Beastie Boys – Vom Recht auf Grenzenlosigkeit


Sie gaben nichts auf vorsichtige Annäherung der Kulturen: Mit Bierdose und Vorschlaghammer rissen sie die Mauern zwischen weißem Punk und schwarzem HipHop ein. Auf diesen Trümmern errichteten sie eine beispiellose Karriere, 25 Jahre spielten die Beastie Boys in der ersten Liga des Pop. Dann starb MCA. Eine Würdigung.

Wer 1987 nicht in New York lebte und die Beastie Boys bereits als Liveband gesehen oder im College-Radio gehört hatte, der lernte sie in diesem Jahr definitiv kennen. Das Musikvideo war ein junges Medium und mit „(You Gotta) Fight For Your Right (To Party!)“ empfahlen sich drei New Yorker der Welt in Lederjacken und mit Baseballcaps als die Nummer eins in Sachen Hedonismus. Adam „MCA“ Yauch, Adam „Ad-Rock“ Horovitz und Michael „Mike D“ Diamond stürmen eine langweilige Privatparty, scheren sich nicht um die Intimspähre der weiblichen Gäste, panschen Aphrodisiakum in die Bowle, veranstalten eine Tortenschlacht, führen Vorschlaghammer und Fernseher zusammen, – von der Wohnung bleibt nicht viel übrig.

Die Attitüde war gewiss nicht neu. Schließlich gehörte bereits in den 70er-Jahren das Zerstören von Backstage-Räumen und Hotelzimmern zum guten Ton im Rock’n’Roll. Und auch die Mode-Accessoires des Trios hatte man bereits in der Popkultur gesehen: abgerissene VW-Logos um den Hals, dicke Goldketten, Löcher in den Jeans. Neu aber war dem Großteil der Menschheit der Gesangsstil der Band: zum Rhythmus des Songs vorgetragene Reime, von energetischen Stimmen rausgehauene Punchlines. Das hier war Rap und dieser Rap schickte sich gerade an, die Welt der Popmusik radikal umzukrempeln.

Angefangen hatten Yauch und Diamond 1979 als Hardcore-Punkband, damals noch ohne Horovitz. The Young Aborigines nannten sich die Highschool-Kids. Gitarrist John Berry und Schlagzeugerin Kate Schellenbach gehörten zu Urbesetzung. Berry verließ die Band 1983, für ihn kam Horovitz. Das war zu Yauchs 17. Geburtstag und fortan trat man als Beastie Boys auf, oft als Vorband für die Bad Brains, Dead Kennedys und die Misfits in Läden wie dem legendären, inzwischen geschlossenen CBGB. Schellenbach, die später bei Luscious Jackson Drums spielen sollte, wurde aus der Band gedrängt, als man sich zunehmend für HipHop begeisterte.

Die noch junge HipHop-Kultur, die sich in den 70ern in den New Yorker Stadtteilen Süd-Bronx, Harlem und später auch in Brooklyn und Queens entwickelt hatte, betrat Anfang der 80er Manhattan. Die dortige Szene war zu dieser Zeit zwar noch von Punks dominiert, CBGB und Roxy waren die Läden, in denen sich Musiker und Künstler trafen, aber die Punk-Kultur war weltweit längst an einem toten Punkt angekommen. Die New York Dolls hatten keine Erben hinterlassen, die Ramones schafften nie den ersehnten großen Sprung, die Sex Pistols waren am Ende.

In London wie in New York begaben sich Punks auf Sinnsuche und öffneten sich neuen Einflüssen und Inspirationen. The Clash – eins der großen Vorbilder der Beastie Boys – begannen Dub und Reggae stärker in ihre Produktionen einzubauen. Malcolm McLaren, der ehemalige Manager der Sex Pistols und auch der New York Dolls, sah im Big Apple aufmerksam zu, wie B-Girls und B-Boys in ihren Adidas-Trainingsanzügen und Kangool-Mützen mit akrobatischen Verrenkungen bis dato ungesehene Tänze aufführten. Daneben hatte eine Handvoll Disc-Jockeys den Plattenspieler in ein wahrhaftiges Instrument transformiert, mit dem sie Funk- und Rockbreaks zu endlosen Loops cutteten, über die sie wiederum ihre Platten scratchten und so eine elektrisierende Rhythmik schafften. Die Stars der Szene waren aber die MCs, coole Ghettokids, die ihre Reime über diese Beats legten und die Clubgänger zum Tanzen animierten. Auch die Züge der U-Bahn waren nicht zu übersehen, auf denen immer häufiger knallige, grelle Graffitis prangten. HipHop war eine Gesamtkultur. HipHop war fresh. Und somit Anfang der 80er viel interessanter als der durchdeklinierte Punk. Daher begeisterten sich die Punks in New York auch mehr und mehr für diesen HipHop.

