Flurfunk


Natürlich by nature

In seinem pädagogischen Hauptwerk „Emile oder über die Erziehung“ forderte der französische Philosoph Jean-Jacques Rousseau das „Zurück zur Natur“. Und jetzt nach fast 250 Jahren – halten Sie sich fest – gibt es eine Reihe handfester Indizien dafür, dass Rousseaus Postulat endlich Wirklichkeit wird. Zumindest in dem sehr kleinen Teil der Realität, die von diesem Heft abgebildet wird. Arcade Fire ließen sich für die ME-Ausgabe 8/2010 im Wald und auf der Wiese fotografieren – wobei die Umweltverträglichkeit des BMX-Rades, auf dem Band-Chef Win Butler sitzt, zumindest diskussionswürdig wäre. Auch Wir sind Helden hat es gefallen, anlässlich des 10-Seiten-Dossiers in dieser Ausgabe (ab Seite 70) im Wald vor allerlei Grünzeug und Laubblättern zu posieren. Bei Arcade Fire und auch bei Wir sind Helden wundert uns die Naturverbundenheit natürlich nicht. Das sind ja Neo-Hippies, bei denen muss das so sein. Bei den Indie-Existenzialisten Interpol (natürlicher Lebensraum: New York City) dagegen darf man schon ins Grübeln kommen. Die setzten sich in Berlin beim Fotoshooting für die Titelgeschichte der aktuellen Ausgabe (Seite 32) für unseren Fotografen in einem von Unkraut überwuchertem Wasteland in Szene. Woher diese neue Natürlichkeit kommt, wissen wir natürlich nicht. Man kann sie aber vielleicht auf den heißesten Sommer seit Jahrzehnten schieben.

Wo wir gerade bei der Natur sind. Das Sechs-Seiten-Special „Die 50 besten Coverversionen“ (ab Seite 62) stellt wieder eine große Herausforderung an die Natur des Lesers dar, insbesondere an seinen Beißreflex gegenüber dem natürlichen Feind, dem ME-Redakteur. Nominierungen, Positionen und vor allem Auslassungen bei der kommentierten Liste mit Coverversionen sind willkommene Anlässe für unnatürliche Blutdruckschwankungen und erboste Ihr-habt-ja-überhaupt-keine-Ahnung-von-Musik-Leserbriefe. Das liegt zwar in der Natur der Sache, trotzdem empfehlen wir: einfach mal locker machen, sonst sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Der Flurfunker