Bistrotheque!


Wir suchten Josh Homme auf, um seine zehn Lieblingsplatten zu erfahren - und bekamen ein paar Bonustracks dazu. 23 Minuten backstage bei Queens Of The Stone Age...

Die beliebte ME-Rubrik „Plattenschrank“ geht so: Tage vor dem Treffen lässt der Kandidat uns eine Liste mit Alben zukommen, über die er sich unterhalten möchte, damit bereitet man sich auf ein konzentriertes Gespräch vor. Normalerweise. Etwas anders geht’s bei Josh Homme. Als Promoter Camilo den ME abends um halb elf, zwei Stunden vor dem Auftritt von Queens Of The Stone Age beim Southside Festival, in die verrauchte Künstlergarderobe schiebt, haben wir immer noch keine Liste von Homme, ja: Es sieht nicht so aus, als wäre er heute überhaupt noch zu Interviews aufgelegt. Homme, blendender Laune, unterhält sich angeregt mit dem lustig angetrunkenen Jet-Sänger Nie Cester. Aus dem iPod-Verstärker blubbern Os Mutantes, im Raum wimmelt es vor schwarz gekleideten Rocktypen, die Stimmung ist ausgelassen. Wir warten geduldig. „Heeey guys!“, kräht es plötzlich von Richtung Tür, und Camilo, den das Business offenbar einen gewissen Gleichmut gelehrt hat, verdreht mild die Augen. „So. Jetzt ist Juliette Lewis auch noch eingelaufen. Ich glaube…“ Ja. Er hat Recht. Das wird wohl nichts mehr heute. Verkrümeln wir uns dezent. Doch in diesem Moment löst sich Josh Homme von seinem Gesprächspartner und setzt sich an den Couchtisch.

Josh Homme: Sorry, Dude, ich hab ganz vergessen, dass ich noch was zu arbeiten habe.

Oh, hallo. Sehr gut. Du weißt, worum es gehen soll?

Homme: Meine zehn Alben, oder? Easy.

Also. DIRTY DEEDS DONE DIRT CHEAP von AC/DC, weil…

Nic cester: (setzt sich dazu) Worum geht’s hier?

Um die zehn Lieblingsplatten von Josh.

Cester: Welche davon ist dir denn die liebste?

Homme: Tja nun, äh, die erste. Es soll mehr so ein …

Cester: Die Frage, die ich mir ja immer wünsche und du wirst sie wohl auch nicht stellen – ist…

Michael Shuman: (Bassist der Queens; latscht am Tisch vorbei) Was für eine Frage ist das?

Cester: Die Frage ist: „Auf welchen Song, den du bisher geschrieben hast, bist du am stolzesten?“

Homme: Nein, das hat wirklich noch nie wer gefragt.

Cester: Ein Song, bei dem du immer wieder denkst, egal, wie oft du ihn schon gespielt hast: „Wow, das ist ein verdammt guter Song!“ Sag mal! Homme: Einer, den ich sehr gern mag, ist…

Cester: Wenn ihr euch noch nie gesehen hättet: Bei welchem Song würdest du einen Steifen kriegen?

Homme: Es ist ein Song namens „I Think I Lost My Headache“. Weil er in meinen Augen zu gleichen Teilen schön, rockend und eigenartig ist. Und er ist eingefasst von einem absolut großartigen Set von Riffs.

Cester: Was ist großartig daran? Weil es …

Homme: It’s because it’s a great smorgasboard in one thing, aber ohne dass es gekünstelt wirkt.

Cester: Wie ein Bistro.

Homme: Yeah. Aber ohne, dass es gekünstelt wirkt.

Cester: Bistrotheque.

Homme: Der Song funktioniert genau nach meinem Gusto, so: Jetzt, bringt den nächsten Gang rein!

Cester: Das ist das Genre, Mann! Bistrotheque!

Homme: Ich will rein. Ich will da rein.

Ah, was bitte ist ein Smorgasbord?

homme: „Smorgasbord“ ist wohl das netteste Wort für ein Bord, das über und über mit Smorgas bedeckt ist.

Cester: Waahahaha! (Fällt vor Lachen fast vom Sofa)

Homme: Es ist so was wie ein Büffet. Like a buffet. I put the „uh?“ in „buffet“. Know what I mean? But I also put the „ice“ in „nice“ and the „lean“ in „clean“, and that’s what’s important. (sammelt sich) Sorry, ich soll hier die zehn Platten nennen, die mich beeinflusst haben. Als erste hab ich also dirty deeds. .. gesagt…

Cester: Wirklich? Fuck. Warum?

Homme: Ich meine: Würde es einen Unterschied machen, wenn ich Powerage sagen würde, oder…

Dean Fertita: (Gitarrist und Keyboarder der Queens, hat mit einem Ohr zugehört und klinkt sich ein) Solches Zeug fragen sie dich in Interviews? Homme: Nein. Er hat das gerade gefragt. Ich bin gerade in einem Interview. Du bist jetzt auch in einem.