Fab 5 Freddy, später Moderator der ersten HipHop-Sendung auf MTV, „Yo! MTV Raps“, verkehrte als Künstler in beiden Welten: uptown, wo HipHop geboren wurde und downtown im Roxy, bei den Punks. Er war es, der die HipHop-DJs in die Clubs brachte. Schnell griff die Kultur um sich, schnell wollten auch die Weißen mitspielen. Blondie gelang mit „Rapture“ der erste Nummer-eins-Hit in den US-Charts mit Rapeinlage, Malcolm McLaren nahm die erfolgreichen Weltmusik-HipHop-Hybriden „Buffalo Gals“ und „Double Dutch“ auf – ein paar Jahre später wollte selbst Dee Dee Ramone nur noch Rap machen und nannte sich kurzzeitig Dee Dee King. Auch Studenten der Kunsthochschulen nahmen Einflüsse aus der HipHop-Kultur auf und fingen an, wie die Grafitti-Artists in den Straßen zu malen. Keith Haring war einer von ihnen.

In dieser Zeit und in dieser Szene wurden auch Yauch, Diamond und Horovitz vom HipHop-Virus infiziert. Ihre Punkrock-Sozialisation sollte allerdings immer als Grundhaltung mitschwingen. Sie öffnete ihnen die Tür zu einem Publikum, das für klassische Rap-Acts nicht zu erreichen war. Ihre Rotzlöffel-Attitüde war einerseits die Grundvoraussetzung, HipHop in den weißen Mainstream zu tragen, andererseits konnte sich die Band damit auch innerhalb der HipHop-Kultur als eigenständige Marke positionieren. Die Beastie Boys waren von Anfang an nicht einfach ein paar weiße Jungs, die mit abhängen wollten und vorgaben, etwas zu sein, das sie nicht waren – schwarze Ghettoboys etwa. Im Gegenteil: Sie ließen immer schon den weißen Punkrocker raushängen, duschten in Dosenbier, holten Stripperinnen und einen riesigen, aufblasbaren Kunststoffpenis auf die Bühne und gaben die lauten Rüpel, die trotzdem jeder liebt.

1985 ging Madonna auf ihre „The Virgin Tour“ und nahm die Beastie Boys ins Vorprogramm. Die Beasties hatten zu dem Zeitpunkt bereits von Punk auf Rap umgestellt und nach der 1983er-Single „Cooky Puss“, einem mit Beats unterlegten Telefonstreich, der es in New York zu veritablem Underground-Erfolg gebracht hatte, eine Reihe von raplastigen 12-Inch-Singles veröffentlicht. Außerdem hatten sie beschlossen, die Instrumente im Proberaum zu lassen und sich stattdessen einen DJ gesucht: einen Studenten der New York University namens Rick Rubin. Der entwickelte sich zum Produzenten nicht nur der Beastie Boys. Zusammen mit Russell Simmons gründete er zudem Def Jam Records, das Label, das unter anderem mit dem Ende 1986 veröffentlichten Beasties-Debüt Licensed To Ill Geschichte schrieb. Licensed To Ill war das erste Rap-Album überhaupt, das fünf Millionen Exemplare verkaufte, auf Platz eins der Billboard Charts kletterte und dort ganze fünf Wochen blieb. Das bedeutendere Kunststück war aber, dass das Album auch auf Platz zwei der Urban Charts stieg – den Charts also, die zuvor die „Black Charts“ hießen. Die Mischung aus schwarzem Rap und Beats und weißen Hardrock-Gitarrenriffs machte beide Käuferschaften empfänglich für die Musik der Beastie Boys.

