Review

„Transit“- Kritik: Wenn neue Flüchtlinge auf alte treffen


Bei der Berlinale ging „Transit“ zwar leider leer aus, diese Romanverfilmung kommt aber mit einem fabelhaften Kniff ins Kino.

Die Nazis stehen vor Paris, Juden und andere Verfolgte wollen sich in andere Länder absetzen. Sie sind Flüchtlinge, verzweifelt und panisch – immerhin drohen Lager und der Verlust eines bisher gelebten Lebens. Eine Geschichte über diese Flucht vor den Nazis hat Schriftstellerin Anna Seghers geschrieben, Regisseur Christian Petzold verfilmt die Worte in „Transit“ und hat eine brillante Idee: Die Geschichte wird in das Jahr 2017 verlegt. Die Flucht vor den Nazis wird auf moderne Zeiten umgemünzt, Flüchtlinge aus der NS-Zeit treffen folgerichtig auch auf Flüchtlinge aus Nordafrika. In der Theorie klingt das etwas aufwühlender als es am Ende aussieht, weil Petzold die Angewohnheit hat, seine Zuschauer mit viel Stille und lethargischen Dialogen zu quälen, der Story tut das aber keinen großen Abbruch. Georg (Franz Rogowski), ein deutsch-jüdischer Flüchtling, entkommt knapp vor seinen Häschern aus Paris und landet in Marseille, wo er ein Boot besteigen möchte und dafür Visa und Transit-Scheine auftreiben muss.

Gefühle im Vorhof der Hölle

Die Wartezeit auf das Boot, das ihn nach Mexiko bringen soll, wird zum Vorhof der Hölle. Weil die nächste Razzia jederzeit kommen könnte, weil trotz gemeinsamen Ziels eine Distanz zu anderen Flüchtenden besteht. Weil eine Femme Fatale (Paula Beer, zuletzt auch in „Bad Banks“) Gefühle in Georg auslöst, für die er angesichts politischer Verfolgung eigentlich überhaupt keinen Platz in seinem Kopf hat.

Youtube Placeholder

An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Wenn man Petzolds Art der geduldigen Dialoge mag, dann wird „Transit“ schnell zum kleinen Geniestreich. Denn das Warten auf den nächsten Satz transportiert hier gut das Warten auf die Abfahrt des Schiffs, das Georg in Sicherheit bringen soll. „Transit“ ist einer der klügsten Kommentare zum Thema Flucht und Geflüchteten der vergangenen Jahre. Und wäre fast nicht in dieser Form gedreht worden: Bei der Berlinale 2018 erzählte der Regisseur, dass das ursprüngliche Drehbuch in den 1940ern gespielt hat. Doch mit seiner Festplatte ist diese Idee bei einem Roadtrip in den USA verschmort – eine glückliche Wendung des Schicksals für Petzold. Von einer solchen können die Figuren in seinem Film nur träumen – oder tun sie das nicht längst schon?