Wenn Andersen auf Orwell trifft


Zeichentrick: „Der König und der Vogel „Der König und der Vogel“ dürfte ohne Übertreibung wohl zu den schönsten Zeichentrickfilmen gerechnet werden, die bislang hierzulande auf der Leinwand zu sehen waren. Wenn Walt Disneys „Aristocats“ sich monatelang in den großen Kinos hält, so liegt es unter anderem auch am legendären Ruf des Autors. Und wenn „Le Roi Et l’Oiseau“ hier weniger Erfolg haben sollte als in Frankreich, wo er begeisterte Rezensionen und darüber hinaus noch den Kritikerpreis „Prix Louis Delluc“ erhielt, so kann es dafür eigentlich nur einen Grund geben: es wußten nicht genug Leute davon!

Das sozialkntische Märchen „Watership Down“ war bereits als Buch ein Hit, entsprechend fiel die Vorpromotion für den Film aus und natürlich auch der Besucheransturm. „Der König und der Vogel“ ist ebenfalls ein sozialkritischer Film und basiert in seiner Grundidee auf dem Märchen des Hans Christian Andersen, „Die Hirtin und der Schornsteinfeger“. Um diese beiden Figuren, die eines Nachts aus ihrem Bilderrahmen in den privaten Gemächern von König Karl V+III = VIII+ VtIl=XVI steigen, rankt sich die Geschichte vom diktatorischen König, der seinen totalitären Staat mit allen Mitteln der Unterdrückung solange am Funktionieren halt, bis ihm der durchtriebene Vogel mit mutigen und geschickten Aktionen. Sand ins Getriebe streut. Zum Schluß nämlich hat der gefiederte Widersacher des Herrschers sogar die Oberhand über des Köntgs grausamste, letzte Waffe bekommen: den gigantischen Roboter der das atemberaubende Wohngebirge niedermalmt. Die letzte Handlung des metallenen Monsters ist es, den kleinen Käfig zu zertrümmern, der von Lakaien des Königs aufgestellt wurde, um die neugierigen Jungen des Vogels in die Falle zu locken, damit seine Majestät sie zum Zeitvertreib vor die Flinte bekommt.

Dieser letzte symbolische Akzent war auch die letzte Idee, die der französische Schriftsteller Jacques Prevert für dieses Projekt ausgearbeitet hat. Er starb, 77 Jahre alt. zwei Jahre bevor dieser Film in Frankreich uraufgeführt wurde. Zusammen mit dem Regisseur Paul Gnmauld hatte er schon 1946 an einem ersten Drehbuch zu dieser Geschichte gearbeitet. Nachdem 1953 eine unauthorisierte Fassung unter dem Titel „Die Hirtin und der Schornsteinfeger“ in die Kinos gekommen war, kauften die beiden 1966 die Rechte zurück, um sich 1977 wieder aufs Neue damit zu beschäftigen.

„Der König und der Vogel“ ist ein bis ins letzte Detail liebevoll durchgezeichneter Streifen voller faszinierender Ideen. So erfanden die Autoren für den totalitären König ein Wohngebilde. mehr als 200 Stockwerke hoch: eine Mischung aus antikem Prunk, Versailler Pracht, italienischer Romantik und futuristischer Kälte. In der geheimnisvollen Unterstadt dagegen, in die nie ein Sonnenstrahl hineindringt, leben bleiche Menschen in verfallenen Häusern. Die Flucht der Hirtin und des Schornsteinfegers aus denen ihnen zugedachten Rahmen hat ihre Befreiung zur Folge. Doch bevor es soweit ist, tönt es im Fahrstuhl: „Erster Stock: Geschäftsfühmng, Rechtsableilung, Schatzamt, Goldund Silberwaren. Fiskus, Steuern, Abgaben, Liquidationen, Stoffreste, königliche Familie…“