Home taping is killing music – and it’s illegal


Leercassettenabgabe... Urheberrechts-Gesetz ... Home Taping - vermeintlich unattraktive Themen für einen Rock-Fan. Aber: Es geht auch um Bevormundung, Eingriffe in die künstlerische Autonomie und nicht zuletzt ums Portemonnaie der Käufer.

Alle Urheber- und Leistungsschutz-Rechte vorbehalten. Kein Verleih! Keine unerlaubte Vervielfältigung, Vermietung, Aufführung, Sendung!“ Wohl jeder, der sich irgendwann einmal eine Schallplatte zugelegt hat, wird diese auf das Label gedruckten Sätze kurz zur Kenntnis genommen, sie aber ebenso schnell wieder vergessen haben – beziehen sie sich doch ohnehin nur auf gewerbsmäßige Vorgänge, auf deren strafbaren Charakter in dieser Form hingewiesen wird. Daß hierzulande privates Kopieren z.B. einer LP auf MusiCassette nicht rechtswidrig ist, regelt seit 1965 das Urheberrechtsgesetz (UG) § 53, Abs. 5 – Näheres dazu später. In England, Kanada und den USA dagegen bedeutet die Überspielung in den eigenen vier Wänden einen Rechtsbruch.

Allerdings hat bis heute niemand einen Weg finden können, dies zu verhindern: Einerseits blieben die Leercassetten-Preise nahezu unverändert, in jedem der -zig Millionen Haushalte einen Aufpasser zu postieren, dürfte den personellen Apparat zuständiger Stellen wohl über Gebühr belasten; und das Herausstanzen zweier Löcher an der Cassettenkante war von Beginn an albern (Tesafilm hilft).

Der konstant wachsende Trend zum sogenannten „Home Taping“ jedoch hat in letzter Zeit wachsende Aktivitäten von seiten der betroffenen Organe bewirkt. Auf breiter Front planen die Plattenfirmen eine große Kampagne gegen die Selbstversorger: „Home Taping is killing music – and it’s illegal“ heißt die Parole, die in Form integrierter Aufdrucke (Cover, Label) vor weiterem Schwarzhören drohend den Zeigefinger erheben will.

Die Industrie-Verluste sollen sich allein in den USA auf 2,85 Milliarden Dollar belaufen. In der Bundesrepublik wurde 1981 bei Langspielplatten ein Umsatzrückgang um 8 Milllionen Stück im Vergleich zu 1980 errechnet, während der Leercassetten-Verkauf nach wie vor steigt (1980:92 Millionen Leercassetten gegenüber 48 Millionen bespielter Cassetten; geschätzte im Umlauf befindliche Gesamtmenge der LC: 500 Millionen, dazu mehrfach verwendbar).

Der „Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e.V.:

„Der sicherlich reizvolle ‚Spareffekt‘ gefährdet die Existenz aller, deren Arbeit das vielfältige Angebot von Musik erst möglich macht…“.

Gemeint sein müßten damit Autoren und Interpreten, man gibt allerdings gleich noch die “ Mitarbeiter bei Musikverlagen, Schallplattenherstellern und auch beim Handel, ohne die die Produktion von Musik und deren Verbreitung gar nicht möglich wäre“, drauf. An den Käufer, ohne den gar nichts möglich wäre, denkt man auf dieser Seite des Tisches freilich nicht.

In England haben bislang der Verwendung des „Home Taping-Logos“ zugestimmt: WEA, CBS/ Epic, MCA, A&M, K-Tel, Pickwick, Ronco und auch Suff, „das besondere Label“ (EigenWerbung). Bei Virgin ist man noch unentschlossen, die EMI plant den Gebrauch zunächst nur in Anzeigen. Die Tatsache, daß Spruch und Knochen z. B. einen reglementierenden Eingriff in die vorhandene „künstlerische Einheit Cover“ bedeuten könnten, ließ bislang lediglich Polygram und RCA zögern.