Ein ähnlicher Coup war im Jahr zuvor den Rappern Run DMC gelungen, die in einer Kollaboration mit den damals ziemlich abgehalfterten Altrockern Aerosmith eine Neuaufnahme von deren „Walk This Way“ veröffentlicht hatten. Spandexhosen und lange Matten trafen auf Adidas-Sneakers und Übergößen-Goldketten. Für schwarze Musiker wurde es zunehmend üblich, ihren Sound mit Versatzstücken vermeintlich weißer Musikkultur zu kombinieren, um das vornehmlich weiße amerikanische Mainstream-Publikum zu erreichen. Man denke etwa an Steve Stevens Gitarrensolo in Michael Jacksons „Dirty Diana“. Ohne Elemente wie diese war es schwer geworden, auf dem immer mächtigeren Kanal MTV Airplay zu bekommen. Der überwältigende Erfolg von Licensed To Ill half dabei, den Spieß umzudrehen, brachte HipHop in den Fokus der Massenkultur. Chuck D von Public Enemy zollt den Beasties, seinen ehemaligen Labelkollegen, Anerkennung dafür, das weiße Amerika auf Gruppen wie die seine vorzubereitet zu haben, die dann mit Symbolen, Gesten und Inhalten radikaler, afroamerikanischer Bürgerrechtsbewegungen provozierten. Er sagt zwar, dass „wir die totale Antithese dessen waren, worum es bei den Beastie Boys ging“, aber auch dass „wir quasi aus den Beastie Boys hervorgegangen sind“.

Doch der Segen des Erfolgs drohte, wie so oft, auch zum Fluch zu werden, zu etwas, von dem sich der Künstler abgrenzen muss, will er nicht vom erfolgreichen Image aufgefressen werden. Für die Beasties war es das Image des weißen, saufenden und feiernden College-Studis. Und es waren die „dicken Rockdrums und der cheesige Top-40-Rocksound“ Rick Rubins, wie sie in einem Interview sagten. Mit Rick Rubin und Def Jam überwarf man sich – auch aus finanziellen Gründen – und verließ New York, um sich in Los Angeles neu zu positionieren.

In einer Lagerhalle richteten sie ihr Studio ein und statteten es mit Basketballplatz und Skateboard-Rampe aus – Beastie Boys, das war auch immer sehr cooler Lifestyle. 1989 veröffentlichten sie von hier aus auf Capitol Records Paul’s Boutique, eines ihrer wichtigsten Alben. Die lauten Gitarren wichen Samples, die ein atmosphärisches Klangbild erzeugten, das nicht mehr so in your face war. Die Bierdose wurde gegen den Weed-Joint getauscht. Das zusammen mit den Dust Brothers produzierte Album ist dermaßen samplelastig, dass man es heute, wo sich Heuschreckenschwärme aus Anwälten und gierigen Buchhaltern auf den lukrativen Markt der Rechteverwertung stürzen, gar nicht mehr finanzieren könnte. Ein komplexes Werk ist das Album, ein feingewebter Kosmos aus Überlagerungen und Verweisen, verspielten Seitenpfaden und Ornamenten – allerdings nicht ohne den Humor der Beasties. Die Band konnte mit ihrer zweiten Platte zwar nicht an den kommerziellen Erfolg des Debüts anknüpfen, das Album brachte ihnen jedoch die Anerkennung der Kritiker und die Hochachtung der HipHop-Heads ein. Ein Kapital also, das mindestens genauso essenziell ist wie monetärer Erfolg – zumindest für eine Karriere, die sich zu ihrem Ende über ganze drei Jahrzehnte erstrecken sollte.

Drei Jahre später meldete sich die Band mit Check Your Head für alle laut hörbar zurück. Der Sound war nun wieder von Hand gemacht, ein dreckiger Groove. Man verwies auf die eigene Punk-Vergangenheit und passte 1992 perfekt in den Zeitgeist des Grunge. Bands wie Nirvana und Sonic Youth hatten eine Marke gesetzt und die Beasties hatten etwas beizutragen. Sie definierten in dieser Zeit die Parameter mit, die in den 90ern auch durch szenen- und genreübergreifende Festivaltouren wie Lollapalooza zum Coolness-Standard wurden. Die Single „So What’cha Want“ katapultierte das Album nach ganz vorne: Doppel-Platin. Das Comeback war gelungen.

