Don Henley


Ein Workaholic ist er wahrlich nicht. Drei Solo-Platten In zehn Jahren zeugen kaum von Arbeitswut und Ambitionen. Überlegungen seiner ehemaligen Freunde, die Eagles wieder steigen zu lassen, sind ihm ebenso fremd. Warum er lieber für sich selber brütet, verriet er ME/Sounds-Mitarbeiter Willi Andresen in Philadelphia

Die Wette war von vornherein verloren. Ich hätte die hundert Dollar auch gleich auf den Tisch legen können. Es war klar, daß der Discjockey von Philadelphias bekanntester Radiostation diese Frage stellen würde. Jeder fragt danach. Wo doch alle ergrauten Rockstars aus den 60ern und 70ern noch mal in den Ring steigen. Warum nicht auch die Eagles?

Henley beantwortet die unrealistische Hoffnung mit rhetorischer Routine: „Warum sollte ich da mitmachen ? Nenn‘ mir nur einen Grund. Es läuft doch prächtig für mich allein.“

Stimmt. Mit seiner dritten Solo-LP THE END OF THE INNOCENCE nistete sich der 42jährige Ex-Eagle wieder wie selbstverständlich in der Spitze der amerikanischen Charts ein, und das nach immerhin fünfjähriger Pause.

Nur mit drei Songs beschwört er die alten Tage herauf. „Ich war früher Mitglied einer Gruppe …“ Tosender Beifall, 7000 Fans johlen im halboffenen Rund des „Mann Music Center“ von Philadelphia. Henley kann seinen Satz nicht beenden, muß es auch gar nicht. Die ersten Gitarren-Akkorde erklingen, wie Botschaften aus einem anderen Jahrzehnt, aber immer noch frisch und vertraut: „Hotel California“, der Hit der 70er, gesungen von der Popstimme dieses Jahrzehnts. Als noch zwei weitere Eagles-Hits folgen, „Life In The Fast Line“ und „Desperado“, tanzt das nostalgiesüchtige Publikum auf den Stühlen.

Mehr Zugeständnisse an seine Vergangenheit will Henley heute nicht machen. Fast 300 Millionen Dollar setzten The Eagles in einem Jahrzehnt an Vinyl um. Sie waren die amerikanischen „Mega-Seller“ der 70er Jahre und avancierten mit Songs über Tequila, Outlaws und Desperados zum „Synonym für Amerika“.

Der Abstieg erledigte sich 1979 schneller als erwartet. Das Wunder-Team Glenn Frey & Don Henley war ausgebrannt, die langjährige Freundschaft längst zu einer kalkulierten Business-Beziehung verkommen. Seit zehn Jahren haben die zwei kaum miteinander gesprochen. „Als beide feststellten, daß sie die Eagles nicht mehr brauchten und jeder sehr gut seine eigene Musik machen kann“, resümmierte ihr ehemaliger Manager Irving Azoff 1982 über den Bruch, „war die Sache gelang fen.“ Auf den zeitweiligen Eagles-Gitarristen Joe Walsh ist Henley ebenfalls nicht gut “ zu sprechen, hält sich aber bewußt mit jeglicher dreckigen Wäsche zurück.

Den Platz von Glenn Frey hat in Henleys Band inzwischen Danny Kortchmar eingenommen. Der Gitarren-Freak und Musik-Experte, einst Mitglied der Fugs und langjährige Stütze von Jackson Browne, bastelt schon seit 1981 an Henleys Solo-Karriere mit. „Danny ist ein Musik-Fanatiker“, erklärt Henley im Laufe unseres Interview-Nachmittages. „Er hat sich als Produzent ungemein entwickelt. Ich weiß noch, wie wir damals nächtelang zusammenhockten, gesoffen und gelabert haben und den Weg für meine Solo-Karriere suchten. Danny hat das Beste aus mir herausgeholt. Während ich über der Musik brüte, macht er sie einfach. Er kauft sich viele Platten, geht nach Hause, zündet sich einen Joint an und kriecht in den Lautsprecher. Mich langweilt das. Ich höre nur noch Musik im Auto, dann aber Sachen wie Chopin. „

Kortchmar spielte und produzierte den größten Anteil auf THE END OF THE INNOCENCE. Er machte dem soften West-Coastler Dampf und empfahl auch die Mitwirkung von W. Axl Rose. Der Frontmann von Guns n‘ Roses erwies sich erstaunlicherweise als beinharter Eagles-Fan, wie er bei der gemeinsamen Session für „I Will Not Go Quietly“ verriet. „Axl ist ein großartiger Sänger“, läßt Henley wiederum keinen Zweifel an seiner Bewunderung für den umstrittenen Kollegen. Über die Musik von Guns n‘ Roses will er hingegen kein abschließendes Urteil abgeben. „Die haben von ihrer ersten LP acht Millionen verkauft“, formuliert er vorsichtig.“.Diesen Blitzstart muß man erst mal verkraften können.“

Henleys Zusammenarbeit mit Danny Kortchmar ist nicht vollkommen problemfrei, trotz einer mittlerweilen soliden Vertrauensbasis. Bei jeder Produktion flogen die Fetzen. Nach einem derartigen Zwist floh Henley vor zwei Jahren aufs Land zu Bruce Hornsby und angelte sich dort die Piano-Melodie zu seinem Hit „The End Of The Innocence“. „Ich höree nur ein paar Akkorde“, erinnert sich Henley, während sich in Philadelphia die Abenddämmerung durchs Hotelfenster schleicht. „Doch ich wußte sofort: Das war für mich bestimmt!“ Don wirkt matt und müde, und das wichtige Philly-Konzert rückt näher und näher. Doch noch immer liegen ihm Anekdoten und Stories auf der Zunge, die er unbedingt loswerden will. Henley ist ein aufmerksamer Beobachter. Die Inspirationen zu seinen neuen Songs über vergreiste Präsidenten, Sensations-Reporter und bigotte Prediger stellen sich bei der täglichen Lektüre von Zeitungen und Büchern ein. „Ich verstehe mich nicht als Polit-Sänger, sondern als einen engagierten Bürger, der zufällig im Rock-n-Roll-Geschäft tätig ist. Ich lese ständig Romane und politische Biographien; überall kann man überraschende Informationen entdecken. Es gibt viele Nachrichten, aber nur wenig Analysen. Immer nieder behaupten irgendwelche Klugscheißer, die Leute wollen keine Aufklärung. Aber müssen wir dem Volk , immer nur das geben, was es will? Verdammt noch mal: Warum geben wir ihnen denn nicht das, was sie wirklich brauchen?!“