AC DC


Zumindest ein Wackelkontakt laßt sich nicht leugnen. Galten sie vor Jahren noch als konkurrenzlose Hochspannungs-Experten, so scheint ihnen heute langsam der Saft auszugehen. Liegt s nur daran, daß ihnen die jüngere Hardrock-Generation das Wasser abgräbt? Oder kam nach Bon Scotts Tod und dem Neuzugang von Brian & Simon (u.) die alte Spannung nicht zustande? Doch Skeptiker seien gewarnt: Beim „Monsters Of Rock“-Festival stehen für Miesmacher elektrische Stühle bereit…

Spannungen waren immer ihre große Spezialität, nicht nur auf der Bühne. Lange schien es, als fließe weder Gleich- noch Wechsel-, sondern Starkstrom statt Blut durch ihre Adern und Songs. Selbst ein Musiker wie Steve Harris von Iran Maiden gerät noch heute ins Schwärmen, wenn ihr Name fällt.

Ausstraliens berühmtesten Söhne waren nie nur irgendeine, sondern die Hardrock-Band der 70er Jahre. AC/DC bedeutete: sweat ’n‘ roll, schweißgetränkter Rock mit einem kräftigen Schuß Rhythm n‘ Blues, plus action und a little bit of anarchy. Für viele sind sie nach wie vor Giganten, auch wenn ihr Stern zuletzt allmählich Rostflecken aufweist. Sind ihre Tage gezählt?

„Come on, Andy, shoot!“ Brian Johnson, der Nachfolger des legendären Bon Scott als Sänger, begrüßt mich in München auf seine Weise. „My name is Jimmy Doo Doo Dickson.“

Er, neben Simon Wright, dem Neuen am Schlagzeug, der zweite Engländer im Team der Aussies, ist bester Laune. Seine Kollegen, die Brüder Malcolm und Angus Young sowie Bassist Cliff Williams, sind es nicht minder.

Man will aber auch, daß endlich scharf geschossen wird,als ginge es in diesem Interview ums Ganze, als stünde ihr guter Ruf auf dem Spiel. Während Cliff, der Größte unter den Kleinen, und Simon eher schüchtern und verlegen wirken, gehen die anderen gleich in die Offensive. Nur Brian ist noch mit seiner karierten Schlägermütze beschäftigt. Sein Markenzeichen, das ihn vermutlich selbst nachts noch begleitet, muß erst richtig sitzen, bevor der Countdown beginnen kann.

Das „Monsters Of Rock“-Festival 1984 steht vor der Tür. Anfang September trifft sich die internationale Hard n‘ Hsavy-Elite in Karlsruhe und Nürnberg, mit AC/DC als Headliner. Nach fast zwei Jahren und lächerlichen fünf Konzerten Ende 1982 läßt man sich wieder auf deutschen Bühnen blicken.

„Zu der Zeit haben wir fast das ganze Jahr getourt, wir waren zwei Jahre ununterbrochen auf Achse – und 1983 ging es dann gleich in den Staaten noch weiter“, erklärt Angus. „Außerdem standen die Aufnahmen zu unserem letzten Album (FLICK OF THE SWITCH) an; danach die restliche Tour in Amerika. Insofern waren die kommenden Festivals in Europa wirklich mehr als überfällig. Ich kann mich kaum noch erinnern, wann wir zuletzt im Sommer draußen gespielt haben. Das letzte Mal war wohl mit den Who in Nürnberg. Das ist lange her.“

Trotz zahlreicher Aktivitäten in den Staaten, einer dreieinhalbmonatigen Tour mit über 55 Auftritten, davon viele „mitten im Winter“, war das Echo relativ dünn. In Europa war es nicht anders.

„Das hängt wohl mit dieser neuen Welle im Hardrock, diesem neuen Zug zusammen, auf den jeder zu springen versucht. Doch für uns gibt es keinen Zug, wir haben ganz bewußt weiter unsere Musik gespielt“, kontert Malcolm.

„Es wäre wohl auch zu spat, noch auf einen neuen Zug zu springen“, mischt sich Angus ein – und amüsiert sich köstlich über das Desinteresse der Medien, „dieser Zug ist ohnehin längst abgefahren.“

Brian nimmt es gelassen:

„Egal, was in der Presse stand oder auch nicht: Die Kids sind jedenfalls zu Konzerten gekommen, auch ohne den ganzen Rummel und die großen Schlagzeilen. Und sie haben ihren Spaß gehabt! In den Augen der Presse aber ist doch alles, was nicht phantastisch und gigantisch ist, automatisch unbedeutend. „So einfach ist das. Oder auch nicht. Denn viele Kritiker waren und sind der Meinung, daß AD/DC ihren Zenit überschritten haben, „over the hill“ seien; daß stattdessen die „New Wave Of Heavy Metal“ mehr und mehr Regie führe.