„Eigentlich sollte auf dem Album gar kein HipHop sein“, sagte Yauch. „Damals war das Klima in der HipHop-Kultur etwas seltsam. Wir fühlten uns ein wenig entfremdet. Es war nicht so, dass wir uns sagten: ‚Oh, wir sollten gerade jetzt keinen HipHop spielen‘, aber wir dachten irgendwie, dass wir wieder eine Zeit lang unsere Instrumente spielen sollten.“ Eine Entscheidung, zu der sie unter anderem auch die niederländische Band Urban Dance Squad und Public Enemy inspiriert hatten. „Die Musik von Public Enemy“, fuhr Yauch fort, „hatte einen ganz anderen Ton. Sie war wirklich böse auf die Geschichte, was den schwarzen Leuten in Amerika angetan wurde. Meiner Meinung nach haben Public Enemy das gesamte Klima in der HipHop-Kultur verändert. Eine Menge HipHop, der damals rauskam, war wirklich sauer.“ Die Beastie Boys konnten sich allerdings schlecht zur Black-Power-Gruppe stilisieren und wollten es auch nicht. Stattdessen gingen sie zu ihren Wurzeln zurück und packten den Punksong „Time For Livin'“ aufs Album – ein geniales Symbol, war das Stück doch eine Coverversion von Sly & The Family Stone, also der Band, die in den 70ern schwarze und weiße Kultur einander annäherte.

Check Your Head markierte noch zwei weitere wichtige Punkte in der Geschichte der Beastie Boys: Zum einem stand auf dem Backcover erstmals das Logo des neuen, bandeigenen Labels, Grand Royal. Das hatte zwar noch keine wirtschaftliche Bedeutung – die 1992er-EP von Luscious Jackson, „In Search Of Manny“, war der erste offizielle Release auf dem Label -, stellte der Welt aber zumindest schon mal namentlich vor, was die Beasties als Update von Apple Records verstanden haben wollten. Bis zum Konkurs 2001 veröffentlichten die Beasties über ihre kleine Plattenfirma Alben der unterschiedlichsten Künstler, von den Berliner Technoterroristen Atari Teenage Riot bis zum Psychedelic-Pop von Lennon-Sohn Sean. Sogar das Post-Hardcore-Meisterwerk von At The Drive-In, Relationship Of Command, erschien auf Grand Royal. Check Your Head präsentierte der Öffentlichkeit aber auch Keyboarder Mark Ramos Nishita, besser bekannt als Money Mark, der seither so etwas wie der vierte, inoffizielle Beastie Boy ist. Auf dem Cover ist er allerdings nicht zu sehen. Dort sieht man die Beasties auf der Bordsteinkante hocken, gestrickte Wollmützen auf dem Kopf. Diese Wollmützen sollten für ein paar der folgenden Jahre zum Style-Must-have werden.

Genau wie in ihrer Musik verstanden sie es, auch im Kleidungsstil geschickt mit Versatzstücken aus B-Boy-Kultur und Punkrock zu spielen, sich das Lässigste vom Rude Boy, vom Skater und vom Slacker auszusuchen. So gut wie die Beastie Boys wollte jeder aussehen. Gleichzeitig hatten ihre Coolness und ihr Stylewissensvorsprung nichts Exklusives oder Avantgardistisch-Ausgrenzendes an sich – sie luden vielmehr zum Mitmachen ein. Auch das waren Schlüssel ihres Erfolgs. Die Beastie Boys machten einfach Spaß. Am liebsten würde man mitjammen dürfen oder einfach nur in ihrem Studio abhängen und einen rauchen.

