Kommentar

Musikalisches Gruselkabinett: Herbert Grönemeyer singt für Felix Jaehn


Der Hamburger DJ und Produzent und die Bochumer Musiklegende verheben sich an dem Versuch einer generationsübergreifenden Fußball-Hymne.

808-Klapperschlangen-Snares, Grönemeyer quengelt „Alle Gedanken geben auf, ein Wurf, dein Team“ – wroooom. Tropical-Großraumdisse-House-Beats und pathetischer Wir-halten-alle-zusammen-sind-ein-Team-Chorus. Was sich wie der perfide Traum eines sadistischen Nachwuchsproduzenten liest, ist bittere Realität.

Diese Realität heißt „Jeder für Jeden“ und ist die neue Single von Felix Jaehn & Herbert Grönemeyer. Ein Song, konzipiert um als hymnische Untermalung der besten Szenen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der Euro 2016 in ARD und ZDF zu funktionieren, bringt also den milchbubigen Felix Jaehn (eigentlich ja Jähn, aber Umlaute stören bei der Globalisierung des Soft-House-Sounds. Sind hier ja schließlich nicht bei Motörhead) und Herbert Arthur Wiglev Clamor Grönemeyer, die Bochumer Eminenz des Deutschpops, zusammen.

Das dreieinhalb Minuten lange Stück Musik ist schwer zu verstehen. Nicht, weil Grönemeyers gniedelige Stimme Vokale, Konsonanten, ja ganze Wörter zu verschlucken droht, man kennt und mag das ja, sondern weil man die Intention der Kooperation nicht erkennt. Wollten die Major-Labels die Generationen miteinander versöhnen? Wollte Grönemeyer zeigen, dass er noch immer dem Puls der Zeit folgt? Oder will Felix Jaehn nach seinem grässlichen Track „Stimme“, den er für sein gemeinsames Projekt „Eff“ mit Mark Forster produzierte, das Formatradio einfach weiter mit Nichtigkeit füttern?

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Wahrscheinlich ist die Antwort ein Querschnitt aus all diesen Fragen. Jaehn, ähnlich seinem Compagnon Robin Schulz, kostet den derzeitigen Erfolg in vollen Zügen aus. Alles, was er dafür tun muss, ist seine Musikalität und seinen künstlerischen Anspruch abschreiben, wie einen in die Jahre gekommenen Kopierer. Die wenigen Cashcows, die sie noch im Stall haben, wollen die Labels schließlich melken, und das geht derzeit mit heimeligem Bauspar-House sehr gut. Dass Grönemeyer im Song moralisch grenzwertige Zeilen, wie „Es sind die wehenden Farben, für die sich alles lohnt“ singt, wird vom gemeinen Konsumenten bei dem alles benebelnden Wohlfühl-Sound nicht hinterfragt.

Papa und Sohn sollen sich nämlich nur glücklich und stolz, auf „ihre“ Farben, in den Armen liegen, während die besten Szenen der ersten Halbzeit über den Äther jagen. Und sollten sie sich doch eines Tages fragen, was all das mit Fußball zu tun haben soll, kann der Song ja noch eine 1A-Karriere als Soundtrack der nächsten Bundeswehr-Image-Kampagne machen. Prost, Mahlzeit und Gut, Kick, wie Klaas Heufer-Umlauf sagen würde. Make Patriotismus great again.

https://www.youtube.com/watch?v=SY6R7XFQEaU