Frisches Öl in alten Schläuchen: Midnight Oil blicken zurück


BOSTON. Was kann einem Rock n Roller an einem Freitagabend besseres passieren als ein spontaner Clubgig mit Midnight Oil? Nur weil die Band gerade zufällig in der Stadt ist. Null Tourstress. keine unbekannten neuen Songs, ein 600 Seelen fassender Club und 100 dynamische Minuten lang Hits wie „Dreamworld“, „Blue Sky Mine“‚ oder „Beds Are Burning“. Was die fünf Australier im Bostoner „Paradise Club“ boten, war Manna für Adrenalinjunkies — und Gift für den Rezensentengriffel: Erneutes Lob über Oil-Songs von gestern zu träufeln hieße noch einmal Steffi Grafs Grand-Slam-Erfolge zu würdigen. Es würde der Band nur den notwendigen Blick voraus verstellen. Und der ist mit dem neuen Live-Album ohnehin schon rückwärts gerichtet.

Frontmann Peter Garrett ist wie immer der Treibriemen der gutgeölten Dampfmaschine. Mit den ihm eigenen, asynchron durch die Luft rudernden Armbewegungen sieht er schon bald wie gutabgeschwitzter Zitteraal aus. Kleine Schweißbäche beginnen von der markanten Glatze herab ihre lange Reise an dem ärmellosen T-Shirt und orangenen Pluderhosen vorbei zum Bühnenboden. Die Hitze im drangvollen „Paradise“ scheint weder Garrett noch den Fans etwas anzuhaben: Aufs Stichwort beginnen sie mitzusingen, als habe man es vorher geprobt.

Klar, Garrett hält auch an diesem Abend eine flammende Rede gegen Politikerfilz und die Umweltsünder in der Bush-Regierung. Doch der Appell ist kurz; heute abend ist er (fast) nur Rock ’n‘ Roller. Der freilich auch erstaunlich dezente, nur von zwei Akustikgitarren begleitete Töne anklingen läßt, u.a. mit „Bernie“ (ungenannt als 13. Song auf der Live-LP enthalten).

Fazit: ein Konzert wie aus dem zum Bestseller gewordenen Midnight Oil-Bilderbuch“ Doch sollten die Oils bald ein neues Kapitel aufschlagen. Der Lorbeer vergangener Tage beginnt an den Rändern zu verwelken.