David Bowie: Köln, E-Werk


Mr. Mythos in wirklich, ganz echt und fast zum Anfassen: David Bowie feiert im kleinen Kreis eine prima Sause.

Man möchte sich ein Scheibchen abschneiden von der guten Laune des Mannes, der, die Krawatte lässig um den Hals gelegt, inmitten seiner siebenköpfigen Band steht, die Huldigungen des Auditoriums entgegennimmt und den gut gelaunten Grinsekater gibt. Der blendend aufgelegte Mann war in den Siebzigern zuständig für Glam. Glitter und allerlei Gedöns: verwirrende Stil- und Rollenwechsel. Make-up und Maskeraden, Drogen jedweder Provenienz, die Dominanz des Scheins über das Sein. Mit diesen Zutaten servierte er der Rockmythologie ein paar ganz entscheidende Elemente; er funktionierte als Projektions- fläche für die Träume von Ihm und Ihr, und auch die noch Unentschiedenen konnten sich ohne weiteres auf ihn einigen. Die Gender-Geschichte ist passe, der Mann, den die Welt unter dem Namen David Bowie kennt, ist heutzutage eindeutig heterosexuell veranlagt, zudem glücklich verheiratet, Vater einer knapp zweijährigen Tochter und definitiv fitter denn je: auf aktuellen Fotos sieht David Bowie längst nicht so alt aus wie auf solchen von 1977, sondern eher so, als habe er die letzten Jahre auf einer Wellness-Farm geurlaubt.

Schade allerdings, dass dies nur Medienpartner, Wichtigheimer und solche, die eins von beiden werden wollen, sehen können: Im Vorfeld des Konzerts ist die künstliche Verknappung Stilmittel Nummer eins, von den ca. 2500 Tickets gehen ganze 1300 Karten in den freien Verkauf. David Bowie hat also die Promotionmaschine angeschmissen, der intime Gig im Kölner E-Werk ist der Appetizer für die große Tour, die da sicher kommen wird. Reklame für sein neues Album „Heathen“ macht Bowie allerdings zunächst nicht: Er gibt galant den Conferencier der eigenen Werkgeschichte. „Life On Mars“ – in einer bizarr schonen, kargen Version -, „China Girl und „Ashes To Ashes“ sind flugs abgehandelt, und deren Sound ist vermutlich der beste, den die Gemäuer des E-Werks je auf die Backsteine bekamen. Die Mietmusiker auch die Barfufl-Bassistin – erweisen sich mehrheitlich als Mannschaftsspieler, einzig Lead-Gitarrist Earl Slick lässt sich bei einigen Songs zu Soli hinreißen, die spätestens seit 1979 gesetzlich verboten sind.

Bowie selbst indes ist voll und ganz im Hier und Jetzt angekommen. Sparsam setzt er die Gesten, ein altersadäquater Arschwackler da, eine Luftkeyboardeinlage dort, und dabei lächelt er blendender als alle Zahnarztfrauen dieses Universums zusammen. The Thin White Duke spielt, was zu spielen ist – Songs des von Tony Visconti geschmeidig produzierten „Heathen“ wie das Pixies-Cover „Cactus“ „Slip Away“ und „I’ve Been Waiting For You“, All-Time-Knaller wie „Ziggy Stardust“, „Heroes“ und „Changes“. Warum er sich als ausgewiesener Millionario für letztere Songs allerdings keine anständige Bläser-Abteilung leistet, sondern Keyboardsoße kleckern lässt, bleibt sein Geheimnis. Nach 90 Minuten ist der Punktsieg locker eingefahren, Major Tom a.D. hat den Konzertboden sicher unter Kontrolle, und normalerweise ist zu dieser Stunde ohnehin Disco für die Bevölkerung der Köln umgebenden Dörfer. An diesem Freitagabend aber ist alles anders. Bowie tritt an den Bühnenrand und erweist sich Songspendierhosenträger, indem er das enthusiasmierte Publikum darüber infomiert, dass die Band jetzt „Low“ spielt. Und so geschieht das wahrhaft Denkwürdige dieses Konzerts: Bowie leidet und windet sich durch sein düster-avantgardistisches Soundgemälde, mit wenigen Ausnahmen Song für Song. Bowie singt und spielt „Breaking Glass“, „Sound And Vision“, das apokalyptische „Warszawa“ – und öffnet damit einen Spalt breit die Tür zu einer Zeit, von der er wegen seines damals drogendominierten Lebenswandels nicht mehr allzu viel weiß: seiner Berliner Phase Ende der siebziger Jahre, als er zusammen mit Busenfreund Iggy Pop um die Häuser zog. Zum beeindruckenden Finale gibt es schließlich „Subterraneans“. Danke, Mr. Mythos; thanks a lot, David Bowie. www.davidbowie.com