1:0 FÜR YES


YES', momentan eine der populärsten Gruppen überhaupt, haben es nun doch geschafft, wieder einmal nach Deutschland zu kommen. Unter anderem kamen sie kürzlich auch nach Frankfurt. Die Stadt hat für 'YES' inzwischen schon eine ganz besondere Bedeutung gewonnen: Hier bekamen sie neulich die 'Goldene' für 'Yessongs' und sie besuchten darüber hinaus das Waldstadion, um 'ihrem' Fussballclub, dem schottischen Nationalteam als prominente Schlachtenbummler' die Daumen zu drücken. Vergeblich, die Schotten verloren 1 :2.

AUCH ‚LIVE‘ STUDIOREIF

Wie gewohnt, waltete Rick Wakeman, charismatischer ‚Tasten‘-Gott der Gruppe, cool und selbstbewusst wie ein Magier. Mehr einem Thron der ‚Royal Family‘ als einem Schlagzeug sah die Apparatur ähnlich, die man für Alan White aufgebaut hatte. Ein riesiger Schmetterling entfaltete seine Flügel im Takt der elektrisierenden Percussion-Rhythmen. Während Steve Howe wie selbstvergessen inmitten seiner zahlreichen Gitarren irgendwo in den Wellen der ‚Topographie Oceans‘ untergetaucht schien, griff Chris Squire einmal mehr zu seiner akustischen Gitarre, — suchte und fand den Kontakt zum Publikum. Jon Anderson, der auf der Bühne inmitten des gigantischen Apparates etwas verloren wirkte, brachte das Kunststück zustande, die komplizierte ‚YES‘-Musik auch ‚live‘ mit seiner eigentümlich hohen Stimme ’studioreif‘ abzurunden. Insgesamt ein unheimlich gutes Konzert — wer ‚YES“ nun bei der zweiten Deutschland-Tour nicht selbst gehört und gesehen hat, hat wirklich was verpasst…

Die ‚Stimme‘ von ‚YES‘ fand sich dazu bereit, nach dem Gig ein paar Fragen zu beantworten: Während er sein vegetarisches Abendbrot verdrückte, gab Jon Anderson ME folgendes Interview:

YES- INTERVIEW

ME:

Da allerlei Facts über ‚YES‘ bekannt sind, (siehe YES-Story‘ ME/April ’74) wäre es interessant, wenn Du ‚mal persönlich zu der oft geäusserten Kritik, dass ‚YES‘ überperfektionierte Musik machen, Stellung nehmen könntest.

Jon:

Ich habe mich schon häufig aber diese Kritik gewundert. Stimmt, unsere Musik ist ‚dicht‘, es macht uns Spass, ‚perfekt‘ zu sein, unser Bestes zu geben, aber deshalb nicht ‚klinisch‘, ohne feeling …

ME: Aber für Improvisationen bleibt doch bei Euch kaum Raum, oder?

Jon:

Nein, aber trotzdem, wir varlieren, jedes Gruppenmitglied bringt bei jedem Gig irgendwas Neues dazu. Das ist mal mehr, mal weniger, aber unkreativ sind wir auch ‚live‘ nicht.

ME:

Du meinst also, dass ihr den Ablauf Eurer Konzerte ‚demokratisch‘ gestaltet? Jon:

Ja, genau.

ME:

Wie ist das denn, wenn ihr komponiert, wer schreibt die Songs?

Jon:

Unterschiedlich; oft habe ich einen Einfall und spinne die Sache dann z.B. mit Steve gemeinsam weiter aus. Oder mit Chris. Früher habe ich auch schon ganze Sachen allein gemacht. Aber meistens ist das heute so: wir entwickeln aus einer Melodie eine Konzeption, und in die passt dann jeder Einzelne seine Ideen ein.

ME:

Wie geht denn das, gibt es nicht auch Ideen, die sich nicht unter einen Hut bringen lassen?

Jon:

Eigentlich kaum, wahrscheinlich deshalb nicht, weil wir uns musikalisch eben unheimlich gut verstehen. Wir haben auch die gleichen musikalischen Vorbilder … von da aus gab’s ein ‚development‘, eine gemeinsame Entwicklung, die uns zusammenbrachte.

ME:

Du erwähntest eben Vorbilder, welche meinst Du?

Jon:

Zappa, Stones, die Beach Boys, aber auch Bob Dylan …

ME:

Mmmh, das sind ja Rockgruppen, die Du aufzählst, vor allem die Stones …

Jon:

Klar, we´re a Rock’n’Roll-Band, wir sind eine echte ‚live‘-Gruppe, wir freuen uns jedesmal riesig, wenn wir vor einem Publikum auftreten können. Erst neulich bei einem Gig in Frisco (San Franzisko), — es war fantastisch, wie die Leute mitgingen.

ME:

Sicher, aber das war in Amerika, das ist doch wohl ein anderes Publikum. Hier hören doch die Leute YES‘ hauptsächlich als ’schwierige‘, konzertante Musik. Die ‚klassischen‘ Wurzeln, ich glaube Strawinski und Sibelius waren es … Jon:

Ja, stimmt.

ME:

… hört jeder, und deshalb kommen sie mit einer gewissen ‚Ehrfurcht‘ in Eure Konzerte; die Leute sitzen da und spitzen die Ohren, aber so richtig mitschwingen …

Jon:

Ja, vielleicht liegt es am PA-System (Anlage)…

ME:

… die ist perfekt!

IN ZUKUNFT QUADROPHONISCH

Jon:

Nicht ganz: Ich stelle mir das noch anders vor. Quadrophonisch, weisst Du, damit die Leute wirklich fühlen, was wir spielen. Von allen vier Seiten, vor allem die Bässe. Das wäre dann schon grosse Klasse. Jetzt sitzen sie noch alle da wie vor einer Kinoleinwand. Alles kommt nur von vorn, das — finde ich — wirkt flach.

ME:

Es scheint so, als ob Ihr auf diesem Gebiet noch viel vorhabt, — was sind ansonsten Eure Zukunftspläne?

Jon:

Wir wollen im Sommer unser neues Album aufnehmen. Es wird, schätze ich, im Oktober herauskommen.

ME:

Um was geht es dabei?

Jon:

Darüber kann ich noch nichts sagen; ich versuche mich selbst gerade erst in diese Sache zu vertiefen . ..

ME:

O.K., und in ferner Zukunft, was liegt da an?

Jon:

Wir werden weitermachen, solange es uns Spass macht.

ME:

Auch wenn —-eine Hypothese- — der Erfolg mal ausbleibt?

Jon:

Ja, solange es uns Spass macht Und wenn die Leute nicht mehr mitziehen? Ich weiss nur soviel: Auch wir können uns ‚mal irren. Ausserdem, auch wenn wir mal was Anderes machen… die Leute haben heute nicht mehr soviel Vorurteile, sie wollen überrascht werden.