Ben Folds: Way To Normal


Gute und schlechte Nachrichten von Ben Folds: Mit seinem neuen Album WAY TO NORMAL ist er nicht zu Elton John mutiert, er rockt aber auch nicht mehr die Suburbs. Es hätte uns durchaus schlimmeres passieren können, findet MUSIKEXPRESS-Leser Christian Frei.

Zuerst die gute Nachricht: Ben Folds mutiert nicht zum Elton John des neuen Jahrtausends, wie nach seinem letzten Album SONGS FOR SILVERMAN zu befürchten war, sondern bleibt ein geistiger Verwandter Billy Joels. Der Humor ist ihm bei allem Herzschmerz noch nicht abhanden gekommen. Den Schwermut des letzten Albums hat man ihm sowieso nie abgenommen.Folds‘ frisch vollzogene Scheidung und die Verarbeitung dessen in seinen Songs lassen vielerorts Vergleiche mit Dylas BLOOD ON THE TRACKS aufkommen. So ganz kann man das aber nicht stehen lassen. Hier wird ausgiebig das Junggesellendasein gefeiert! Folds lässt seinen Flügel mäandern wie zu seligen Ben Folds Five-Zeiten. Und in den Lyrics hat er wieder ganz viele „fucks“ und „shits“ eingebaut. Irony is back!Und jetzt die schlechte Nachricht: Nein, das Album erreicht nicht die Klasse des 2001er Werks ROCKIN THE SUBURBS. Von den drei Ben Folds Five–Geniestreichen ganz zu schweigen. Zum einen scheitert es am Sound, der oft stumpf und abgerundet wirkt. Ein paar Ecken und Kanten hätten gut getan. Zum anderen klingen die Kompositionen streckenweise unfertig. Manche Idee glaubt man gar auf früheren Platten bereits gehört zu haben. Aber der Reihe nach.Wollen wir erstmal festhalten, dass man sich beim Opener „Hiroshima (bbb benny hit his head)“ schon nach zehn Sekunden ins Stadion versetzt fühlt. Inklusive Mitgröhl-Refrain und Fan-Chören. Reflexartig wippt man mit dem Fuß. Da hat jemand im Studio wohl gleich das Live-Konzert mitgedacht.Das folgende „Dr.Yang“ rockt und rollt recht flott. Auch gesanglich hat man Folds selten derart schmettern hören. Man erinnert sich an den herrlich rumpelnden Piano-Punk des Frühwerks. Aber hey: Das Schlagzeug braucht mehr Bums! Das entschärft den Song etwas. Kann das mal jemand weiterleiten oder Darren Jessee bescheid geben? Interessant wird es dann bei der Single „You Don’t Know Me“, einem Zwiegespräch zwischen Folds und Regina Spector. Anfangs erscheint einem dieses Liedchen zwar noch etwas zu harmlos. Aber wie die Duettpartnerin am Ende des Refrains immer sanft „You don´t know me… at all“ ins Mikro haucht, das ist klasse. „Before Cologne“ ist dann tatsächlich etwas zu seicht. Man munkelt ja, es sei aus einer Improvisation während eines Auftritts entstanden. Genauso klingt es auch. Ben Folds hat schon viele traurige Lieder geschrieben, die ihren Zweck erfüllt haben. Aber dieses hier lässt einen kalt. Vor allem der Refrain will nicht so recht überzeugen. Das kann er besser. Der Versuch, mit Elektronik zu experimentieren, geht bei „Free Coffee“ nach hinten los. Ein langweiliges, ja geradezu nerviges Stück, das auf dem Album nur stört.Richtig schmissig wird’s dann wieder bei „Bitch Went Nuts“, welches ein Highlight des Albums darstellt und sich auch mit dem bisherigen Foldschen Songkatalog messen kann. Der Klopfer „Brainwascht“ macht dann auch noch mal richtig Spaß. Beide Daumen hoch! Ähnlich ergeht es einem mit „Effington” und der denkwürdigen Textzeile „If there’s a god, he’s laughing at us and our football team”. Das abschließende „Kylie From Connecticut“ ist dann schließlich die große Ballade des Albums, die wirklich überzeugen kann und auch auf WHATEVER AND EVER AMEN gepasst hätte.Das Album als ganzes hat durchaus seinen Reiz, aber es erzählt einem nichts Neues über den Künstler Ben Folds. Die Studio- spielereien haben zugenommen, kompositorische Raffinesse abgenommen. Manches klingt nach B-Seite. Auf Tour wird das Album hervorragend funktionieren. Der Mann ist ein Entertainer, eine Rampensau! Das weiß jeder, der irgendwann eines seiner Konzerte besucht hat. Und das hört man auch WAY TO NORMAL an, denn unterhalten tut es bestens.Aber es wäre zu wünschen gewesen, dass er sich vielleicht mehr auf das glückshormonsteigernde HAS BEEN-Album von William Shatner bezieht, welches er ganz unglaublich toll arrangiert und produziert hatte. Relaxter Lounge-Sound, der eine Wärme ausstrahlte, dass man sich vom ersten Ton an geborgen fühlte.Auf der SUNNY 16-EP hatte Folds uns mit dem jazzigen „All You Can Eat“ Hoffnungen gemacht, er würde diesen Ansatz vielleicht weiter verfolgen.Stattdessen haben wir jetzt halt ein Popalbum. Es hätte uns durchaus schlimmeres passieren können.

Christian Frei – 03.11.2008