Wir sind Helden – München, Tonhalle


Mit deutlich mehr musikalischem Proviant im Gepäck marschieren Judith, Jean, Marc und Polo selbstbewußt durch die Hitze.

Draußen ergießt sich der Mairegen wie aus Kübeln und drinnen tropft es auch von der Decke, aber weniger, weil das Dach der Tonhalle etwa undicht wäre – die schiere Überfüllung, die geballten Körperdämpfe der sicher über 2000 Fans sind es, die da in kondensierter Form wieder nach unten rieseln. Auch eine dreimal so große Halle wäre an diesem Abend ausverkauft gewesen, die Vorfreude im Saal ist geradezu mit Händen zu greifen und spielt auch den Openern Madsen in die Hände. Während ihres gut dreiviertelstündigen Sets bekommt die Band aus dem Wendland von den Fans vor der Bühne bereits das richtige ‚Headliner‘-Treatment inklusive Mitklatschen, Hopsen etc. Ihre Kombination aus eher simplem punkigen Rock, ziemlich ohrwurmigen Melodien und griffigen Texten erweist sich als bestens live-tauglich. Und der Text der ersten Madsen-Single „Die Perfektion“ ist bei vielen im Helden-Publikum ganz offenkundig auch schon eingeführt.

Als die Headliner mit „Ist das so?“ ihren Set beginnen, ist in der Halle schon alles gelöste Euphorie. Und in den folgenden etwas über zwei Stunden werden dann einige Dinge sehr klar Zum Beispiel: Es ist kein wohlfeiles Lippenbekenntnis, wenn die Helden derzeit in Interviews immer wieder ihren Willen zur Weiterentwicklung betonen. Mehr als die Hälfte der 22 Songs des Konzerts stammen vom neuen Album von hier an blind, genauer gesagt: ein volles Dutzend. Keine Spur davon, daß sich Judith, Pola, Marc und Jean auf den Hits aus der Reklamation ausruhen würden. Auch klar: Nicht alle der neuen Nummern haben den Hitappeal wie „Gekommen, um zu bleiben“ oder die ganzen Smasher aus dem Debüt. Aber allemal genug Prägnanz, um auch live zu überzeugen. Und manche. z.B. „Zuhälter“ bringen eine neue Härte, einen neuen Biß in die Helden-Sets. Das führt dazu, und das ist noch so’ne Klärung, daß die Helden mit dem nun deutlich breiteren Repertoire im Rücken ihre Showdramaturgie nicht mehr mit zu langen semi-spontanen Bühnendialogen verwässern. So geht’s fast ohne Durchhänger durchs Programm, Pola tackert trotz Sauna-Klima seine eckigen Grooves wie ein Berserker unter die Songs, Judith erfährt im Kampf mit beginnender Heiserkeit Unterstützung durch selige Fanchöre, und Jean und Marc sorgen selbstbewußt für eine weitere Klärung: Hier agiert nicht das modische Modell Austauschbare-Band-plus-Frontfrau-Blickfang, sondern vier Persönlichkeiten mit Substanz. Und auch deshalb werden sie bleiben.

CHRISTIAN STOLBERG

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