Die Reklamation


„Sag mir, wo die Künstler sind …‘

Lange Zeit brauchte es einen Fan nicht groß zu kümmern, was sich hinter den Kulissen des Musikgeschäftssotat. Klar, man hörte manchmal wilde Storys von bösen Plattenbossen, und es war politisch korrekt, Indielabels irgendwie sympathischer als Musikkonzerne zu finden. Aber zum Gegenstand deröffentüchen Betrachtung ist die Musikbranche erst geworden, nachdem sie Endeder90erin die Krise rutschte. Inzwischen ist die Misere der Musikindustrie eines der Lieblingsthemen der Medien – kein Wunder, selten hat man eine komplette Branche in solchem Tempo zusammenkrachen sehen. Auch nicht überraschend: Statt Mitleid erntet das Musikbiz eher Schadenfreude – das öffentliche Bild der Branche ist eben durch die Majors geprägt, und die erschienen Otto Normalhörer, zumindest jetzt, wo man genauer hinsah, wie selbstgefällige Künstler- und Konsumentenausbeutungssyndikate.

Mal abgesehen davon, dass sich das für die Tausende ganz normaler Angestellten dieser Firmen, die in den letzten anderthalb Jahren ihre Jobs verloren haben lund von denen sich viele mit Leidenschaft und Kompetenz fürdie Sache der Musik abgerackert hatten], wenig komisch anfühlen dürfte, hat die Entwicklung für vielseitig interessierte Musikfans unerfreuliche Konsequenzen. Denn obwohl man derzeit viel über die schönen neuen Download-Welten lesen kann, die einem das weltweite Musikrepertoire schon morgen in noch nie gekannter Vollständigkeit online zur Verfügung stellen sollen, drohen derzeit vor allem Künstler und mit ihnen ihr Repertoire von der Bildfläche zu verschwinden. Alle großen Zeitungen berichteten jüngst, dasszum Beispiel der Branchenriese BMG eine Menge seiner Acts vor die Tür setzt. Das hat kaum jemand beunruhigt, handelte es sich dabei doch vornehmlich um „Größen““ wie die Ex-Superstars Juliette Schoppmann, Vanessa Truhler und Gracia Baur. Die Wahrheit ist aber, dass alle großen Firmen jetzt ihre Artist Roster durchkämmen -und dabei nicht auf die Kunst, sondern auf die Verkaufszahlen schauen.

Zwar werden manche der vom Rauswurf betroffenen Bands und Künstler von größeren Indies aufgefangen werden (und dort nicht selten eine bessere Zukunft haben], aberviele werden einfach in der Versenkung verschwinden. Dass es um die alle nicht schade ist, glauben nur Musikdarwinisten.