Fertita: Oh, okay.

Homme: (zu Cester) Du bist ein Aussie, du magst doch AC/DC?!

Cester: Sieht so aus.

Homme: Was… bist du nicht…? Klar bist du einer.

Cester: Ich bin Australier, ja, jetzt hast du mich geoutet. Aber ich war nie wirklich AC/DC-Fan, bis vor drei Jahren. Ich fand sie uncool. Also hab ich sie mir nie angehört. Das ist im Nachhinein so dermaßen bescheuert: Dass man etwas nicht mochte, weil es irgendwie uncool wirkte. Ich hasse diese Einstellung.

Homme: Ich habe so Zeug wie Black Sabbath und die Stooges auch erst mit 22 gehört, (ch hörte lange Zeit keine Musik von anderen, weil ich von nichts beeinflusst sein wollte, außer den Sachen, die ich schon kannte, als ich selber anfing, Platten aufzunehmen. Ich spielte in einer Band, die ständig mit Black Sabbath verglichen wurde. Und es fühlte sich gut an, sagen zu können: „Black Sabbath? Wer zum Teufel ist das?“

Du hast keine Musik gehört, um quasi rein zu sein?

Homme: Ja. Um mich so weit wie möglich abzuschotten. Und mal zu sehen, ob man seine Kreativität aus sich selbst heraus füttern kann. Das Problem ist, dass man irgendwann alles aufgebraucht hat, was man versteht. Und dann braucht man einen neuen Katalysator und positive Reibung an anderem. Neuem.

Wann hast du dann wieder angefangen?

Homme: Nachdem ich meine erste Band aufgelöst hatte. Noch eine Platte jetzt. Ich würde sagen, Raw Power von den Stooges…

Cester: (anlasslos) Das ist die scheißschwerste Frage.

Homme: Welche? Die nach den zehn Platten?

Cester: Ja. Die verändern sich doch ständig.

Homme: Ja, deswegen nenne ich hier auch meine zehn Lieblingsplatten jetzt im Moment. Die mir gerade jetzt im Kopf herumgehen. Also: Raw Power. Der Grund: Du nimmst die heavieste Platte, die du kennst. Spiel zuerst Raw Power und dann hinterher diese Platte, und du wirst sehen, was heavy ist. Raw Power klingt so derart abgefuckt – und derart perfekt.

Fertita (hat wieder nur halb zugehört): Das ist, wie wenn jemand fragt: Was ist deine Lieblingsband?

Homme: Ich habe keine Lieblingsband.

Cester: Oder zu fragen: „Wen ziehst du vor: Lennon oder McCartney?“ Fuck off! Das ist eine Scheißfrage!

Homme: Ich wurde LeNartney nehmen.

Fertita: Wen?

Cester: Was sie so großartig gemacht hat, war ja gerade die Tatsache, dass sie so verschieden waren! Die Reibung! Jeder für sich wären sie wahrscheinlich nie so gut gewesen. Wenn sie sich nie getroffen hätten …

Homme: Deswegen ist eines der Spiele, die ich nie spiele, das „Was wäre, wenn?“-Spiel. Super Interview-Frage: „Was wäre, wenn du nicht Musik machen würdest?“ Gegenfrage: Was wäre, wenn mein Schwanz sich in eine Schlange verwandeln und dir ins Ohr beißen würde? Die Frage ist eh viel interessanter, ehrlich gesagt, weil das irre aussieht und verdammt weh tut. Eine weitere Platte wäre dann Bone Machine von Tom Waits. Dieses Album ist bizarr, und ich verstehe es nicht. And I love it really hard.

(im Hintergrund macht jemand Tom Waits nach und singt „the pianoooo has been drinldnnnnngg“)

Cester: Das passt ja, dass du das sagst. Ist das nicht dieser Song von … Wie heißt noch mal Jesses Band?

Homme: The Eagles Of Death Metal? Das ist auch meine Band, Baby.

Cester: Ja, ja, ich weiß. Stimmt ja. Die haben einen komplett abgedrehten Rhythmus drauf.

Homme: Ich weiß. Ich bin der Drummer. Meine Beat-Philosophie ist: Beats sollten Charakter haben. Aus der Interaktion von Kickdrum und Snaredrum sollte man Hooks ziehen. Jeder in der Band will Hooks spielen. Warum nicht auch der Drummer?

Cester: Mein Bruder (Jet-Drummer Chris Cester; Anm.) wollte früher unbedingt der Leadsänger sein. Drum funktionieren seine Beats heute wie Melodien.

Homme: Er ist ein toller Drummer.

