Aus dem Tagebuch einer Schnecke


Alter Knochen, keine Ahnung, hoffnungslos von gestern – ha, das lass‘ ich mir nicht nachsagen. Auch wenn ich meine ersten Mix-Tapes noch mit einem Philips-Kassettenrecorder der ersten Generation aus dem guten altem Dampfradio mitgeschnitten habe. 1969 war das. Und die Moderatoren haben schon damals in die Songs reingequatscht… Nun gut, lange her. Heute heißt das neue Zauberwort MP3, und die Musik kommt direkt aus dem Computer. Wie soll das gehen? Dem innovationsbewussten Zeitgenossen bleibt da nur der heroische Selbstversuch am heimischen PC. Flasch‘ Bier aufgemacht und zunächst mal online gegangen. Pieppieep. Kennwort. Drin. So, und jetzt also – so riet ein Kollege www.napster.com. Aha. Die Homepage haben wir schon mal. Und nu‘? Ich soll mir einfach die Software runterladen, haben sie gesagt. Welche? Und wie heißt die? Alles Fragen, die man sich im Büro kaum zu stellen traut. „Napster 2.0 Beta 6“ wird’s wohl sein. Doppelklick. Neues Fenster. Nochmal Doppelklick. Sieh an, jetzt schaufelt der große Internet-Gott seine Bits auf meine Festplatte. Und braucht noch gar nicht mal so lange. Immerhin, das hätten wir. Jetzt die frisch geladene Datei anklicken. Es erscheint ein Fenster, das ich eine Weile anstarre. Ich hab‘ Hunger. „Next“ klicken. Okay. Nochmal. Und den ganzen Anmeldungs-Kram ausfüllen. Was die alles wissen wollen. Und dann noch den voreingestellten Ordner für die heiße Musikware bestätigen. Nun erscheint eine Menüleiste. „Search“ steht da. Klingt gut. Was soll er denn mal suchen? Am besten was Gängiges. Vielleicht Stones? „Beast Of Bürden“. Eingegeben. Er findet. Ein ganzes Fenster voller beasts of bürden. Hinter dem Titel stehen jeweils seltsame Buchstaben-Kombinationen, alle verschieden. Wie soll ich das jetzt auf die Festplatte kriegen? Einfach anklicken und auf „Transfer“ gehen, haben sie gesagt. Mach‘ ich mal. Und siehe da, er schaufelt schon wieder. Und immer noch. Das Protokoll lässt übles ahnen, es zeigt erst 3 % an. Hunger. Ich mach‘ mir ein Spiegelei. 20 Minuten und einen zufriedenen Rülpser später: 74 %. Noch’n Bier geholt. Das soll die Zukunft sein? Naja. Irgendwann ist es dann vollbracht. Nächster Versuch, mal was Obskures, „Indiana Wants Me“ von R. Dean Taylor, 1970 eine Woche Nr. 1 in den USA. Donnerwetter, Napster hat auch das. Und braucht wieder eine knappe halbe Stunde zum Runterladen. Derweil verfolge ich den Rest des EM-Schützenfestes der Holländer gegen die Jugoslawen. Wie krieg‘ ich die beiden Songs jetzt auf den geliehenen MPj-Player? Ein mitgeliefertes Kabel soll irgendwo hinten in den PC passen. Tatsächlich. Die Bedienungsanleitung verrät, wie’s weitergeht. Und es funktioniert. Mühsam. Pro Lied wieder sieben Minuten. Endlich sind die Songs auf einer klitzekleinen Card gespeichert. Jetzt will ich sie auch hären. Ohrstöpsel eingesteckt. Und? Keith dudelt sein Riff, Charlie trommelt. Schöne neue Welt – zwei Stunden Arbeit und, nun ja, dürftiger Walkman-Sound. Zur Entspannung mach‘ ich mir jetzt erst mal ein anständiges Mix-Tape fürs Auto.