Die auf all ihren Platten durchklingende Spielfreude konnte man am besten auf ihrer Tour zum 2007 erschienenen Instrumental-Album The Mix-Up erleben. Die drei Beasties, Money Mark, Mix Master Mike an den 1210er-Plattenspielern der Firma Technics und der Percussionist Eric „Bobo“ Correa spielten und jammten sich mit einer Verve durch ihr Set, die niemanden kaltließ. Die Beastie Boys mögen weder perfekte Instrumentalisten noch herausragende Rapper sein, aber sie sind große Musiker. Besonders Yauch wusste intuitiv, wo er zu spielen und wo auszusetzen hatte, welche Sounds er wann nutzen konnte – und er verstand sogar etwas von Musiktheorie: „Wenn er mit Money Mark jammte, fielen so krasse Sätze wie: ‚Du solltest da eine Quinte nach oben gehen'“, sagt Horovitz. „Meine Formel war dagegen immer: Sagt mir, wo ich meine Finger hin tun soll und das mache ich dann die nächsten vier Minuten.“

Ab den 90ern engagierten sich die Beastie Boys aber auch intensiv für politische und moralische Anliegen, so zum Beispiel in Sachen Freiheit für Tibet und Frauenrechte. Es war vor allem Yauch, der praktizierende Buddhist, der Benefiz-Konzerte wie das Tibetan Freedom Concert in San Francisco zugunsten der tibetanischen Mönche in China organisierte. 100 000 Leute kamen 1996 in den Golden Gate Park und machten den Event zum größten US-Benefizkonzert seit Live Aid im Jahr 1985. Aus dem einstigen Krawallbruder MCA war ein gereifter Aktivist geworden. Denn die Beastie Boys meinten es immer sehr ernst mit dem, was sie taten, egal wie viel Spaß sie dabei hatten und ausstrahlten. Alkoholexzesse, Gras-Verherrlichung und „some wonderful experience on ecstasy“ (Mike D) – die Beastie Boys waren zwar stets gelebter Hedonismus. Doch die Botschaft dahinter war existenziell: Sag Ja zum Leben! Und die Beastie Boys sagten Ja zu Drogen, weil sie das Leben selbst bejahten. So sehr sie nach dem Riesenerfolg der Single darauf beharrten, „(You Gotta) Fight Your Your Right (To Party!)“ sei eine Parodie auf die Feierhits von Twisted Sister und Mötley Crüe, die Verteidigung des Rechts auf Positivität war jederzeit wesentliche Komponente der Beastie Boys. Natürlich wurden die drei in den letzten Jahren etwas gesetzter und profilierten sich mehr als Wein-Connaisseure – Diamond bloggte sogar, bis es ihm dabei langweilig wurde, elaborierte Weinrezensionen – und Espressofreunde. Aber warum auch nicht? Sie haben, was den Konsum stimulierender Substanzen angeht, in ihrer Jugend und Adolszenz nichts ausgelassen. Stumpf wäre es doch, mit 45 Jahren genauso zu feiern wie mit 25. Sie haben sich dem Leben und seinen Phasen eben gestellt und hingegeben. Auch wenn sie sich diese Phasen nicht immer aussuchen konnten.

Es ist bestimmt kein tragischer Zufall, dass Yauch, der als Nathanial Hörnblowér zum Teil preisgekrönte Clips zu Singles wie „Intergalactic“, „Body Movin'“ und „Ch-Check It Out“ gedreht hatte, in seinem letzten Video für die Beastie Boys, dem mit 30 Minuten überlangen Clip zu „Make Some Noise“ von 2011, seine Band wieder an ihre Ursprünge zurückführte – dahin, wo alles begann, in die Spießerwohnung, die sie 1987 im Video zu „(You Gotta) Fight For Your Right (To Party!)“ zerlegt hatten. MCA, Mike D und Ad-Rock kriechen, gespielt von Seth Rogen, Danny McBride und Elijah Wood, durch das Treppenhaus und hinaus ins New York der 80er, wo sie im Morgengrauen durch die Straßen ziehen, Bier stehlen – und saufen, Schaufenster einschlagen, auf Polizeiautos herumtrampeln und schließlich auf ihre von Jack Black, Will Ferrell und John C. Reilly gespielten, gealterten und verfetteten Alter Egos treffen. Man steht sich wie im wilden Westen gegenüber und liefert sich ein Dancebattle, das in einem furios surrealen Sich-Gegenseitig-Anpiss-Battle endet. Hier nimmt jemand bewusst Abschied, schließt sein Lebenswerk ab – und zeigt, dass er bis zuletzt und trotz eines zerstörerischen Schicksalsschlags nichts von seinem Humor verloren hat.

