Aussterben ausgeschlossen?


Wird ihr delikater Mix aus Grobschlächtigkeit und Komplexität die Metal-Progressoren Mastodon vor dem Schicksal ihrer urelefantösen Namenspatrone bewahren?

Massig, gewaltig, ungezähmt und ausgestorben. Das dürften die Attribute sein, die einem zu den Mastodonten, den Urahnen der Elefanten, zuerst einfallen. Sie treffen auch auf die Prog-Metaller Mastodon zu — bis auf den letzten Punkt, denn noch meint es die Evolution gut mit dem Quartett aus Atlanta, Georgia. Obschon sich erste Verschleißerscheinungen eingestellt haben: Stark angetrunken legte sich Gitarrist Brent Hinds am Rand der MTV Video Music Awards 2007 mit System-Of-A-Down-Bassist Shavo Odadian und dessen Musikerfreund William Hudson an. Als er sich trotz intensiven Zuredens nicht abregen wollte, flogen ein paar selbstvertcidigende Fäuste. Die Folgen für Hinds: Hirnblutung, gebrochene Nase und zwei blaue Augen. Darüber, ob sich hinter Hinds‘ Aggression mehr verbirgt als ein alkoholbedingter Ausraster, schweigen sich Mastodon beharrlich aus. Hinds ist jedenfalls längst wieder auf dem Damm und hat schon wieder ein ganzes Album mit seinen wuchernden Arpeggien gefüllt. CKACK TUE SKYE ist Mastodons bisher verspieltestes und, nun, softestes Werk. Wenn man das so sagen kann. Im Vergleich zum Gros dessen, was derzeit im Rock – aufserhalb einschlägiger Metalnischen – passiert, mutet die Formation freilich wie eine außer Kontrolle geratene Dampfwalze an. Doch der ungehobelte Klotz aus Gekeife und Lärm, den Mastodon noch 2002 auf REMISSION darstellten, ist längst zu einer konturreichen Skulptur gemeißelt. Im Gegensatz zu Progressive-Rock-Kollegen wie The Mars Volta verlieren sich Mastodon jedoch nicht in endlosen Instrumental-Orgien. Eine ErklärungfürdenerfreulichenMangel an Gedudel mag in der Arbeitsweise der Band liegen: „Leute wie Omar Rodrigucz-Lopez“, setzt der hünenhafte Bassist und Sänger Troy Sanders an, „haben einfach musikalischen Durchfall, mit ihrem unglaublichen Talent schütteln die ihr Material nur so aus dem Ärmel. Bei uns wird die Musik langsam gekocht. Wir brüten die Songs über Wochen, manchmal Monate aus. Bei diesem Album waren wir richtig pedantisch.“

Wie die Vorgänger REMISSION, LEVIATHAN und BLOOD MOUNTAIN ist auch CRACK THK SKYE ein Konzeptalbum. Die Geschichte: Ein Querschnittsgelähmter kann nur durch eine Astralreise seinen Körper verlassen. Im All verschluckt ihn ein Wurmloch, und er landet bei der Sekte der Chlysten im zaristischen Russland, wo er zunächst im Körper von Rasputin gefangen ist, durch den Mord an einem Wanderprediger aber wieder freikommt. Reichlich abgefahrener Stoff, für den Drummer Brann Dailor sogar Recherche-Urlaub in Russland gemacht hat. Ein Album ohne durchgezogenen roten Faden kommt für Mastodon offenbar nicht in Frage.

„Wir versuchen immer, von der ersten bis zur letzten Note alles miteinander zu verbinden“, so Sanders. „Mit einem zentralen Fokus kann dann jeder von uns leichter seinen Senf zur Geschichte beitragen. Dieses Vorgehen verdichtet unsere Arbeit, sie hilft uns ah Band, einheitlicher zu ticken.“ Und wie sie tickt, die Band: unprätentiös, unwiderstehlich – unaufhaltsam? Das Rock-KlimaEndederOOer-Jahre scheint sich jedenfalls so zu entwickeln, dass vorerst nicht mit einem zweiten Aussterben des Mastodons gerechnet werden muss.

Albumkritik ME 4/09

www.mastodonruch.com