Das Festival als Marke


Nachhaltigkeit! Leihzelte! Elektro! Und die Stone Roses! Beim Doppelfestival Hurricane und Southside bleiben die Dinge in Bewegung.

Als die Stone Roses am 17. Oktober vergangenen Jahres in Manchester die Öffentlichkeit von ihrer bevorstehenden Wiedervereinigung unterrichteten, wusste Stephan Thanscheidt, Booking-Chef von FKP Scorpio, schon seit einer ganzen Weile Bescheid. Denn im Hintergrund liefen bereits die Verhandlungen für einen der schönsten Booking-Coups, die die Macher des Doppelfestivals Hurricane/Southside bisher landeten. Die Pop-Legenden um Ian Brown und John Squire werden ihre einzigen Deutschland-Termine am Wochenende 22. bis 24. Juni in Scheeßel und in Neuhausen ob Eck wahrnehmen. Wie die Verhandlungen genau abliefen, möchte Thanscheidt nicht verraten. Auf eines legt er aber wert: Eine Extrawurst in Sachen Gage – in England murmelte man Zahlen von bis zu 500 000 Pfund pro Auftritt – wurde für die Briten nicht auf den Grill geworfen. Die Stone Roses befinden sich in bester Gesellschaft: Mit The Cure und New Order gibt es zwei weitere Bands zu bestaunen, die unter den älteren Freunden britischer Gitarrenmusik ebenfalls Konsens sein dürften. Eine schöne Ergänzung zu Gruppen wie den Kooks, Justice, Mumford & Sons, Bonaparte oder Casper, die sich an eine eher jüngere Zielgruppe richten.

Das Gebot der Stunde ist Nachhaltigkeit

Vielleicht ist genau dieses das Kunststück, um im Haifischbecken Festivalmarkt zu überleben. Verschiedene Zielgruppen zufriedenstellen, dabei aber die eigene Marke präzisieren. Die Marke, das ist bei Hurricane/Southside das, was man gemeinhin unter Alternative und Independent einordnet. Und die Zielgruppen – nun ja, die differenzieren sich seit einigen Jahren eben aus. Da gibt es den klassischen Festivalgänger, für den auch der erlebnisorientierte und mit ordentlich Alkohol flankierte Aufenthalt auf dem Zeltplatz seinen Wert hat und den ein bisschen Chaos rund um seine Schlafstätte nicht stört. Da gibt es aber eben auch diejenigen, die genau das nicht wollen. Für die setzte man im vergangenen Jahr ein neues Prinzip um: Ein eigener Bereich wurde unter das Motto „Grüner Wohnen“ gestellt. Das bedeutete nicht nur eine gewisse Nachhaltigkeit und einen bewussteren Umgang mit Müll, sondern auch die Möglichkeit, zu schlafen: Ghettoblaster waren hier in der Nacht tabu. Jasper Barendregt, Leiter der Abteilung Festival beim Konzertveranstalter FKP Scorpio erklärt’s genauer: „,Grüner Wohnen‘ war ein sehr großer Erfolg. Und wir hoffen natürlich, dass der sich in diesem Jahr noch steigert. Man muss aber für jede Zielgruppe eine Plattform schaffen, wo sie sich wohlfühlt.“ Diversifizierung also. So bietet man mittlerweile auch die Übernachtung in Hotelzimmern oder die Vermietung von Camping-Material an. Und wer beim Hurricane ein sogenanntes Club-Ticket bucht, kann sich auf dem VIP-Campingplatz einmieten. „Wir wollen, dass die Leute sagen: Das Hurricane und das Southside sind immer gut. Die haben eine eigene Handschrift entwickelt, denen können wir vertrauen. Da sieht man nicht nur bekannte Bands, sondern auch welche, bei denen man denkt, hey, ich wusste gar nicht, dass die so super sind. Und da stimmt eben auch das Drumherum.“

Billigere Flüge, aber auch neue Kommunikationswege wie Facebook oder Twitter und nicht zuletzt die Möglichkeit, per Mouseklick seine Tickets zu buchen, sorgen dafür, dass die Besucher bei den beiden Events heute aus aller Herren Ländern anreisen. „Als wir 1997 mit dem Hurricane an den Start gingen, war das im Ausland kaum bekannt. Das hat sich geändert. Mittlerweile ist der Anreiz größer, auch mal ein ausländisches Festival zu besuchen. So verbindet man ein musikalisches Erlebnis mit einer Reise. Das wird immer beliebter, und das merken wir auch bei unserem Publikum. Ein Veranstalter in Holland bietet zum Beispiel Busreisen zum Hurricane an.“

Ansonsten ist man mit einem Festival nie fertig. Auch im zwölften Jahr optimiert man die Abläufe: Ein Crowd Manager berechnet vorab die Besucherströme – nicht erst seit der Katastrophe auf der Love Parade vor zwei Jahren Pflicht. Aber auch die kleinen Räder sollen besser greifen, die Wartezeiten an den verschiedenen Stationen des Festivals noch einmal verkürzt werden: „Dieses Jahr werden wir erstmals eine Gruppe von ehrenamtlichen Helfern einsetzen, die Auskunft geben, den Leuten die richtige Richtung zeigen können und dafür sorgen werden, dass es sich an den Einlässen nicht mehr staut. Wir hoffen, diese Helfer im Umkreis zu finden – so kann man auch denjenigen die Möglichkeit geben, das Festival zu erleben, die sonst vielleicht nicht unbedingt hingehen würden“, berichtet Barendregt.

Thanscheidt denkt schon weiter. Er sucht gerade die Künstler, die die Zuschauer 2013 begeistern sollen. Eine Aufgabe, die entsprechenden Vorlauf benötigt: „Es gibt weltweit einen Pool von zwölf bis 15 Bands, die das Hurricane und das Southside headlinen können. Ein paar deutsche Acts kommen dazu“, sagt er. Und da würde sich nicht mehr viel ändern. „Die etablierten Ikonen sind die letzten, die da sind. Das mag daran liegen, dass manche Bands die Qualität ihrer Debüts nicht halten. Und die Fans sind auch schnelllebiger, wechseln ihre Vorlieben rascher.“ Was er beobachtet: Das Interesse der Besucher für elektronische Musik steigt von Jahr zu Jahr: „Wir hatten schon immer große Elektro-Acts auf den Hauptbühnen. Daft Punk, die Chemical Brothers, Too Many DJs. Das wird aber immer wichtiger. Deshalb haben wir vor drei Jahren mit der White Stage eine eigene entsprechende Bühne eingeführt“, sagt Thanscheidt. „Das tut dem Festival richtig gut, die Leute feiern das ab.“ So mussten die Audiolith-Raver Frittenbude vor drei Jahren ihr „unfassbares Konzert“ abbrechen, weil das Zelt gnadenlos überfüllt war. Die Konsequenz: ein weiterer Auftritt ein Jahr später, der ebenfalls alle Anwesenden begeisterte. Und ein größeres Elektro-Zelt. Die Dinge bleiben in Bewegung.