Adam Yauch hatte bereits zwei Jahre davor in einem Video an seine Fans bekannt gegeben, dass er an Ohrspeicheldrüsenkrebs erkrankt war. Das letzte Album, Hot Sauce Committee Part Two, und die zugehörige Tour mussten verschoben werden. Als das Album schließlich herauskam, wähnte man MCA auf der genesenen Seite. Doch dann: keine Konzerte, keine Interviews, sehr überschaubare Promotion, im Video zur letzten Single „Don’t Play No Game That I Can’t Win“ wurde die Band nur noch von Actionfiguren dargestellt. Bei der Aufnahme der Beastie Boys in die Rock and Roll Hall of Fame im April 2012 fehlte MCA. Drei Jahre kämpfte er gegen den Krebs. Am 4. Mai 2012 starb Yauch im Alter von nur 47 Jahren in seiner Heimatstadt New York. Er hinterlässt seine Frau Dechen Wangdu, ihre gemeinsame Tochter Tenzin Losel und zwei Bandkollegen. Zehn Tage nach Yauchs Tod gab Horovitz bekannt, er könne sich eine musikalische Zukunft mit Diamond vorstellen – auch weil das Yauchs Wunsch gewesen sei. Den Namen Beastie Boys werde man wohl aber ad acta legen.

In einem alten Interview sagten die Beastie Boys sinngemäß, der Himmel sei für sie ein Strand, ein voller Beutel Gras und eine Jukebox voll mit Rocksteady- und Reggae-Singles. Wünschen wir MCA, dass er jetzt genau dort ist. Und wünschen wir seinen Fans, dass deren Fraktion, die sich aktuell dafür starkt macht, einen Brooklyner Skatepark nach Yauch umzubenennen, ihr Ziel erreicht. Für diesen Visionär, dieses lebensbejahende Multitalent könnte es kein passenderes Denkmal geben.

inspiriert von

Jimi Hendrix

Sly & The Family Stone

The Clash

Bad Brains

Dalai Lama

Songzitate für die Ewigkeit

„Fuck the chickens, I don’t like milk“

„Michelle’s Farm“, 1982

„Your mom busted in and said what’s that noise?

Aw, mom you’re just jealous – it’s the Beastie Boys!“

„(You Gotta) Fight For Your Right (To Party!)“, 1987

„When it comes to beats well I’m a fiend,

I like my sugar with coffee and cream“

„Intergalactic“, 1998

„Well, I’m the king of Boggle, there is none higher,

I get eleven points off the word Quagmire“

„Putting Shame In Your Game“, 1998

„‚Cause I’m freaky streaker like Winnie the Pooh,

with t-shirt and no pants I dance the Bugaboo“

„That’s It That’s All“, 2004

„Dear New York, I know a lot has changed,

two towers down, but you’re still in the game“

„An Open Letter To NYC“, 2004

haben inspiriert

Rage Against The Machine

Beck

Eminem

Bloodhound Gang

Justin Timberlake

Beastie Boys für Kenner:

„Sabotage“ war der erste Song, der am 16. Januar, Pardon: Jänner, 1995 um 19 Uhr zum Sendestart des österreichischen öffentlich-rechtlichen Jugendradios FM4 gespielt wurde.

Hält man das Debüt Licensed To Ill vor einen Spiegel, steht dort statt der Kenn-Nummer des auf der Plattenhülle abgebildeten Flugzeugs, 3MTA3: „EAT ME“.

Wäre es nach Yauch gegangen, würde das Baumgemälde im Booklet von Ill Communication das Cover des Albums zieren. Doch Horovitz legte Veto ein.

Der Arbeitstitel für das Debütalbum des Trios war „Don’t Be A Faggot“. 1999 bat Ad-Rock alle Schwulen und Lesben in einem offenen Brief um Entschuldigung für die „beschissenen und ignoranten Inhalte unserer ersten Platte“.

Das Video zu „Sabotage“ war 1994 in fünf Kategorien bei den MTV Video Music Awards nominiert – und verlor in allen Fällen. 15 Jahre später gewann der Clip allerdings einen Preis bei den VMAs in der notorischen Verlierern gewidmeten Kategorie „Best Video (That Should Have Won A Moonman)“.

