Brother Morphine: Brian Jones


„Er gehörte zu den Typen, von denen jeder wein, dass sie keine 70 werden“, sagt ein lakonischer Keith Richards nach Brian Jones‘ Tod. Aber der Reihe nach: Brian Lewis Hopkin Jones, am 28.2.1942 in Cheltenham geboren, gibt den Rolling Stones ihren Namen und gilt anfangs als deren Bandleader. Charlie Watts und Bill Wyman halten sich im Hintergrund, Keith Richards ist ein linkischer Typ mit fettigen Haaren, und Mick Jagger mutet anno 1963 beinahe kindlich an. Ganz anders Jones: ein charmanter, junger Mann mit guten Manieren, stets modisch gekleidet mit einem Hang zur Exzentrik. Der Prototyp des Rock’n’Roll-Dandy, elegant, eitel, exzessiv und voller Abgründe. Er hat bereits zwei uneheliche Kinder in die Welt gesetzt, säuft wie ein Loch, schluckt ständig Speed und gibt die launische Diva. Derlei Dekadenz erzürnt das Establishment, doch die Fans feiern Jones als leibhaftigen Wegweiser aus der tristen Normalität. Bei den Stones ist er bis 1964 die zentrale Gestalt, bestimmt den Kurs, gilt als Sprachrohr und sorgt mit Harp und Slide-Gitarre für authentisches Blues-Flair. Doch mit den ersten Jagger/Richards-Songs beginnt Jones‘ Einfluss zu schwinden. Das Verdikt, nach dem Mick, Keith und Manager Oldham ihn systematisch fertig machten, ist allerdings blanker Unsinn.

19th Nervous Breakdown

Brian Jones war schon fertig, und das hatte Gründe: seinen barbarischen Drogenkonsum, der ihn Mitte der 60er zum Vorreiter einer gesellschaftlichen Veränderung macht, die für viele tödlich endet. Und sein paranoides, kompliziertes, übersensibles Wesen. Jones ist dem rauen Rock-Business kaum gewachsen, den ständigen Tourneen, dem Leben aus dem Koffer, den Speichelleckern und falschen Freunden. Mit zunehmendem Kontrollverlust und schwindendem Selbstbewusstsein flüchtet er in immer größere Mengen Drogen. Zwar ist er der erste Stone, der sich in Samt und Seide kleidet, der mit Rüschenhemd. Schlapphut und Modeschmuck so glamourös und androgyn wirkt wie Jahre später Bolan oder Bowie. Für den Schlöndorff-Film „Mord und Totschlag“ – in der Hauptrolle seine Freun-din Anita Pallenberg – komponiert er den Soundtrack, seine musikalischen Fähigkeiten scheinen ungebrochen. Noch 1966 ist er als Multiinstrumentalist für die Stones unersetzbar, doch sein angegriffener Zustand macht die Zusammenarbeit immer schwieriger: Jones kommt zu spät, völlig stoned oder überhaupt nicht. Gemeinsam mit Pallenberg und Richards urlaubt er schließlich 1967 in Marokko, wo es zum Eklat kommt: Pallenberg verlässt ihn für Richards. Jones, ohnehin labil, bricht zusammen. Er begibt sich in psychiatrische Behandlung, wird später mit Drogen erwischt und angeklagt. Neun Monate Haft lautet das Urteil, das schließlich in drei Jahre Bewährung umgewandelt wird.

Sad Day

Anfang 1969 ist Jones nicht mehr in der Lage, mit der Band auf Tour zu gehen. Im Juni wird er gefeuert und bekommt einen ehrenvollen Abgang: Der Geschasste darf der Presse erklären, man habe sich aufgrund musikalischer Differenzen getrennt. Einen knappen Monat später ist er tot, ertrunken in seinem Swimming Pool. Offiziell ein Unfall, erscheint sein Ableben bis heute mysteriös: Die Zeugenaussagen sind widersprüchlich, der gerichtsmedizinische Bericht nebulös, die Spuren werden allzu schnell verwischt. Ein gewisser Frank Thorogood, der damals Jones‘ Landhaus renovierte, soll auf dem Totenbett gestanden haben,Brian Jones „versehentlich“ bei einer Schlägerei umgebracht zu haben. Die ganze Wahrheit wird wohl kaum je bekannt werden. Woran auch immer Jones am 3. Juli 1969 starb – George Harrison brachte sein trauriges Ende auf den Punkt: .Es gab nichts an ihm, was eine Extraportion Liebe nicht hätte heilen können.“

HÖREN & LESEN:

CD: Brian Jones Presents The Pipes Of Pan At Joujouka

Bücher: Jeremy Reed – The Last Decadent (Creation Books), Geoffrey Giuliano Paint It Black (Virgin Books), Laura Jackson – Golden Stone (Smith Gryphon), Terry Rawlings – Who Killed Christopher Robin? (Boxtree)