Für Rainer Schmidt-Walk von der Deutschen Grammophon „kommt (es) darauf an, ob das Cover überhaupt eine künstlerische ‚Einheit‘ ist… unser Art Director (wird sich) sicherlich etwas einfallen lassen, das den Hinweis zwar deutlich, aber doch integriert darstellt… Wenn eine grundsätzliche Regelung erfolgt ist, werden wir auf Cover, Inlay und in Anzeigen einen entsprechenden Hinweis anbringen …“ Auch bei der Phonogram sitzt man in den Startlöchern:, Wir tragen uns sehr wohl mit dem Gedanken, auf der Rückseite des Covers einen Hinweis… abzudrucken “ (Roland Kommereil).

Die Teldec dagegen ließ mitteilen, „daß eine Verwendung des Home Taping-Logos nicht in Betracht kommt…“ (Dr. Rau). Dann muß es sich z.B. auf der Rückseite der deutschen Pressung des Jona Lewie-Albums HEART SKIPS BEAT wohl um eine Fata Morgana handeln.

Uwe Tessnow von Line Records spricht sich ebenfalls für das Knochenbild aus, „weil Home Taping schon längst an die materielle Substanz gerade bei kleineren Firmen und weniger verdienenden Künstlern rührt“.

(Was die WEA angeht, so besteht ein Informations-Loch, da eine schriftliche Anfrage unbeantwortet blieb).

Ganz andere, den Verbraucher (be)treffende Maßnahmen sind zusätzlich in Vorbereitung. Seit 1965 existiert die gesetzliche Regelung einer im Kaufpreis enthaltenen Abgabe auf Tonbandgeräte – wobei man seinerzeit noch nichts von Cassettenrecordern bzw. Leercassetten ahnen konnte. Der durchschnittlich abgeführte Betrag belief sich damals auf ca. 15 DM pro Gerät. Inflation, verbesserter technischer Standard (= längere Haltbarkeit) und niedrigere Preise haben die Abgabe – laut Dr. Norbert Thurow (GVL/Gesellschaft zur Verwertung von Leitungsschutzrechten) – inzwischen auf DM 2,00 fallen lassen.

Neben einer an den Bundesjustizminister gerichteten Resolution (von über 100 Künstlern unterzeichnet, darunter die Multi-Verdiener Anneliese Rothenberger, Udo Jürgens und James Last…), die sich 1980 gegen die Hersteller und Importeure von Leercassetten richtete, versuchte auch die GVL bereits vor drei Jahren, auf den Gesetzgeber einzuwirken. Seitdem liegt eine Erhöhung der Leercassetten-Preise in der Luft („Leercassetten-Abgabe“, zusätzlich zur weiterbestehenden Geräteabgabe).

Im September 1981 sah ein Novellierungsentwurf zum Urheberrecht dies allerdings nicht vor. Ein neuer Entwurf wird erwartet, die GVL und die Deutsche Landesgruppe der „International Federation Of Producers Of Phonograms And Videograms“ (IFPI) hoffen erneut auf gesetzliche Absegnung ihres Vorschlages, pro Leerminute 2 Pfennig Abgabe zu erheben, d.h. eine Preiserhöhung pro C 90 um DM 1,80.

Viel Lärm also um nichts bzw. um wenig Geld? Oder fechten hier ein Interessenverband und eine Industrie ihren Zwist letztlich auf dem Rücken des zahlenden und wieder einmal wehrlosen Konsumenten aus? Und außerdem steht weiterhin der Eingriff in die Covergestaltung im Raum (ein Jeder stelle sich kurz sein Lieblingscover vor, verschönert mit gekreuzten Knochen. Sind diverse blödsinnige Aufkleber noch nicht genug?).

Einen peinlichen „Rückschlag für die Durchsetzung unserer Interessen „erlebte jetzt die IFPI: Es wurde bekannt, daß ausgerechnet der Leercassetten-Hersteller TDK (Tokio Deki Kakaju) die Tournee der Rolling Stones in Holland, Schweden, Österreich und in der BRD mit ca. 400 000 DM finanziell unterstützt – Luftballons, Plakate, T-Shirts etc. sorgten in den Hallen für weitschweifige Werbung des Kontrahenten…

Bernd Matheja P. S. Wir erwägen, für den ME in Zukunft eine Zweit-, Dritt- und Viertleser-Gebühr zu erheben …