Warum eine umstrittene Antisemitismus-Doku von Arte nun auf Bild.de zu sehen ist


Der Fernsehsender verweigerte die Ausstrahlung der Doku und begründet dies mit unausgewogener Berichterstattung. Bild zeigt die Doku online, aber haben sie überhaupt die Erlaubnis dazu?

Auf der Website der Boulevard-Zeitung „Bild“ ist am heutigen Dienstag bis Mitternacht eine Dokumentation namens „Auserwählt und ausgegrenzt“ im Stream zu sehen. Das wäre nicht weiter ungewöhnlich, wenn die Dokumentation über Antisemitismus im Jahr 2017 nicht eigentlich ganz woanders zu sehen sein sollte. Und zwar auf Arte und etwas später dem WDR. Doch seit einigen Wochen halten die Sender die Dokumentation, die Ablehnung von Juden in Europa und vor allem dem Nahen Osten zeigt, zurück.

Der WDR hatte die redaktionelle Verantwortung für den Inhalt der Dokumentation und hat den fertige Film bereits durchgewunken. Doch dann grätschte Arte, die ihn zuerst ausstrahlen sollten, dazwischen. Der Sender prüfte Formfehler, sah die Ausgewogenheit in der Dokumentation anscheinend nicht gegeben. Der WDR zog daraufhin nach, wollte die Doku noch einmal prüfen und erklärte, „dass die redaktionelle Abnahme im WDR offenbar nicht den üblichen in unserem Haus geltenden Standards genügte“. Man wolle den Film also erneut prüfen. Aber auf was eigentlich?

In den sozialen Netzwerken keimte in den vergangenen Tagen der Verdacht auf, dass „Auserwählt und ausgegrenzt“ aus politischen Motiven nicht gezeigt würde, was nun auch auf Bild.de so dargestellt wird. Bild.de-Chefredakteur Julian Reichelt schreibt auf der Website: „Der Verdacht liegt bitter nah, dass diese Dokumentation nicht gezeigt wird, weil sie politisch nicht genehm ist, weil sie ein antisemitisches Weltbild in weiten Teilen der Gesellschaft belegt, das erschütternd ist.“

Fragwürdige Journalisten und handwerkliche Fehler

Die Doku zeigt gelebten Antisemitismus in Frankreich, im Nahen Osten, in Deutschland, in Kultur und bei Journalisten, obwohl als Beispiel-Journalisten auf Bild.de die sowieso seit Jahren umstrittenen und hetzerisch abgetanen Ken Jebsen und Jürgen Elsässer genannt werden. Bild.de hat die Arte-Doku „geleaked“ und mit einem langen Artikel begleitet, ein Scoop für das Online-Medium, ein Ärgernis für die Sender, die die Doku ursprünglich bestellt haben. Es stellt sich die bisher ungeklärte Frage nach den Rechten an dem Material. Eventuell muss Bild.de  juristische Konsequenzen für die Ausstrahlung von „Auserwählt und ausgegrenzt“ tragen.

Wer sich die umstrittene Dokumentation anschauen möchte, hat bis Mitternacht Zeit. Danach geht sie wieder offline, aber eventuell wird sie ja doch noch irgendwann im WDR ausgestrahlt. Derzeit prüfe man die Ausstrahlung ja erneut. Einige handwerkliche Fehler und doppeldeutige Formulierungen in der Dokumentation streiten weder Bild noch der WDR ab. Den Link zum Video findet Ihr hier.