Eins Zwo


Es fällt nicht eben schwer, in den glamourösen Tagen der Popkomm die Orientierung zu verlieren: Ist das noch Köln, oder sind wir schon in Las Vegas, auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten? Und dann kommen auch noch Eins Zwo daher, um der Verwirrung ein großspuriges Intro obendrauf zu setzten: „Llläääiiiidiies ähnd Dschändlmääähn!“, dröhnt eine Stimme aus den Lautsprechern, zu der sonst boxende Tiger triumphmarschieren. „Please welcome DJ Raaahhbohkie and Ole Dirty Dendemäääääähn!“. Dann geht’s ab. Das Ex-Brot DJ Rabauke legt fette Tracks auf die Teller, zu denen Daniel „Dendemann“ Larousso eloquent genäselte Wortkaskaden an seinen Rachenmandeln vorbeijongliert. Wie die rappende Reinkarnation Bob Dylans klingt er, freilich ohne daß seine Worte weltverbesserische Schwere hätten (sonst wäre er ja längst ZK-Mitglied im Freundeskreis). Eins Zwo vergessen nie, wo der HipHop herkam, bevor er von schwäbischen Mittelstandskids eingedeutscht wurde. Dendemann greift oft auf die Themen-Trias „Meine Texte, meine Mission und ich“ zurück, füllt sie aber mit eigenem Charme. Er kann seine Skillz rühmen, ohne in Rödelheimer Proletengehabe zu verfallen. Er kann seine Intelligenz im Vorübergehen zeigen, ohne auf den intellektuellen Busch zu klopfen. Die zum Großteil sehr jungen Fans danken’s ihm: Selten wurde soviel Hose von so wenigen Menschen geschüttelt (obgleich die Halle ausverkauft ist) – die Baggy Pants sind hier so groß, daß jeder Anwesende bequem noch zwei Gäste im Beinkleid unterbringen könnte. Sie lieben das Understatement, das Dendemann als geistigen Nachbarn von Tocotronic ausweist. Der tut gern mal so, als wolle er sich verweigern – zum Beispiel als Rabauke die ersten Breaks von „Liebes Logbuch“ anspielt. „Nee, mach ich nicht“, winkt Dendemann ab. „Zuviel Kommerz. Ausverkauf.“ Das kommt groß an bei denen, die Nonkonformismus in der Exklusivität ihrer Markenklamotten suchen. Noch besser kommt an, daß Eins Zwo den Song danach natürlich doch spielen. Es ist ein großer Abend für die beiden, das Resümee eines erstaunlichen Jahres. Vor gut zwölf Monaten zierte ihr Name erstmals das Cover einer EP, jetzt sind sie schon Headliner beim „Beats ’n‘ Peaces“-Fest. der Leistungsschau der deutschen Reimkultur im Rahmen der Popkomm. Es wäre ein perfekter Abend geworden, hätte Dendemann bloß auf jene Schenkelklopfer verzichtet, die er so gern anstelle von Ansagen bringt: „Wißt ihr eigentlich, daß ich mein letztes Schlüsselerlebnis bei Mister Minit hatte?“ Da fällt einem unwillkürlich das alte, weise Sprichwort wieder ein: „Schweigen ist Silber, Rappen ist Gold.“