Sting


Stings Konzert in Los Angeles war eine der besten Shows des jungen Jahres: Musik, Bühne, Licht und Atmosphäre — alles stimmte. Selbst die blasierten Angelenos blieben bis zum Schluß gefesselt auf Ihren Plätzen

An fünf Abenden hintereinander spielte Sting im Wiltern Theatre auf, und diese Intim-Gigs (das Theater faßt nur rund 700 Leutchen) wurden zum Szenen-Ereignis in El Lay: Zur Premiere erschienen Bruce Springsteen, Billy Idol, Don Henley und Filmstar Jeff Bridges auf polierten 30.000-Dollar-Harleys. die von extra angeheuerten Security Guards vorm Theater-Eingang bewacht wurden. Und dann Sting auf der Bühne des von Billy Graham prächtig restaurierten Art-Deco-Palast — das läßt sich so schnell nicht übertreffen.

„Ich wollte in einem intimeren Laden spielen, der mehr zur Stimmung meiner neuen Platte paßt“, erklärte Sting seine Wahl des Miniaturgigs. Nach ähnlichen Shows in Chicago, Atlanta und New York wird der Rest der US-Tournee allerdings wie gehabt in großen Stadien ablaufen. Die fünf Wiltern-Shows jedenfalls waren trotz eines Ticket-Preises von 30 Dollar innerhalb eines halben Tages ausverkauft. Dafür bot Sting drei Stunden hervorragende Musik — eine davon mit den beiden Vorgruppen, zwei dann in der Gesellschaft des Meisters höchstpersönlich.

Um Schlag Acht — kaum zu glauben, daß ein Konzert so pünktlich anfangen kann — stand Sting dann zum ersten Mal auf der Bühne, um die erste der beiden Vorgruppen persönlich vorzustellen — ein echt netter Zug, obwohl er Interesse am Wohlergehen der beiden Opening Acts Kennedy Rose und Vinx hat, weil beide bei seiner Plattenfirma unter Vertrag stehen. Als Sting dann in schwarzem T-Shirt und schwarzen Torero-Hosen Punkt Neun zur Arbeit erscheint, beginnt ein Abend der Überraschungen: Die Bühne ist ein minimaiistisches Meisterwerk. Vier Musiker — neben Sting der grandiose Gitarrist Dominic Miller, David Sancious von Springsteens E Street Band an den Keyboards und Vinnie Colaiuta an den Drums — vor einem schwarzen Vorhang. Stings Charisma gewinnt durch die einfache Dunkelheit der Bühne noch an Wirkung. Doch dann knipsen Techniker das Licht an. und dir fällt nichts mehr ein: Diese tiefstapelnde Lightshow ist exzellent, ohne die stark an Jazz und Fusion orientierte Musik von Sting zu übertrumpfen.

Mit den Songs „All This Time“ und ,.Mad About You“ macht Sting sofort klar, daß die Show sein neues Album zum Mittelpunkt haben wird. Trotzdem scheut er sich nicht, alte Polizei-Lieder wieder aufzuareifen. Und als

die Zuschauer in abendlicher Wunschrunde immer wieder nach „Roxanne“ verlangen, stöhnt er zwar gequält auf („ein Song Hir 25jährige Eunuchen!“!, spielt den Oldie aber trotzdem. Und mit „Every Breath You Take“ beendet er dann sogar den Hauptteil der Show.

Sonst aber klebt der Mann aus Newcastle fünf Songs seines neuen Albums SOUL CAGES zu einem Medley zusammen und pflegt dazwischen feine Konversation mit dem Publikum. Wo andere Bands gerade noch „doyou feel alright, Dortmund?“ in den Saal brüllen, bringt Sting tatsächlich ein Zwiegespräch zustande und beweist dabei sogar Humor: „Ich hübe zweimal daneben gegriffen, aber keiner hat’s gemerkt, weil ich mir nichts anmerken ließ“, sagt er. „Also kann ich doch schauspielern. “ Mit dieser Bemerkung spielt Sting auf die überwiegend ziemlich kritischen Reaktionen an, die er nach seinen Ausflügen in die Welt des Kinos erntete.

Überraschung erntet Sting auch für seine Version von Bill Withers‘ „Ain’t No Sunshine“. Und die Fans drehen endgültig durch, als er den Klassiker „Purple Haze“ von Jimi Hendrix in einer gleichzeitig fetzigen und jazzigen Interpretation bringt. Dieses gute Stück hatte man bisher noch nie von Sting gehört, und es war so gut, daß er es gerne noch ein zweitesmal hätte spielen können, ohne den Unmut des Publikums zu erregen. Als einzige Enttäuschung blieb, daß Sting nur eine Zugabe spielte: Mit „Fragile“ beendete er das Konzert und gab damit gleichzeitig einen Kommentar zum Krieg und zur Gewalt in der Welt, was das LA-Publikum mit stürmischem Zwischenapplaus begrüßte.

Hoffentlich kann Sting auf seiner Tournee das Feeling, den hervorragenden Sound und die persönliche Atmosphäre dieses Club-Gigs auch in die großen Stadien hinüberretten.