David Bowie


Nach Jahren der Zurückgezogenheit als „Garagen-Maler" geht David Bowie wieder in die vollen: Im ME/Sounds- Interview erzählt er von seiner neuen CD, dem alten Freund Brian Eno, von Andy Warhol und der Ehe mit Star-Model Iman.

Los Angeles, 4. Juli, Nationalfeiertag in den USA. Dem Briten Bowie ist das egal, er gibt Interviews, während im Hintergrund Feuerwerkskörper krachen. Im Promi – Hotel Chateau Marmont gewährt er Audienz, Dreitagebart im Gesicht und gekleidet in Schwarz: Jeans, Doc Martens und Pullover, nur unterbrochen von weißen Socken. Der Mann raucht Marlboro, Kette, und trinkt Unmengen von doppelten Espressos mit viel Zucker, die ihm die Dame von der Plattenfirma ungefragt reichen darf. David Bowie ist überraschend freundlich für einen Superstar seines Status und redet in gewähltem Upperctass-Englisch. ME/SOUNDS: Welchen Stellenwert gibst du deinem neuen Album ‚Outside‘? DAVID BOWIE: Es ist ein Neubeginn. ‚Outside‘ wurde von mir und Brian Eno als Anfang einer Serie von Alben aufgenommen. Es ist eine Bestandsaufnahme dieses Jahres. Wir planen weitere Alben, eins pro Jahr, und am Ende hat man eine Art Jahrbuchsammlung über die letzten fünf Jahre dieses Jahrtausends. Musikalisch ist es kein neuer Start, auch nicht die logische Fortführung meiner letzten Alben, aber ich fühle mich und das sage ich, ohne angeben zu wollen – wie der Maler Jasper Johns. Genau wie er mit seinen Bildern habe ich eine beträchtliche Sammlung von Aufnahmen hinter mir. Und ich bediene mich zum Teil dieser früheren Aufnahmen, und lasse sie in ein zeitgemäßes Umfeld einfließen. ME/SOUNDS: ‚Outside‘ ist ein Konzept-Album, das Tagebuch eines Nathan Adlers, Detektiv und Kunstprofessor, der den Mord an einer 14jährigen aufklären muß, deren Leiche als Kunstwerk in einem Museum gefunden wurde. Nathan Adler ist eine fiktive Gestalt, erfunden von Bowie, aber seine Erlebnisse klingen nicht ausschließlich fiktiv. Wieviel davon ist autobiographisch? DAVID BOWIE: Einiges, z.B. die Typen in Chirurgenkostümen, die mit ihren Gummihandschuhen durch Bars ziehen, die gab es wirklich. Oder die „Rat-Lady“, die eine Ratte am Halsband herumführt. Das waren Typen, denen ich in meinen Berliner Jahren begegnet bin. Sehr seltsame Gestalten aus der Fassbinder-Clique. ME/SOUNDS: ‚Outside‘ ist deine erste Zusammenarbeit mit Brian Eno seit ‚Lodger‘. Was brachte euch wieder zusammen? DAVID BOWIE: Wir hatten uns nicht im Streit getrennt. Wir drifteten einfach auseinander. Er war beschäftigt mit seiner akademischen Laufbahn, ging nach Malaysia und wollte eigentlich nichts mehr mit Musik zu tun haben. Mir ging es ähnlich. Nach ‚Never Let Me Down‘ und vor der ‚Glass Spider‘-Tour war ich am Tiefpunkt meiner musikalischen Karriere angelangt. Kommerziell waren meine letzten drei Alben erfolgreicher als alles zuvor gewesen, aber ich war unbefriedigt. Musik bedeutete mir nichts mehr.

Ich lebte einen Tagtraum Maler in der Garage, und wäre nicht es Gabreis mmen, wäre ich heute noch mit Farbe übersät. Gabreis ist alles, was ich an einem Musiker bewundere: neugierig, abenteuerlustig, witzig. Er warf mir eine Leiter in mein Loch, ich folgte ihm nach oben, und wir landeten in Tin Machine. Das war die Rettung, denn mit Tin Machine konnte ich alle festgefahrenen Vorstellungen, die man über mich (das me/sounds interview)

hatte, zerstören. Auf einmal konnte niemand mehr aus mir schlau werden.

ME/SOUNDS: Aber war das nicht schon immer so? DAVID BOWIE: Früher schon, aber in den 8oern war es anders. Viele kannten mich nur seit ‚Let’s Dance‘ und wußten nichts von ‚Ziggy Stardust‘. Aus dem Nebel, der mich damit umgab, konnte ich emporsteigen, mit neuem Interesse an Musik, wie ein Phoenix aus der Asche. 1992 traf ich Eno auf meiner Hochzeit wieder. Ich spielte Instrumental-Versionen von den ‚Black Tie, White Noise 1 -Songs, die ich extra für die Hochzeit geschrieben hatte. Brian war begeistert. Er schlug vor, daß wir wieder zusammenkommen sollten, und ich willigte ein. ME/SOUNDS: Für die Aufnahmen holtet ihr euch u.a. Reeves Gabreis, Sterling Campbell (der inzwischen für Soul Asylum trommelt), und Pianist Mike Garson, mit dem du schon bei ‚Alladin Sane‘ zusammengearbeitet hattest, ein Ex-Scientologe. DAVID BOWIE: Er war vollkommen verstrickt in Scientology, und ich kam mit ihm nicht mehr klar. Inzwischen ist Mike bekehrt, entspannt und selbstsicher, und er ist ein begnadeter Pianist. Er studierte bei Chick Corea, der ja auch Scientologe ist, und spielte die letzten jähre mit Stanley Clarke. ME/SOUNDS: Scientology gibt dir also nichts. Wie sieht es mit

Buddhismus aus? Hast du dich damit nicht einmal eingehend befaßt?

