Früchte des Zorns


Der aus Kroatien stammende Nlrvana-Bassist Chris Novoselk sucht eine Erklärung: Warum regiert in Ex-Jugoslawien der blinde Haß?

Pie Menschen in Jugoslawien lebten 40 Jahre lang mehr oder weniger friedlich zusammen. Religiöse und nationalistische Tendenzen — die ja eng zusammenhängen — wurden durch das sozialistische Regime in Schach geholten. Es gab unzählige .Mischehen“ zwischen Serben und Kroaten. Das Merkwürdige ist, daß sich Kroaten und Serben in vielem ähnlich sind. Sie sprechen die gleiche Sprache, nur mit unterschiedlichem Akzent, vergleichbar etwa den Abweichungen zwisehen dem amerikanischen und britischen Englisch. Natürlich gehören sie unterschiedlichen Religionen an: Kroatien ist größtenteils katholisch, Serbien dagegen griechisch-orthodox, weshalb dort auch das kyrillische Alphabet verwendet wird. Außerdem gibt es gewisse kulturelle Unterschiede, aber das alles kann diesen Haß nicht rechtfertigen. Die jugoslawische Regierung war nur eine weitere osteuropäische Möchtegern-Diktatur. In Slowenien und Kroatien wurde der Löwenanteil des Bruttosozialproduktes erwirtschaftet, aber niemand dort profitierte davon. Die Inflationsrate stieg mit jedem Tag, beim Einkaufen mußtest du eine Schubkarre voll Geld mit dir herumtragen. Die Regierung in Belgrad pumpte 70 bis 75 Prozent der Steuergelder in den Militärhaushalt und die Rüstung, wahrend der Durchschnittslohn eines Arbeiters bei 300 Dollar monatlich lag. Die Menschen wollten nichts weiter als nach westlichen Standards leben — schließlich arbeiteten sie hart, warum sollte ihr Geld in Raketen für die Dritte Welt umgesetzt werden und zum Schluß in den Kassen des Militärs verschwinden? Das Militär hätte sich mit dem Verlust eines solch großen Teils seiner Pfründe nie abgefunden, schließlich gab es in Slowenien und Kroatien nicht nur profitable Industrieanlagen, sondern auch viele Touristen, die jede Menge harte Devisen im Land ließen. Also wurde an die nationalistischen Gefühle der serbischen Minderheit in Kroatien appelliert; Die Kroaten werden euch umbringen, alles wird wieder so sein wie damals ‚tm Zweiten Wellkrieg. Verteidigt euch, bevor es zu spät ist, bevor sie über euch herfallen wie früher die Deutschen. Die Leute fielen auf diese Propaganda herein. Dann gab es die ersten Opfer, Dörfer brannten, Greueltaten auf beiden Seiten, und das ganze entwickelte sich zu dieser schrecklichen Orgie des Hasses — Auge um Auge, Zahn um Zahn.