Dunkler Denker


In den 90ern galt Busta Rhymes als kreative Urgewalt - der Mann erwartete den Welt- untergang. Inzwischen kann er durchatmen.

Esl jede Religion der Menschheit pricht von einem „Ende aller Zeiten „, der Apokalypse. Zudem gibt es neben den verstörenden Schriften des Noslradamus noch an die 200 weitere prophetische Vorhersagen, die ein derartiges Event in der Zeit zwischen dem 11. August 1999 und dem Beginn des lahres 2000 ansiedeln. Das beunruhigte auch den schwarzen HipHop-Künstler Trevor Smith (28) – unter dem Namen Busta Rhymes veröffentlichte er mit „The Coming“, „When Disaster Strikes“ und „Extincüon Level Event“ zwischen 1996 und 1999 drei Alben, die trotz gelegentlicher Party-Beats beklemmende akustische Dokumente seiner Angstzustände waren. „Ich weiß nicht genau, wann es passieren wird, aber die Monate um das lahr 2000 sind der zeitliche Rahmen, den jede heilige Schrift prophezeit hat. Das müssen wir in vollem Ernst anerkennen, weil es nicht sein kann, dass jeder damals über den gleichen Shit Witze gemacht hat“, so der in Brooklyn beheimatete Künstler noch letztes lahr in einem Interview.

Obwohl er mit der Gründung seiner eigenen Klamotten-Firma „Bushi“ weiterhin langfristige Projekte im Auge behielt, schien Rhymes tief im Inneren aufgewühlt: „Niemand weiß, was die Zukunft für einen Motherfücka bereithält. Also muss man sich mit dem schlimmsten Fall auseinander setzen. Gott behüte, wenn das Y2K-Problem einschlägt. Wenn du dann keine Essensvorräte hast, kein Land und keine Stromgeneratoren. ..“ HipHop-Kollege Chuck D von Public Enemy sprach übrigens 1999 ebenfalls von apokalyptischen Szenarien, die er als Folge einer maschinengesteuerten Roboterwelt fürchtete. Die Ängste von Rhymes jedoch kommentierte er spöttisch: „Busta Rhymes redete von dem Extinction Level Event, von einem katastrophalen ‚Bang‘. Das war neu und ganz süß. Aber man soUte schon ein bisschen recherchieren. Die endgültige Auslöschung der Menschheit wird schleichend kommen. Es wird dich langsam töten. Oder ‚killing you softly‘, wie in dem Song.“ Für Busta Rhymes jedoch war die Furcht vor dem Tod noch vor wenigen Monaten ganz konkret: “ Ich möchte nur den Wendepunkt überleben. Eine Menge Leute werden es vielleicht nicht schaffen. Ich möchte wenigstens durch das erste lahr danach kommen“, gab er einem amerikanischen loumalisten zu Protokoll. Künstlerisch beflügelte ihn diese fatalistische Erwartungshaltung. Seine Alben verliehen dem HipFlop eine bis dato fast ungekannte Urgewalt. „Ich will das Feeling jener Intensität vermitteln, das bei einem Vulkanausbruch, bei einem Erdbeben oder einem Hurricane auftritt“, so Rhymes über die Quelle seiner Inspiration. Aber mit dem Ausbleiben der Apokalypse, dem Schwinden von Bustas Paranoia, droht ebenjene Quelle zu versiegen. Mil dem Eifer des Überlebenden stürzt sich Rhymes nun in Filmprojekte (das Remake von „Shaft“ mit Samuel L. lackson, deutscher Start 26. Oktober, der Sean Connery-Film „Finding Forrester“). Sein aktuelles Album „Anarchy“ [Kritik S.54] hat folglich auch nicht den konzentrierten Zusammenhalt der Werke davor, bricht aber auch zwangsläufig zu neuen Ufern auf und macht Platz für etwas weniger morbide Themen.