„Meiner Meinung nach gehören wir zu einer ganz anderen Kategorie“, erläutert Malcolm. „Wir haben als Rock ’n‘ Roll-Band begonnen und nur das wollten wir spielen! Wir haben uns nie und nimmer als Heavy Metal-Band verstanden. Bei uns zählen die Songs – und wir achten darauf, daß stets genügend Mumm und Kraft in ihnen steckt. Jedenfalls lassen wir uns nicht in diese Heavy Metal-Ecke stellen. Das ist so, als ob man Paul Mc-Cartney fragte, nachdem sich sein letztes Album schlecht verkauft hat, ob er nun etwa Angst vor Boy George habe. Einfach lächerlich.“

Von einer Herausforderung, gar einem möglichen Punktsieg der Youngster über die so Erfolgreichen will keiner von ihnen etwas wissen. Sie geben sich selbstbewußt, sehen sich ganz in der Tradition des Rock n‘ Roll, von Bands wie Led Zeppelin oder Deep Purple. So taucht im Laufe des Gesprächs auch immer wieder dieser eine und für sie typische Satz auf: „Als wir anfingen …“

Als sie anfingen, stand ein

Staubsauger, ein echtes Hoover-Modell, Pate bei der Taufe von AC/DC im Jahre 1973. Margaret, die ältere Schwester von Malcolm und Angus, kam auf die glorreiche Idee, der Band zu einem ebenso einfachen wie zweideutigen Namen, AC/DC oder Gleichstrom/Wechselstrom, zu verhelfen. Sie war es auch, die Angus das schoolboydress mit Mütze, Jacke, Shorts und Ranzen empfahl. Bis heute tragen über 24 Millionen verkaufter Alben das AC/DC-Logo – und Angus fühlt sich auch weiterhin wohl in seiner Haut, sprich seinem Schüler-Outfit.

Doch dieses Bild wäre ohne die Risse der letzten Zeit unvollständig. Hatte sich BACK IN BLACK von 1980, erstmals mit Brian Johnson für den verstorbenen Bon Scott, noch als massiver Seiler erwiesen, so kam spätestens 1981 die Wende, es ging allmählich bergab, das Album FOR THOSE ABOUT TO ROCK konnte nur zum Teil überzeugen.

Ebenso überraschend kam aber auch eure Trennung von Robert Mutt Lange, dem langjährigen Produzenten, der euren Stil und Sound seit HIGH-WAY TO HELL so maßgeblich und nachhaltig geformt hatte. ,. Wir hatten unseren Stil, lange bevor Mutt kam“, widerspricht mir Angus. „Unser stärkstes Album als Rock n‘ Roll-Band war denn auch LET THERE BE ROCK. Das zeigte alles, was wir wirklich können. Bei den Aufnahmen im Studio gingen selbst die Verstärker zu Bruch, während das Tape einfach weiterlief; selbst die Lautsprecher mußten schließlich dran glauben. Das war Rock n‘ Roll. Und für mich war das Album deshalb so stark. Das hatte nichts mit Lange zutun.“

Am Ende war niemand mit dem Ergebnis von FOR THOSE ABOUT TO ROCK zufrieden; die Aufnahmen hatten ihrer Meinung nach „viel zu lange gedauert“ und waren „zu klinisch“ und „ein wenig zu kommerziell“ ausgefallen. Deshalb entschied man sich beim nächsten Mal, bei FLICK OF THE SWITCH 1983, es auf eigene Faust zu versuchen.

Malcolm fährt fort: Das war ein hardcore Rock ’n‘ Roll-Album. Wir haben alles Überflüssige weggelassen und auf eine große Produktion verzichtet. Es sollte ein wirklich rundes Rock ’n‘ Roll-Album werden, das dann auch in erster Linie uns selber gefiel, und nicht so sehr der Plattenfirma oder irgendwelchen Disjockeys. Wir sind eben in der Position, nur das zu machen, was wir auch wirklich wollen.“

Wenn es nach ihnen ginge, würde man jedes Album „am liebsten an einem einzigen Tag einspielen“ und den Rest des Jahres on stage verbringen. Aufnahmen im Studio sind ihnen eher ein Greuel, die Bühne dagegen der Ort, wo sich alle zuhause fühlen.

Dabei fällt auf, daß AC/DC, die Traditionalisten des Rock ’n‘ Roll, sich in einem Punkt ganz wesentlich von vielen jüngeren Heavy-Bands unterscheiden. Sie tragen Jeans, nicht Leder, nicht Spandex, keine Ketten oder sonstigen Untensilien eines echten Heavy Metal-Freaks. Aus gutem Grund, wie Malcolm meint: „Wir haben es mal versucht, doch die Dinger paßten uns nicht; sie waren einfach zu groß. „

Seitdem sind Jeans ihr Wahrzeichen. Bis auf Angus, der in seinem blauen Anzug wie ein Absolvent des Eaton College aussieht. „Es ist bequem“, behauptet er. „Und bei schönem Wetter spiele ich auch schon mal ohne Jacke. Oder lockere die Hose. Aber nicht zu weit, sonst haben einige nach dem Konzert noch Alpträume! Der Anzug hat mir immer gefallen, man kann sich hervorragend darin bewegen.“

Man behauptet, deine Sprints auf der Bühne seien so kraftraubend, daß du hin und wieder unter die Sauerstoffmaske mußt, um dich zu erholen…

“ Wenn man in Amerika spielt, in den großen Hallen, vor allem an der Westküste, wo sie viel Dope rauchen, hat man diese dicken Wolken direkt vor der Bühne. Es ist, als lande man auf einem Flughafen voller Nebel. Sobald man auf die Bühne kommt und zu atmen versucht, braucht man Sauerstoff, um überhaupt Luft holen zu können.“

Die Luft ausgegangen ist ihnen bislang jedenfalls noch nicht. Behaupten sie jedenfalls. Beim „Monsters Of Rock“-Festival wollen sie unter allen Umständen beweisen, daß sie noch längst nicht zum alten Eisen gehören. Warten wir’s ab.