DAVID BOWIE: Eingehend ist übertrieben. Als i8jähriger habe ich mich damit beschäftigt. Damals habe ich sogar einen Guru gehabt, den ich noch heute gelegentlich besuche. Er wohnt im Keller des Britischen Museums und übersetzt tibetanische Schriftrollen. Aber er hat schnell erkannt, daß ich kein Mönch, sondern Künstler bin. Er sagte: Betrink dich! Werde Musiker! Er hat mir allerlei beigebracht. ME/SOUNDS: Als da wäre…? DAVID BOWIE: Er lehrte mich, daß nichts ewig währt, daß alles ständig wechselt, und daß es wichtig ist, diese Änderungen zu akzeptieren. Wer das versteht, für den ist vieles leichter. Man schwebt beinahe über der Realität. Nicht, daß einem alles egal wäre. Aber man nimmt nicht alles so ernst, faßt nicht jedes Desaster, das einem widerfährt, als persönliche Beleidigung auf. Man wird niemals so deprimiert, daß man sich umbringen möchte. Man bleibt gefaßt. Es gibt ein schönes Sprichwort: Wenn du wissen möchtest, ob Gott Sinn für Humor hat, dann erzähle ihm von deinen Plänen.

ME/SOUNDS: Du hast keine? DAVID BOWIE: Nein, ich bin glücklich, so wie es gerade ist. ME/SOUNDS: Wie ist es im Moment? Man hört, du wirst wieder Vater?

DAVID BOWIE: Glaubt man der Presse, dann ist Iman schwanger, seit ich sie vor sechs Jahren kennengelernt habe. Ist sie aber nicht. Vielleicht in ein paar Jahren, aber nicht momentan. Wir haben beide Kinder. Mein Sohn ist 24, ihre Tochter 17, und wir haben beide den Fehler gemacht, uns der Karriere zuliebe nicht genug um unsere Kinder zu kümmern. Diesen Fehler wollen wir nicht wieder machen, deshalb kommen weitere Kinder erst dann in Frage, wenn mehr Ruhe in unser Leben einkehrt. ME/SOUNDS: Du spielst Andy Warhol in dem Film ‚Basquait‘, der nächstes Jahr in die Kinos kommen soll.

DAVID BOWIE: Basquait war ein junger schwarzer Maler in New York, aus der gleichen Szene wie Keith Haring. Er starb 1988 mit 27 Jahren an einer Überdosis Heroin. Sein Freund Julian Schnabel, einer der amerikanischen Maler-Helden der 80er, setzt ihm nun mit diesem Film ein Denkmal, als einen der wenigen farbigen Maler, die es in den USA zu Ansehen gebracht haben. Warhol hatte eine seltsame Beziehung zu Basquait. Er wollte ihn vom Heroin retten, war gleichzeitig eifersüchtig auf ihn und seine Freunde, die neue Generation von US-Künstlern. ME/SOUNDS: Was hattest du für eine Beziehung zu Warhol? Du hast schließlich einmal einen Song über ihn geschrieben. DAVID BOWIE: Ich habe ihn nur dreimal getroffen, ich kannte ihn nicht wirklich. Mein Lied hat er gehaßt. Immer wenn es im Radio lief, mußte das Radio abgestellt werden. ‚Der beschreibt mich als so seltsam‘, soll er dann gemotzt haben. ‚Ich bin doch gar nicht so seltsam, oder?‘ ME/SOUNDS: War es dann nicht komisch, jemanden darzustellen, der deine Musik nicht mochte? DAVID BOWIE: Das machte mir nichts aus. Aber es war seltsam, seine Perücke, seine Brille und seinen Anzug zu tragen, alles Zeug, das wir aus seinem Museum zur Verfügung gestellt bekamen. Sein Geruch hing immer noch in seiner Kleidung… ME/SOUNDS: Ehe, Musik, Malerei, Schauspielerei – wie kriegst du alles unter einen Hut? DAVID BOWIE: Es ist einfacher, als man denkt. Malen kann ich überall, selbst hier im Hotel. Und während der Arbeit am Album wohnte ich ja zu Hause. Bislang hatten Iman und ich das Glück, daß wir nie gleichzeitig arbeiten mußten. Mal muß sie weg, z.B. nach Südafrika, dann fahre ich mit und sehe mir dort die Kunstszene an. Und muß ich wirklich einmal länger weg, dann kommt Iman mit. Das klappt perfekt. ME/SOUNDS: Bald mußt du für längere Zeit weg: Du planst, auf Tour zu gehen, mit Trent Reznor als Vorgruppe, richtig? DAVID BOWIE: Wenn alles klappt, starten wir Mitte September, allerdings ohne Eno. Er will nicht mehr touren und muß außerdem am Royal College of Art in London unterrichten. Vielleicht kann ich ihn überreden, daß er ein paar Auftritte mitmacht, aber nur vielleicht. Wir werden alte Songs bringen, die ich seit Ewigkeiten nicht mehr gespielt habe. Das neue Material ist die ideale Basis, um ein paar meiner obskuren Titel zu präsentieren. Aber keine alten Hits. Alles von der ‚Sound & Vision‘-Tour ist gelöscht. Wer die Songs hören will, kann das per CD tun. Ich will mich nicht auf meinen alten Lorbeeren ausruhen.