EL & P


Sieben Jahre ist es her, seit mit drei Böllerschüssen aus einer 300 Jahre alten Kanone auf der Bühne des Isle of Wight-Festivals die Weltkarriere von Emerson Lake und Palmer begann. Vier fette Jahre mit sechs Alben, Trubel, Ruhm und Schlagzeilen, Plattengold und Pollsiegen, mit vier umjubelten Deutschlandtourneen. Drei magere Jahre, in denen Grabesstille um das Trio herrschte. Doch die vielen Gerüchte um Split und Tod der Classicrock- Bombastiker waren falsch: EL&P sind wieder voll in Aktion, bereiten in einem Trainingscamp bei Montreal ihre neue Welttournee vor und haben soeben mit „Works—Volume 1“ ein frisches Doppelalbum vorgelegt.

Dem Dreigestirn Emerson, Lake & Palmer auf der Spur war ME-Mitarbeiter Daniel Lemot. Er traf sich mit ihnen im feudalen Hotel Trianon Palace in Versailles, wo das neue Platten-Opus weltweit vorgestellt wurde, schaute (exclusiv) im Pathe Marconi-Studio in Paris vorbei, wo ELP bereits an „Volume 2“, ihrer nächsten LP arbeiteten, und vertelefonierte sündhaft viel Geld rüber nach Kanada, wo zur Stunde an die 200 Spezialisten an der neuen, gigantischen ELP-Show ’77 basteln.

Nach feuerspeienden Tarkus-Panzern, Katapulten und Laserstrahlgewittern wollen es die drei jetzt mit technologischem Größenwahnsinn erst einmal genug sein lassen. Zwar werden für jeden Musiker hydraulische Lifte konstruiert, mit denen sie während der Performance in der Versenkung verschwinden können, das Hauptgewicht liegt aber auf der musikalischen Dimension. Um Technik und Licht kümmern sich die Profis der Royal Ballet Company in Kanada. Das für die Olympiade in Montreal verantwortliche Sound-Team hat ein 36kanaliges Mixing-Board gebaut, dazu ein raffiniertes Beschallungs-System ausgeklügelt: Der Sound für die Welttournee, die im Mai in Nordamerika beginnt und im September nach Deutschland führt, soll optimal sein. Der Clou jedoch: Ein 70(!)-köpfiges Orchester, inclusive Chor, wird mit von der Partie sein. In so großer Besetzung reiste noch nie eine Rocktruppe um die Erde.

Die Fiedler, Bläser und Zupfer, mit Frack und Binder, die in zeitraubenden Einzeltests in Nordamerika zusammengeholt wurden, sind nötig, weil „Works“ vor allem auf sinfonischer Grundlage funktioniert. Neuerung eins bei dem in achtmonatiger Arbeit vor allem in Montreux aufgenommenen Werk: jeder Musiker hat eine Plattenseite ganz allein für sich, Seite vier vereint dann wieder alle.

Neuerung zwei: Keith Emerson, Rocker-Freund und Kamikaze-Pilot (selbst seine Freunde wollen kein zweites Mal auf den Co-Piloten-Sitz klettern) hat sein erstes, rein klassisches Klavierkonzert geschrieben. Unter der Komplizenschaft der Londoner Philharmoniker tremoliert der Tasten-Tarzan auf seinem Steinway grand. Die dreisätzige Komposition verrät Klasse, nur kann sich der Meister oft genug sein „dirty play“ nicht verkneifen — für Popfreunde ein wagemutiges Experiment also, für Klassik-Freaks kein reiner Ohrenschmaus.

Fünf Songs, meist Balladen, hat Sänger/Gitarrist Greg Lake mit (ex-King Crimson-) Freund Pete Sinfield ausgeknobelt. Die Lyrics haben (dank Sinfield) einen hohen Standard („…verhafte die Sonne, erschieß den Mond, die Lampe des Gelächters stirbt sehr bald…“); doch verbrach Greg auch eine entsetzliche Schnulze („C’est La Vie“) und eine schamlose Dylan-Kopie („Nobody Loves You Like I Do“). Die weiche, melodische Stimmung und das sorgsame“ Klangarrangement versöhnen jedoch bald.

Carl Palmer, mit 27 Jahren das Nesthäkchen, Sonnyboy und neuerdings verbissen im Karatetraining, hat auf seinem Zweitschlagzeug im Exil von Teneriffa allerlei ausprobiert. So überrascht der Jazzfreund („Buddy Rieh ist der größte“) mit einer Bearbeitung des russischen Klassikers Prokofieff,einer Übername vom guten alten Johann Sebastian Bach, aber auch einer Wiederaufnahme des ELP-Oldies „Tank“.

Zusammen mit Saufbruder Joe Walsh, der auch bei den Eagles nichts von seinem mörderischen Gitarrenspiel verloren hat, spielte Palmer „L. A. Nights“ ein. Er hat seine schon 1972 ausgesprochene Prophezeiung („Schlagzeuger müssen zukünftig viel musikalischer werden“) bei sich selbst hervorragend verwirklicht.

Der amerikanische E-Komponist Aaron Copland (vielleicht erinnern sich ELP-Fans an „Hoedown“ vom „Trilogy „-Album) hat mit „Fanfare For The Common Man“ wieder den Rohstoff für eine atmosphärisch dichte Kollektivarbeit der drei Musiker auf der letzten Seite von „Works“ geliefert. Ein 13minütiger Song über Piraten (Emerson/Lake/Sinfield) beschließt das ehrgeizige Projekt. Wie schon häufig bei ELP ist es allerdings der Gefahr ausgesetzt, im Wust der Einfälle zu ersticken; das Orchester der Pariser Oper bleibt dabei unterfordert.

Ganz kurios: Als Einzelmusiker haben Emerson, Lake & Palmer Beachtliches abgeliefert, jeder auf seine Art; als Gruppe klingen sie aufgesetzt, streckenweise öde. Sie werden live den Gegenbeweis antreten müssen.

Ein Geheimnis ließen sich Emerson, Lake & Palmer noch entlocken, das sie bislang noch niemandem erzählten: Auf ihrer Deutschland-Tournee im Herbst werden sie auch „Pictures At An Exhibition“ original mit Orchester aufführen. Und Emerson läßt diesmal garantiert die Messer zu Hause.