Die 5 besten Videos von Nathanial Hörnblowér

Shadrach (1989)

Psychedelischer Animationsclip, bei dem jedes Einzelbild von Hand gemalt wurde.

So What’cha Want (1992)

Die Beasties posen im Wald; die Farbeffekte sind Anspielungen auf die 80er-Horrorfilme „Wolfen“ und „Predator“.

Intergalactic (1998)

Riesenroboter vs. Riesenkrake: verspielte Hommage an das japanische Trashkino der 50er- und 60er-Jahre

Body Movin‘ (1998)

Parodie auf den italienischen Spionagefilm „Danger: Diabolik“ von 1968, in unzensierter Version mit Enthauptung

Make Some Noise (2010)

Hollywoodstars wie Elijah Wood, Steve Buscemi und Kirsten Dunst zementieren den Legendenstatus der Band

Was sie selbst sagen

„Unser Liebesleben hat sich nicht verbessert seit wir in einer Band sind. Unser Sexleben schon.“

Michael Diamond

„Das war vor tausend Jahren. Jetzt haben wir sieben Alben!“

Adam Horovitz‘ Kopf in einer Folge von „Futurama“ auf die Bemerkung von Fry, er habe im 20. Jahrhundert alle fünf Platten der Band besessen

„Ich glaube, dass jeder Mensch die Fähigkeit hat, etwas zu verändern. Man redet uns zwar immer ein, dass nur Prominente etwas bewirken könnten. Aber wir alle bewegen doch ständig etwas in der Welt – mit allem, was wir tun, und wenn es noch so klein ist. Jeder unserer Gedanken, jedes Wort, die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen, das alles bewegt etwas.“

Adam Yauch

Was die anderen sagen

„Das erste Tape, das ich als Kind kaufte, war von den Beastie Boys.“

Big Boi (Outkast)

„Als wir anfingen, schauten wir auf die Beastie Boys – wie sie es schafften, verrückte Platten aufzunehmen und trotzdem bei einem Majorlabel zu bleiben. Auch ihre Free-Tibet-Konzerte hatten einen großen Einfluss auf mich.“

Thom Yorke (Radiohead)

„Die für mich und meine Entwicklung wohl wichtigste Band aller Zeiten!“

Jan Delay

„Sie haben die Ära des Pop-Rap eingeläutet. Und damit meine ich nicht Hammer oder Vanilla Ice. Ich meine Popstrukturen. Bis zu den Beastie Boys waren Rapsongs meistens 15 Minuten lang und hatten keinen Refrain. Ihr Einfluss ist riesig, rieeesig. Außerdem kann ich mir keine drei netteren Leute vorstellen.“

?uestlove, (The Roots)

„Die Beastie Boys waren ein wichtiger Teil meiner persönlichen Musikgeschichte und wesentlich für die musikalische Revolution in dieser Zeit.“

Madonna

5 schlimme Coverversionen von „Fight For Your Right“

1. Warrant, Trixter and FireHouse (live, 1991)

2. N.Y.C.C. (Single, 1998)

3. McFly (Live-B-Seite der Single „Baby’s Coming Back/Transylvania“, 2007)

4. Sammy Hagar (Cosmic Universal Fashion, 2008)

5. Ke$ha (live, 2011)

Die 5 besten Coverversionen von songs der beasties

1. Rollins Band: „Gratitude“ (live, 1992)

2. Refused: „Gratitude“, (The Demo Compilation, 1997)

3. Coldplay: „(You Gotta) Fight For Your Right (To Party!)“ (live, 2009)

4. Jay-Z: „No Sleep Till Brooklyn“ (live, 2009)

5. Cancer Bats: „Sabotage“ („Sabotage“-EP, 2010)

Ihre Studioalben:

Licensed To Ill (1986)

Ohne den Multiplatin-Erfolg der Platte wären uns Crossover-Clowns wie Limp Bizkit erspart geblieben. Aber hätte man auf Nirvana verzichten wollen, um sich Bush zu schenken? Eben. Genauso wenig will man diese Platte missen: hammerharte Riffs (etwa von Slayers Kerry King auf „No Sleep Till Brooklyn“) über noch härtere Beats und behämmerte Texte über „Girls“ und das später als Persiflage verkaufte „Right To Party“. Rebels without a cause mit der ersten HipHop-Nummer-1 in den US-Charts, eine Zeitenwende.