Cester: Ja, und genau aus diesem Grund. Hey, das ist wirklich eine interessante Unterhaltung. Ich glaube, das wird ein guter Artikel.

Glaube ich auch.

Cester: Und ich stelle viel bessere Fragen als du.

Ich habe ja eh längst an dich übergeben.

Homme: Und ich gebe viel bessere Antworten als alle anderen!

Meine nächste Frage wäre: Noch ein Album?

Homme: Black Flag, First Four Years …

(zündet sich eine Zigarette an)

Cester: Ah, du rauchst! Das sehe ich gern!

Homme: Den ganzen Tag.

Cester: Ich hab da so was gehört, du hättest…

Homme: Von wem?

Cester: Typen aus Bands.

Homme: Fuck ‚em.

Cester: Nadann: Cheers! (reibt seine Zigarette an der von Homme)

Homme: Oh, das fühlt sich gut an. Also. Black Flag, First Four Years, weil das eine Compilation aus mehreren Alben ist. Auf diese Weise bekomme ich viele Platten in einer. Und weil Greg Ginn einer der ganz großen Gitarristen ist. Er spielt krasses, verrücktes Zeug, und du denkst: nicht schlecht. Dann hörst du eine Liveaufnahme, und er spielt das Zeug genau so krass und verrückt wie auf Platte, und du weißt: Im Vergleich zu dem wohnst du noch bei Mami.

Und dann würde ich sagen: Little Richard. Seine erste Platte. Wenn du schwarz und schwul bist, mit einem Cape um, in den Südstaaten, in den Fifties, und du singst einen Song, der „Tutti Frutti“ heißt, und alle anderen denken, der handelt von einem Mädchen namens Daisy, aber du so: „Hi, Boys!“das ist einfach absolut grandios.

Fertita: Er hatte mal Hendrix als Gitarristen in seiner Band. Da gibt’s nichts zu deuteln.

Homme: Und … hm … OK Computer ist eine umwerfende Platte. Eine offensichtliche Wahl, schätze ich. Seine Stimme ist wie Buttermilch, und er selbst ist… wein. Ha! Was noch? Wie viele sind das jetzt? Fünf? Ich würde noch sagen: TIME FLIES … BUT AEROPLANES CRASH von den Subhumans. Weil es eine Punkrockplatte ist, aber auch „Susan“ draufhat, was eine Pianoballade ist – und wie cool ist das für eine Punkrockband? Die Subhumans sind klasse. Ich kann sie von Platte zu Platte wachsen hören und könnte wirklich irgendeine Platte von ihnen hier nennen.

Nächste. Exploited, Punk’s Not Dead. Ihre Beats sind großartig. Sehr, sehr expressiv. Dann: Elvis. Seine erste Collection, die ersten Singles. Weil er Rock’n’Roll zu den Massen gebracht hat. Er hatte wundervolle Hüften. Und er war jung und süß und naiv, sah blendend aus und hatte großartiges Charisma.

Howlin‘ Wolfs erste Platte. His voice is so huge. Er singt im Sitzen, aber brüllt, als stünde er oben auf einem riesigen Berg. Sein Name ist Howlin‘ Wolf. How can you fuck with that?

Und zuletzt… (überlegt) Roy Orbison. Der Song „In Dreams“ ist so wunderschön. Oder „Running Scared“, das nur mit Gitarre und Gesang beginnt und dann endet in diesem riesigen … Der Song beginnt so schmal wie nur irgend möglich und endet so breit und ausladend wie nur irgend möglich. Songs wie dieser – was will man da noch? So schön. Ich habe eine Konzert-DVD von ihm aus Holland. Er ist ungefähr so weit (zeigt ca. 15 cm an) vom Mikro weg und sein Mund bewegt sich kaum, (singt mit einnehmendem Schmelz) „Just running scared …“ Das ist so …aah (stöhnt wohlig) .-.. wie Melasse.

Und natürlich die Platte von Santo & Johnny mit „Sleepwalk“ drauf. Das ist nämlich mein absolutes Lieblingslied überhaupt.

Wer sind die Herren?

Homme: Santo und Johnny Farina, zwei Brüder aus Brooklyn, in den 50ern. Der eine spielte Lapsteel, der andere E-Gitarre. Instrumentalmusik. Du kennst den Song sicher (fangt an, die Lapsteel-Melodie zu singen). It’s like ice-skating through fuckin‘ heaven. Und das, mein Freund, sind zehn Platten, (sogar elf, aber hey!) Danke‘. Kann ich die Situation hier fotografieren?

Homme: Musst du denn?

Es wäre halt gut für den Artikel.

Homme: Gut, dann aber alle zusammen. Hey! Alle Mann! Können wir alle zusammen ein Foto machen?

Juliette Lewis: (aus der Tiefe des Raums) Okaaay!

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