Doldinger’s Passport


Puritaner sind, wie ihr sicher wißt, Leute, die z.B. Musiker verdammen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Grenzen der einzelnen Stilarten zu verschmelzen oder sonstwie den engen musikalischen Rahmen zu sprengen. Sie verweisen diese fortschrittlichen Musiker fortwährend in ihre Schranken und „verbieten“ ihnen neue und unorthodoxe Wege zu gehen. Einer dieser Neuerer ist Klaus Doldinger, dessen unzählige Gruppen eben diese Puritaner schockieren und erregen. Seine neueste Formation nennt er Passport.

Vom Jazz zum Rock

Als einer der Jazz-Musiker mit der ältesten Tradition sammelte er in den letzten Jahren unheimlich viele Musiker in seinen diversen Bands. Ganz am Anfang stand bei ihm der Jazz, zu dem sich im Laufe der Jahre mehr und mehr Rockelemente gesellten. „Der Begriff Rock-Jazz oder Pop-Jazz paßt mir garnicht. Man sollte für unsere Musik einen neuen Namen finden, da die alten Begriffe zu mißverständlich und begrenzt sind“. Inzwischen dürften sich beide Stilarten halbe-halbe die Hand reichen. Schon damals, als er noch Traditional-Jazz, wenig später aber schon Modern-Jazz (Klaus Doldinger Quartett) spielte, interessierten ihn ebenso alle anderen Gebiete der Musik. Er lernte die Medien Film und Fernsehen kennen, indem er für sie Musik komponierte, auch für Werbesendungen stellte er sein Talent zur Verfügung. Seit den ersten Beatles-Hits (anno 63) schnupperte er in der Beatmusik herum, sammelte Eindrücke und er arbeitete sich als Gastorganist und -pianist bei Plattensessions Erfahrungen. Irgendwann in der großen Soul-Schwemme der Jahre 68/69 nahm er schließlich einige Soul-LP’s unter dem Pseudonym Paul Nero auf. Viele von euch werden sich noch an diesen „Paule“ erinnern: ‚Aah soo, der war das‘! In dieser Zeit, als er seinen breitgefächerten Interessen huldigte, hatte er natürlich von Seiten der eingefleischten Jazz-Freunde allerhand zu hören bekommen. Immer war er diesen puritanischen Gesellen zu unbequem, sie konnten ihn um alles in der Welt nicht in ihre geliebten Schablonen stecken. Allerdings gab es auch genügend Pop-Fans, denen sein Treibet suspekt vorkam: „Wie kann ein solch guter Musiker nur solch langweilige Soulkonserven aufnehmen“! Klaus zu diesen Vorwürfen: „Ich hätte die Nero-Band fortführen können, aber Gebrauchsmusik allein interessiert mich nicht, da gibt es anderes. Es befriedigt mich und auch meine Mitspieler nicht, den ganzen Abend lang nur Populär-Musik zu machen. Dieser Praxis verdanke ich allerdings meinem Weg zum Jazz und Rock und ich erreichte dadurch ein grösstmögliches Publikum“. Mit seiner ersten (Verzeihung) Jazz-Rock-Gruppe, den „Motherhood“. versöhnte er diesen Teil der Anhänger. Von diesem Projekt ist auch eine Platte erhältlich (Liberty 834 261).

„PASSPORT“ mit Udo Lindenberg

Er rückte immer mehr ins Licht des zeitgenössischen Rock und als er endlich im Januar 71 PASSPORT gründete, waren die Erwartungen ganz schön hochgeschraubt. Mit der ersten LP, die den einfachen Titel „Passport/ Doldinger“ (Atlantic 40299) trug, erfüllte er sie jedoch ohne Schwierigkeiten. Seine damaligen „Sidemen“ werden wohl die meisten von euch kennen: Olaf Kubier und Lothar Meid von Amon Düül, Udo Lindenberg und der Session-Organist Jimmy Jackson. Dank diesen fantastischen Mitmusikern konnte Klaus seine Ideen optimal in die Tat umsetzen. Der große Durchbruch blieb trotz allem vorerst aus! Immer noch saß er zwischen allen Stühlen der Kritik! Den einen spielte er zuviel Jazz, den anderen waren zu viele Rock-Elemente in seiner Musik. Inzwischen ist die Toleranzgrenze beider Stilrichtungen immer weiter gesetzt worden und das dumme Gerede um Jazz und Rock ging stark zurück. Auch aus diesem Grund sah Doldinger nach Erscheinen von“.Second Passport“ (Atlantic 40417) ausschließlich zufriedene und erfreute Gesichter. Der andere Grund war die Besetzung, für mich die beste bisher. Besonders durch die beiden Brüten Bryan Spring (Drums) und den Organisten John Mealing (Ex-IF) erhält diese Platte ein ungemein Swingendes und elektrisierendes Feeling, wahrscheinlich ein englisches, oder??? Klaus: „Unsere Musik beruht zum Teil auf freiem Zusammenspiel. Das Material steht nicht so im Vordergrund, es kommt bei uns mehr auf die Interpretation an“. Der vierte Musiker im Bunde darf jedoch nicht ungenannt bleiben: es ist Wolfgang Schmid, der auch heute noch bei Passport einen prallen Bass präsentiert. Vor ca. einem halben Jahr war ich einer der Glücklichen der diese Band ‚on stage‘ bewundern konnte. Aber ich ahnte es ja schon vorher sie waren noch weit besser als auf ihrer Platte.

Um so überraschter war ich, als ich bei der neuen LP schon wieder eine neue Besetzung entdeckte Das dritte Werk nennt sich“.Handmade“ (Atlantic 40483) und die Kritik davon, übrigens auch handgemacht, findet ihr im letzten ME. Ich fragte mich ernstlich, ob Klaus den bisherigen Abwechselrekord von John Mayall brechen wollte?! Sicher dagegen ist, dass er diese dauernden Umbesetzungen braucht, wie er seit jeher die verschiedenen Stilarten zu seiner Entwicklung benötigte. Letzten Endes sind es aber wir. seine Fans, denen das alles zugute kommt. Die jetztigen „Handmaker“ sind Wolfgang am Bass, der allseits bekannte Kurti Cress am Schlagwerk, der englische Pianist Frank Roberts und natürlich Meister Klaus an den Saxophonen, der Orgel, dem Synthesizer und dem Mellotron Die neue LP zeigt die konsequente Entwicklung von „Motherhood“ bis heute und dürfte technisch die wahrscheinlich versierteste sein. Die Rock-Freaks hat Doldinger inzwischen auf seiner Seite und auch die verbohrtesten Jazzer werden spätesten mit der nächsten Produktion zu ihm überlaufen. Folgt Klaus dem derzeitigen Trend hin zum freieren Jazz (nicht Free-Jazz) wird seine nächste Besetzung mehr oder weniger aus modernen, aufgeschloßenen Jazz-Musikern bestehen. Er wäre dann(nur)in bester Gesellschaft!