Paul’s Boutique (1989)

Die in den USA auf Platz 14 eingestiegene Platte gilt zunächst als Flop, die Plattenfirma stellt jegliche Promotion ein. Doch über die Jahre reift das von den Dust Brothers dicht produzierte Werk zu einem der besten und wichtigsten der HipHop-Geschichte. Mit einem Exzess aus mehr als hundert, entgegen landläufiger Meinung großteils geklärter Samples von Johnny Cash über Led Zeppelin und Sweet bis zu den Beatles etablierte die Band Sampling als absolut relevante Kunstform.

Check Your Head (1992)

Erstmals seit den Tagen der „Polly Wog Stew“-EP, als sie noch Hardcore-Punks waren, greift die Band wieder zu den Instrumenten. Das Ergebnis setzt Rap und Turntablism weiterhin als Stilmittel ein, ist neben Jazz- und Funk- und Punk-Exkursen aber mehrheitlich Alternative Rock. Was hätte besser ins Jahr eins nach Nevermind gepasst? Bis zum Ende der 90er sind die Beastie Boys ab hier die Kings Of Cool.

Ill Communication (1994)

Kann ein Song mehr nach vorne gehen als „Sabotage“? Dennoch erstmals Stillstand bei den Beasties, stilistisch gesehen. Check Your Head ist hier klar die Blaupause. Aber in welches Genre hätten sie denn noch hineinwuchern sollen? Eurodance? Priorität haben Songwriting und die weitere Erforschung der Klangwelt, die sie sich geschaffen hatten. Einziges Problem: Die erste Albumhälfte ist derart überwältigend, dass die zweite trotz hohen Niveaus nicht ganz mithält.

Hello Nasty (1998)

Das Album erreicht in 16 Ländern die Top Ten, in sieben davon Platz eins. Auch inhaltlich erobert die Band neue Dimensionen – textlich wie in der sensationellen Sci-Fi-Single „Intergalactic“, aber auch musikalisch: Die Beasties setzen vermehrt auf elektronische Klänge – das Video zur Single „Body Movin'“ nutzt gar den Fatboy-Slim-Remix. Daneben stehen Stücke wie die Akustiknummer „I Don’t Know“, der Orgelschieber „Song For The Man“ und das Santana-artige „Song For Junior“. Über welches Album mit 22 Songs lässt sich schon sagen, dass es zu kurz ist?

To The 5 Boroughs (2004)

Die Beasties kehren mit trockenem Roots-Rap zurück, der sich mit dem Zustand von NYC nach 9/11 (stolz stehen die Twin Towers auf dem Cover) und der Bush-Regierung auseinandersetzt. Nicht immer gelingt die neue Ernsthaftigkeit: Zeilen wie „See, I like to party, not drink Bacardi/’Cause I’m not looking to throw up on nobody“ wirken fast spießig. Dennoch gibt es auch Stimmungshits wie die Single „Ch-Check It Out“, die aber wie Zugeständnisse wirken.

The Mix-Up (2007)

Nach dem wortlastigen Vorgänger will sich die Band musikalisch austoben – und schießt mit Funk-Jazz-Instrumentals übers Ziel hinaus und am Publikum vorbei. So essenziell instrumentale Stücke im Beasties-Katalog auch sind, um im Albumkontext Krachern Platz zur Entfaltung zu geben, so erfüllen sie doch meistens nur diese Hilfsfunktion. Auf LP-Länge wird das schnell bewusst – und leider langweilig.

Hot Sauce Committee Part Two (2011)

Rückblickend rundet das Trio mit seinem letzten Studioalbum das Gesamtwerk ab. Aktuelle Einflüsse: nein, Danke. Warum auch? Die Band mokiert ihre neue Bequemlichkeit natürlich, Ad-Rock: „Oh, my God, just look at me/ Grandpa been rapping since ’83!“ Sogar das Video zu „Make Some Noise“ fungiert als Fortsetzung zum „Fight For Your Right“-Clip. Der Kreis war geschlossen.