Eloy-Vibrations


Der Mann mit der Mütze hatte seine bühnenerprobte Kopfbedeckung, sein Markenzeichen, Zuhause in Hannover gelassen. Und auch sein Begleiter trug nicht die auf der Bühne üblichen weißen Socken, sondern schwarze. Frank Bornemann (Gesang Gitarre) und Klaus-Peter Matziol (Bass/Gesang), die zwei Überlebenden von Eloy auf Promotiontournee für ihr jüngstes Album COLOURS. Fällt es nicht schwer, überhaupt noch zu Presse und Funk zu reisen, bedenkt man, daß gerade Eloy zusammen mit Novalis und Jane in der Vergangenheit Hauptzielscheiben derber Kritik und böser Polemik waren?

Frank Bornemann: „Wir können uns doch nicht hinstellen und sagen: das sind alles Arschlöcher. OK: Polemik finde ich persönlich billig und primitiv. Was mich aber mehr an der deutschen Szene stört als persönliche Angriffe, ist das unpatriotische Verhalten der Presse. Wir deutschen Musiker hatten am Anfang viel nachzuholen. Uns fehlt eben die ganze Tradition des anglo-amerikanischen Sprachraumes. Und eine solche Entwicklung kann man doch nicht vorantreiben, indem man die Leute dauernd in den Sack haut! Man muß das Pflänzlein begießen. Und wenn man eine Gruppe halt nicht mag, soll man sagen, ,nür gefällt das nicht,‘ aber die Gruppe dann eben in Ruhe lassen. Basta!“

Wenn auch die deutsche Presse das Pflänzlein Eloy nicht gerade üppig begoß, ist es doch zu einer stattlichen deutschen Eiche emporgeschossen.

700.000 verkaufte Tonträger wies eine vom Kölner Plattenlabel Harvest erstellte Publikation Anfang dieses Jahres aus. Allein 165.000 Exemplare von OCEAN waren über die Ladentische gewandert. Eloy ist damit eines der bundesdeutschen Phänomene, die sich niemand so recht erklären kann. Was verkaufen Eloy ihren Fans? Rock’n‘-Roll ist es nicht! Pures Entertainment erst recht nicht. Eine Philosophie? Ein akustisches Fluchtangebot aus dem tristen Alltag?

Es wird Zeit, daß der Spiritus rector der ansonsten demokratisch geführten Gruppe (meint gleichberechtigte Mitglieder!), Frank Bornemann,‘ einmal ein paar Worte über das Eloy’sche Selbstverständnis verlieren darf: „Wir möchten drei Musikwelten miteinander verquikken: Meditation, Symphonik und Rock…“

EEinen Moment bitte, langsam. Laß mich versuchen mitzudenken: wenn man die drei Begriffe konkretisiert, müßte es heißen: Rock gleich Rhythmik, Symphonik gleich Arrangement und Meditation gleich Charakter’Feeling? Frank Bornemann: „Ja, kann man sagen. Die Meditation ist dabei sehr wichtig. Der ist die Seele, sind die Schwingungen.“ Hier taucht es zum ersten Male auf: Schwingungen, eines der Lieblingsworte des Gitarristen. Um es international verständlich zu machen, vibrations. Die menschlichen vibrations in derBand müssen stimmen, die Schwingungen zwischen Band und Publikum dto. Und was da hauptsächlich transportiert werden soll, sind Emotionen. „Wir stecken Emotionen in unsere Musik hinein, also wollen wir auch welche auslösen.“

Und welche Emotionen anno ’80 wieder angesagt sind, weiß Bornemann: „Die Leute heute suchen entsprechend dem Zeitgeist so etwas wie eine innere Ruhe. Sie sind auf der Suche nach einer Zufriedenheit, einem Zustand ohne Streß, ohne ständig gefordert zu sein.“ Die meditativen Passagen der Eloy’schen Musik,«ollen da Wunder bewirken. Aber gerade der Begriff Meditation erlaubt Interpretationen in verschiedenen Richtungen: Man kann ihn weiterverfolgen in Richtung Eberhard Schoeners Arbeit, also auf der Trance-Schiene, der Urvölker -Naturbasis, um es einfach zu fassen. Man kann aber auch in Richtung Poona weiterdenken, und da wird es mehr als negativ. Frank: „Ganz so dramatisch möchte ich das gar nicht sehen. Bei uns gibt es schlicht Musikpassagen zum Entspannen, wo die Gedanken wegfliegen können.“ Und damit rechtfertigt Bornemann auch die ach so kritisierte Stilform, die Eloy auf die Bühne bringen: „Das Gebiet der Rockmusik ist nicht mit dem R’n’R allein abgedeckt. Durch Gruppen wie Jethro Tull, ELP oder Genesis hat die Rockmusik Anfang der Siebziger neue Dimensionen erfahren. Es wäre schade, wenn diese heute gänzlich unter den Tisch fallen würden, diese Entwicklungen nicht weiterverfolgt würden. Klar, ich hatte mit Eloy das Glück, niemals meinen musikalischen Standpunkt überdenken zu müssen. Ich hatte Erfolg mit meiner Musik. Was Schöneres kann einem Musiker nicht passieren. Ich war, was die Musik betrifft, immer Idealist. Und konnte es bleiben. Von daher ist die Musik ehrlich und emotional stärker als kalkulierte Chartsmusik.“

So ist denn auch keine aggressive Musik bei Eloy angesagt. Ihren Fans soll es nicht aus den Boxen entgegenhämmern.“ „Zu unserer Musik setzt man sich wohl hin und hört zu“, mutmaßt Matziol. Und Bornemann führt die Idee fort: „Unsere Platten hört man nicht auf irgendeiner Party. Oder in Diskotheken. Unser Fan ist 16, 17. Ein Typ, der sich seine Freundin schnappt und sagt: .laß uns dufte Musik hören‘ Und legt-dann ’ne Eloy-LP auf. Eloy-Musik, das ist eine sehr persönliche Sache. Eine Musik für andere Stunden. Und ich wünsche mir, daß es keine LPs sind, die man nach ein paar Monaten in die Ecke stellt. Die meiste Musik heute ist banal, schnellebig und oberflächlich. Auch rebellisch. Aber nur an der Oberfläche. Wir ziehen die stille Revolution vor. Die innerliche.“ Das klingt aber sehr nach einer späten Hippieideologie? „Ja, ich glaube, die Leute brauchen das wieder.“

Mit den neuen Leuten sind sie im September auf Tournee im europäischen Ausland. Im Oktober können sich dann die Fans in Deutschland von den Veränderungen bei Eloy überzeugen. Und die Kritiker. Frank Bornemann hat konkret an einigen aufgetauchten Vorwürfen gearbeitet, der zu statischen Präsentation auf der Bühne soll durch die Arbeitsteilung zwischen Frank und dem zweiten Gitarristen Hannes Arkona entgegengewirkt werden. Schlagzeuger Jim McGillivray sorgt für die richtige Idiomatik in den Texten und einen strafferen Beat. Und mit Hannes Folbert ist nun ein echter Pianist dabei, der nicht nur Klangflächen streuen kann.

Nach der Tournee sprechen wir uns dann wieder, Frank!