U2 & Apple: Stadionrock-Unternehmen verkauft sich an Digital-Monopolist


Warum der Move, das neue U2-Album von Apple verschenken zu lassen, als Geschäftscoup gefeiert werden darf – selbst bei treuen Fans der Band aber einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen dürfte. Ein Kommentar von Oliver Götz.

Dass Bono Vox auch mit Steve Jobs, dem vor drei Jahren verstorbenen Apple-Chef, gut gekonnt haben soll, ist keine Nachricht. Der irische Rocksänger, Politaktivist und Vermögensverwalter in eigener Sache hat sich bislang noch an jeden Großen aus Politik und Wirtschaft rangewanzt. In welchen Anteilen der Mann dabei von seiner Sorge um den Zustand von Welt und Gesellschaft, seiner Profilneurose und/oder seinem Geschäftssinn angetrieben wird, darüber ist schon viel gestritten worden. Dies soll bei der Beurteilung von Bonos neuestem Coup jedoch keine weitere Rolle spielen.

Dass es ein großer Coup war, der am Dienstag bei der sogenannten Apple-Keynote im Silicon Valley neben der umjubelten Präsentation neuer Geräte und Gimmicks verkündet wurde, das ist keine Frage: Die Band U2, eines der größten Stadionrock-Unternehmen der Welt, verschenkt ihr lange erwartetes und mehrfach verschobenes neues Album SONGS OF INNOCENCE via iTunes, dem Download-Shop von Apple. Mehr als 500 Millionen Nutzer weltweit können es sich somit ab sofort herunterladen. Echt jetzt? Kostenlos? Sofort? Wow.

Die Band und ihr Label bekommen dafür einen Betrag X überwiesen. Das Kalkül von Apple: Aus 500 Millionen potentiellen Download-Kunden dürften so noch einige mehr werden. Über die Motive von U2 konnte man sich hingegen wundern. Denn tatsächlich gehört das 38 Jahre alte Quartett nach wie vor zu den großen Verkäufern der seit Jahren kriselnden Tonträgerbranche. Vom Vorgängeralbum NO LINE ON THE HORIZON (2009) setzten sie immerhin noch über 5 Millionen Exemplare ab und das, obwohl die drei Singles daraus ungefähr so lange im Ohr geblieben sind wie ein Paar In-Ear-Headphones mit zu großen Aufsätzen.

Warum verschenken U2 ihr Album „SONGS OF INNOCENCE“ via iTunes?

Ein Album zu verschenken – lohnt sich das also für diese Band? Wenn man genauer hinsieht auf jeden Fall. Denn so sichern sich U2, die bis heute rund 150 Millionen Platten verkauft haben, nicht nur die Pauschale von Apple und müssen sich so nur noch halb so viel Gedanken über die Launen des Tonträgermarktes machen – nach den ersten höchst mittelmäßigen Höreindrücken von SONGS OF INNOCENCE eine doppelt gute Idee. Sie erreichen damit aber vor allem eine weltweite Hörerschaft, die alle Dimensionen sprengt – und vielleicht Lust bekommt, sich über den Gratis-Download hinaus mit dieser Band zu beschäftigen. Und ab dem 13. Oktober wird es das Album ja auch noch als CD, Vinyl, Deluxe-Pi-Pa-Po geben, was sich die treueren unter den treuen U2-Anhängern trotzdem nicht entgehen lassen dürfen. Erst kriegt es der Apple-User frei Haus geliefert, dann stellen wir es dem Fan in den Laden – interessanter Zug.

Dass U2 mit diesem Coup allerdings ihre eigene Musik und sich damit als Ganzes marginalisieren und dem aberwitzigen Trend zuarbeiten, dass der sexy Abspiel-/Kommunikationstechnik gehuldigt wird – während der „Content“, die Musik, also das, was im gelungenen Fall deinen Arsch bewegt und/oder dir Glückstränen in die Augen treibt, ruhig verscherbelt werden darf und deren Urheber dann eben schauen muss, wo er bleibt/für wen er wirbt – all das wird vielleicht auch ein paar treueren unter den treuen U2-Anhängern zu denken geben.