AUSTRA


Happy Gothic: Austra mischen hell und dunkel.

Melancholische Tanzmusik – gleichzeitig traurig und lebhaft – ist eine Kunst. Austra beherrschen den Spagat, ohne auf die eine oder andere Seite hinüber zu kippen. Das Grundprinzip des vor zwei Jahren erschienenen Debüts hat das Sextett aus Toronto auf dem kürzlich erschienenen OLYMPIA nicht verändert. Immer noch steht Katie Stelmanis‘ Stimme im Mittelpunkt. Immer noch ist diese klassisch ausgebildete Stimme so markerschütternd, das man nicht genau weiß, ob sie berührt oder einfach nervtötend ist. Allerdings ist die Musik – und das gefällt dem Publikum beim Konzert im Kreuzberger Lido – ein ganzes Stück näher an die Tanzfläche gerückt: Ausgelassener und discoider ist der Sound, kraftvoller sind die Basslines. Die bunte Truppe, die neben Stelmanis, Drummerin Maya Postepski und Bassist Dorian Wolf mit den singenden Zwillingen Sari und Romy Lightman und Keyboarder Ryan Wonsiak viel Zuwachs bekommen hat, hat Lust zu tanzen. Einmal fängt Stelmanis, ganz euphorisiert von den vergnügt pulsierenden Housebeats, beinahe an, im Stil einer Karen O wild gestikulierend hin und her zu springen. Sie belässt es dann doch bei einem heiteren Wippen.

Begleitet von schlichten, rhythmischen Pianoakkorden, einem eindringlichen House-Beat und federleicht flötenden Synthesizer-Patterns trällert die Frontfrau in „Home“ etwa mit fabelhaft arienhaftem Pathos: „You know that it hurts me when you don’t come home at night“. So fängt der Song das Gefühl des sehnsüchtigen, nächtlichen Wartens atmosphärisch ein und lenkt das Publikum gleichzeitig davon ab, indem er das Warten auf die Tanzfläche verschiebt, wo die Zeit ja bekanntlich in rasendem Tempo verfliegt. Spaß und Sehnsucht, hell und dunkel liegen bei Austra sehr nah zusammen. Aus diesem Gegensatz speist sich der Spannungsbogen des Liveauftritts. Fast hat man den Eindruck, es spielten zwei verschiedene Bands auf der Bühne, so sehr unterscheiden sich die Stimmungen der Songs. Nach groovigen Midtempo-Stücken wie „Painful Like“ und „Forgive Me“, lehnen sich Austra mit dem düsteren „Sleep“ oder „Beat And The Pulse“ vom ersten Album weit hinüber auf die dunkle Seite ihrer Nachtmusik. Dann verschwinden die puff.shortärmeligen Glitzer-und Blumenkleider der Lightman-Zwillinge in der Unschärfe blau-schwarzer Beleuchtung, und Sängerin Katie Stelmanis starrt fast eine ganze Strophe lange auf ihre Schuhe. Die bunte Ausgelassenheit, sie zieht sich zugunsten gothictypischer Innerlichkeit zurück, nur um kurz danach mit Disco und Dance zurückzukehren. Das Publikum, im Vergleich zu den Konzerten von vor zwei Jahren deutlich gemischter, mag beide Pole von Austras Musik.

SETLIST

What We Done?

Painful Like

The Future

The Choke

Home

Forgive Me

The Villain

Sleep

Reconcile

Annie (Oh Muse, You)

Lose It

Beat And The Pulse

Spellwork

Hurt Me Now