Nachbericht

Adam Green live in Wien: Die fetten Jahre sind vorbei


Zum Ende seiner „Engine of Paradise“-Tour wirkt der Anti-Folk-Musiker müde und schlecht gelaunt. What makes him act so bad?

Was ist der Unterschied zwischen einer Melange und einem Cappuccino? Ein wohlgehütetes Geheimnis, das für Adam Green kürzlich in einem Wiener Kaffeehaus gelüftet wurde. Bereitwillig teilt er am Dienstagabend seine Erkenntnis mit den Besuchern seines Konzerts im Wiener Club Flex: „A Melange is more expensive.“ (Was für allgemeines Gelächter sorgte, ist eigentlich falsch: Die Kaffee-Grundlage einer Wiener Melange ist ein verlängerter schwarzer Kaffee, bei einem Cappuccino ist es ein Espresso).

Auch sonst gab es einiges zu lachen. Adam Green ist ein Spaßvogel, der bei „Never Lift a Finger“ den Zeigefinger hebt, der bei „Jessica Simpson“ spontan „Eternal Flame“ von den Bangles dazwischen wirft. Der das Gitarrespielen meistens seinem Gitarristen („Ryder The Eagle“ war übrigens auch Greens erste von zwei Vorbands) überlässt, damit er selbst mehr Bewegungsfreiheit hat, um auf der Bühne herumzuspringen und zu tanzen.

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Und trotz alledem will keine gute Stimmung aufkommen. Vielleicht liegt es daran, dass das Mikro, wie auch alle anderen Instrumente, zu leise eingestellt war, vielleicht fehlten Green und seiner Band aber zum Tour-Ende hin tatsächlich einfach schon die Energie.

Adam Green in Wien: Trotzdem Liebe vom Publikum

Die Konzertbesucher*innen lechzten spürbar nach mehr tanzbaren Songs wie „Buddy Bradley“ und „Emily“ (bei dem Green beim Singen übrigens Eleanor mit Jennifer verwechselte, ein uns altbekannter Indie-Karaoke-Faux-Pas) und bekamen Schunkel-Musik: Das Binki-Shapiro-Duett „Pity Love“ war genauso drin wie „Bluebirds“, dafür fehlten das obgliatorische Libertines-Cover „What a Waster“ und die schnelleren Nummern von MINOR LOVE.

Gegen Ende holte Green noch seinen Support-Act Jackie Cohen auf die Bühne. Die beiden gemeinsam singen zu sehen erinnerte schmerzlich an bessere Zeiten, als Green gemeinsam mit Kimya Dawson noch die Moldy Peaches war, und ihr Anti-Folk noch neu und cool. Jetzt wirkt alles etwas abgetreten und verbraucht – die Musik wie der Musiker selbst. Da hilft auch das alte grüne „Little Bunny Foo Foo“-T-Shirt mit dem gruseligen Hasen, das Green trägt, nichts.

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Einige Male war Adam Green schon in Wien, zuletzt im Dezember 2017 auf einem Konzert mit Voodoo Jürgens, Naked Lunch und Stefanie Sargnagel, davor im Mai 2016 anlässlich seiner Film- und Album-Tour zu „Aladdin“. Damals wie heute wirft Green sich zum Stage-Diving ins Publikum, damals wie heute wird er freudig empfangen und gestützt, bis er einmal rund um den Konzertbereich des Flex, übrigens ein stillgelegter U-Bahn-Schacht, gereicht wurde und wieder sicher auf der Bühne landet. Trotz fehlender Tanzbarkeit wird Green also doch von den Wiener*innen gefeiert. Es wirkt, als hätten sie ihn, nichtsdestotrotz, einfach gern.

Kurze Songs, eine Graphic Novel & kein Gedränge um ein Autogramm

Auch die Songs des neuen Albums ENGINE OF PARADISE sind eher bedächtig als Tanzlust erzeugend. Vor allem aber sind sie kurz: Keiner der Songs auf dem Album knackt die Drei-Minuten-Marke. In einem Interview antwortete Adam Green auf die Frage, warum das so ist, dass er den Trick vieler Musiker*innen, den Refrain am Ende nochmal zu wiederholen, nicht gebrauche. Bei ihm müsse man auf „Repeat“ drücken, wenn man ihn nochmal hören wolle.

Das konnte man beim Konzert natürlich nicht tun, die Eingängigkeit der neuen Songs hätte man sich als Green-Fan also wohl schon im Vorfeld antrainieren müssen. Spannend zu wissen über das Album ist jedenfalls, dass es sich als Soundtrack zur Graphic Novel „War and Paradise“ versteht, die teilweise von Adam Green selbst illustriert wurde und die man über seine Webseite gratis downloaden kann. Gut so, denn am Merchandise-Stand war die Graphic Novel bereits nicht mehr erhältlich. Wie gesagt, Tour-Ende.

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Green verkaufte dann gar selbst T-Shirts und Jutebeutel, auf dem das Cover seines Debüt-Albums GARFIELD zu sehen ist – sein eigenes Gesicht, nur aus dem Jahr 2002. Im direkten Vergleich wirkt er, damals 21 Jahre alt, schon um einiges frischer als heute. Beim Merchandise bildet sich eine kleine Gruppe all jener, die doch noch ein Foto mit dem Musiker wollen, und, den Fans treu ergeben, unterschreibt Green auch brav alles, was ihm hingehalten wird.

Gegenüber des Standes und deutlich besser besucht als dieser ist die Garderobe. Draußen schüttet es, und das Wiener Publikum muss erstmal seine Regenjacken an sich raffen, um dann draußen vor dem Flex Eine rauchen zu können – endlich, denn seit 1. November darf auch in Österreich im öffentlichen geschlossenen Raum nicht mehr geraucht werden. Vielleicht ist das der Grund, warum die Menge derer, die Adam Green nochmal umarmen wollen, überschaubar geworden ist. Vielleicht sind Adam Greens fette Jahre aber auch einfach langsam vorbei.

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