CD-Platten


Weil ’s gar so blöd und sachlich verzerrt dargestellt war, muß es hier kurz kommentiert werden: Ende Oktober geisterte durch die Wirtschaftsteile überregionaler Tageszeitungen eine dpa vwd-Meldung, der zufolge jetzt möglicherweise „das Totenglöcklein für die in den letzten drei Jahrzehnten weltweit dominierende LP zu läuten begonnen“ habe. Jüngste Statistiken des Phonoverbandes besagen für den bundesdeutschen Markt ganz anderes: Erst knapp jeder zehnte verkaufte „Langtonträger“ (vorbespielt, versteht sich) ist derzeit eine CD! Und von Totenstille konnte in deutschen Plattenpreßwerken vor Weihnachten schon gar keine Rede sein. Die prellten am Rande ihrer Kapazitätsmöglichkeiten – zig-Millionen Vinylscheiben. Tatsache ist auch: Jeder Plattenkonzern, der das Thema LP beerdigen würde, könnte noch um selben Tag Konkurs anmelden.

Zum Thema. Die ärgste Zumutung, die sich bislang eine Plattenfirma in Sachen CD leistete, dürfte die Maxi-CD von Frankie Goes To Hollywoods RAGE HARD (ZCID 22 England-Import) gewesen sein. Besagte Silberscheibe wurde —- zum Preis von knapp 30 Mark — in billigster Pappmache-Hülle verkauft, obwohl mittlerweile jeder wissen dürfte, wie empfindlich dies Polycarbonalprodukt gegen Beschädigungen insbesondere hei der auflackierten Label-Seite ist. CD als Wegwerf- und Einwegware zum raschen Konsum paßt aber möglicherweise zur ZZT-Philosophic. Neben der 17-Minuten-Fassung des Hits enthält die CD zwei unsägliche Versionen von „Suffragette City“ und dem „Roadhouse Blues“ der Doors.

An mehr oder weniger teuren Importscheiben herrscht derzeit kein Mangel. Im amerikanischen Sony-Werk gefertigt wurde der Creedence Clearwater Revival-Klassiker GREEN RIVER (Fantasy FCD-6I2-S393- US-Import), der neben COSMO’S FACTORY immer noch als durchgängig beste Produktion von Fogerty & Co. gelten darf —- trotz Spieldauer von nur knapp 30 Minuten und leider dürftiger Klangqualität. Fürs selbe Geld bietet Motown-Amerika seit geraumer Zeit bedeutend mehr auf einer CD, jetzt beispielsweise PSYCHEDELIC SHACK und ALL DIRECTIONS von den Temptations mit einer Spielzeit von über 71 Minuten und der knapp zwölf Minuten langen Fassung von „Papa Was A Rollin‘ Stone“ -— alles in Master Tape-Qualität!

Ebenfalls aus japanischen CD-Fabriken kamen die 16 GREATEST HITS von Steppenwolf (MCAD-37049) und die ersten beiden Platten von George Thorogood & The Destroyers (Rounder CD 3013 und 3()24: wobei MOVE IT ON OVER klanglich doch einiges mehr hergibt als das Debütwerk, das in Rekordzeit wie weiland frühe Platten der Beatles produziert zu sein scheint.

Mehr Zeit ließen sieh schon Steely Dan bei ihrem vierten, 1975 erstmals veröffentlichten Album KATY LIED, das jetzt als Import aus Schweizer CD-Fabrikation (!) zu haben ist (MCA 25(1494-2) und von WEA geliefert wird. Wegen der an dieser Stelle schon öfter beklagten Sparwut verzichtete man darauf, die Songtexte (auf der LP Innenhülle seinerzeit zu lesen) im Beiheft abzudrucken. Ob das ein Beitrag zur schweizerischen Kampagne „Rettet die Wälder!“ sein sollte, darf bezweifelt werden.

Bei der PolyGram verfährt man da meist etwas großzügiger. Richard Thompsons jüngste Produktion DARING ADVENTURES (K29 72N-2) bietet die kompletten Songtexte genauso wie der Elton John-Oldie HONKY CHATEAU, der nun auch als Silber-Diskus vorliegt. Bei Thompsons vorangegangener CD-Version von ACROSS A CROWDED ROOM hatte dieselbe PolyGram das noch offenbar für gänzlich überflüssig gehalten.

Apropos Richard Thompson: Die 1982 bei verschiedenen New Yorker Konzerten mitgeschnittene Live-Kompilation SMALL TOWN ROMANCE (HannibalTIS HNCD 13Ifi) liegt jetzt genauso auf CD vor wie das mit Ex-Ehefrau Linda aufgenommene SUNNYVISTA (Chrysalis CCD 1247; England-Import). Wobei sich letztere durch bessere Klangqualität und erstere für Sammler und Fans schon durch den Umstand empfiehlt, daß es die mit drei zusätzlichen und auf LP vorher nicht enthaltenen Songs bereicherte CD immerhin auf gut 63 Minuten bringt.

Wer sich noch ein paar Import-Raritäten auf den eigenen Gabentisch legen möchte, der kann in fast jeder Musikgattung etwas finden. MUDDY WATERS ON CHESS 1951 – 1959 (Vogue 6(10059) bietet unter 20 Titeln viele Songs, die den originalen „Mannish Boy“ zur Blues-Legende machten. Über den TIS ebenfalls lieferbar: der Gram Parsons/Emmvlou Harris-Milschnitt LIVE 1973 (‚Sundown CDSD 003) und eine HIFI ROCK -N“ ROLL PARTY (Ace CDCH 9(14), bei der man u.a. zu Johnnie Allans Cajun-Version von „The Promised Land“ tanzen darf.