Interview

Feine Sahne Fischfilets „Wildes Herz“-Doku ist viel näher an dir dran, als du glaubst


„Wildes Herz“ erzählt nicht nur von Punks und Nazis, sondern vom Menschsein. Die Dokumentation über Feine Sahne Fischfilet lief im April in ausgewählten deutschen Kinos – und ist nach Chemnitz und während Diskussionen über die Band so aktuell und wichtig wie eh und je.

Die Eltern sind die heimlichen Helden

Schnitt: Videobilder von einem verwüsteten Bahnhof in Stendal. 2006 war das, Monchi ist zwar nicht im Bild, aber aktenkundig: Er hat ein Polizeiauto angezündet. Gewalt zumindest als Option des politischen Widerstands schließt er bis heute nicht aus. Er sagt es auch in die Kamera. Feine Sahne Fischfilet wurden einige Zeit vom Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern beobachtet, diese Farce handelt der Film eher nebenbei ab. Kritikern dient diese Tatsache aber immer noch als Totschlagargument.

Und dazwischen sieht man immer wieder seine Eltern auf der Couch sitzen, sein Zuhause, und zum Beispiel davon erzählen, wie sie ihren minderjährigen Sohn aus dem Polizeigewahrsam in Dortmund abholen mussten. Sie wussten gar nicht, dass er mit im Fan-Zug gesessen hatte. Jetzt also abholen; sechs Stunden Autofahrt – einfach!

Dieses Couch-Bild sagt: Biedermeier. Aber das Bild täuscht. Die Eltern sind die heimlichen Helden von „Wildes Herz“.

Charly Hübner lenkt in unserem Gespräch den Blick darauf, dass der oppositionelle Geist schon von Grund auf in dieser streitbaren Familie angelegt ist: Die Gorkows waren zu DDR-Zeiten protestantische Kirchgänger und führten zudem ein Privatunternehmen – das galt durchaus als nicht linientreu dem DDR-Regime gegenüber. Den wichtigsten Punkt macht aber Sebastian Schultz deutlich: „Monchi hatte das Glück, dass er sein Zuhause behalten konnte.“ Diese Geschichte hätte echt ganz anders ausgehen können. Zu wildes Herz.

Monchi war früher kein großer Musikfreund

Monchi weiß das selbst am besten. „Meinen Eltern war immer klar, dass sie zu mir stehen. Aber ob ich zu ihnen stehe … das stand in den Sternen. Ich war wirklich der größte Bastard, das bin ich vielleicht heute noch.“ Er erzählt davon, wie er seiner Familie den Film zum ersten Mal vorgeführt hat und dann auch gleich seinen Song für sie: „Niemand wie ihr“. Dieser Titel sagt alles. Aus diesem Abend kam keiner mit trockenen Augen raus.

„Ich bin der Musik so dankbar dafür, solche Dinge ausdrücken zu können“, sagt Monchi, der früher eben nicht nur ein Bastard war, sondern auch kein großer Musikfreund. Und diese Musik, ihr ziemlich konservativer Punkrock mit den Tröten, schenkt Feine Sahne Fischfilet nun auch die Öffentlichkeit, sich für ihre Sache, die lebensbejahend liberale, humanistische, optimistische, die mit den heruntergelassenen Hosen, einzusetzen.

Ein nicht unwesentlicher Teil von „Wildes Herz“ begleitet Band und Crew auf ihrer „Noch nicht komplett im Arsch“-Kampagne 2016 gegen den Rechtsruck durch Mecklenburg-Vorpommern, im Vorfeld der dortigen Landtagswahl. Sie veranstalten Vorträge, Fußballturniere, Konzerte, holen Campino und Marteria mit ins Boot: Ausnahmezustand in Anklam! Beim „Wasted In Jarmen“, einem eigenen Dorffestival in Monchis Heimatstädtchen, steht dann seine Lehrerin wieder im Bild und lächelt, bevor es am Abend kracht, wie es noch nie gekracht hat in Jarmen. Für einen Tag Utopien aufzeigen. Zonen besetzen, die Rechte für „national befreit“ erklärt haben. Und dann für noch einen und immer mehr.

Mit ihrer Power stecken sie Fans quer durch die ganze Republik an

Feine Sahne Fischfilet sind allerdings immer noch weit entfernt davon „Volkshelden“ zu sein in ihrer Heimat, in der die AfD schließlich mit 21 Prozent in den Landtag stürmte, sagt Monchi. Und er berichtet davon, wie er vor einigen Wochen in einer Rostocker Einkaufsstraße von einem Paar um die 50 angespuckt wurde. Er saß nur da und wartete auf einen Freund. „Die hätten meine Eltern sein können.“ Er zuckt mit den Schultern.

Aber genau solche Erfahrungen haben diese Band stark gemacht für den Widerstand. Mit ihrer Power und ihrer Botschaft stecken sie längst Fans quer durch die ganze Republik an. Stichwort „Zecken“.

Charly Hübner kann das noch besser erklären – nachdem er eben selbst ordentlich was abbekommen hatte von dieser „Explosion“ der Rechten, wie er sagt, nach dem Zerfall der DDR: „Danach hat sich alles subtiler vernetzt, und diese Jungs wurden aus einer dominanten Haltung damit konfrontiert: ,Entweder du bist für uns oder gegen uns!‘ Sich da zurechtzufinden, mit 10, 13 oder 16, das ist komplett schwer. Und sich tatsächlich zu entscheiden für die viel schwierigere, die nicht-rechte Option, das schweißt dich zusammen und erfordert eine besondere Form von Intelligenz. Deshalb hat das auch eine andere authentische Kraft als dieses Theoretische, Grundsätzliche, Aufklärerische. Das ist gelebte Opposition.“

„Wildes Herz“: Trailer zur Doku

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