Magazin .Rolling Stone‘ vergab Höchstwertungen für den verlorenen Sohn. Drei Jahre später etabliert sich Forbert mit THE AMERICAN IN ME wieder ganz oben an der Spitze amerikanischer Songwriter. Doch er ist vorsichtig geworden: „Ich habe Höhen und Tiefen erlebt und habe jetzt ein realistisches Bild von dem, was ich tue. Und ich erlaube mir, optimistisch in die Zukunft zu sehen.“