Gar nicht alltäglich


Und weil Erdmöbel daran so ernsthaft festhalten, werden sie immer besser.

Die Pause dauerte nicht so lang, knapp drei Jahre. Trotzdem ist dies eine gute Gelegenheit, uns Erdmöbel gewissermaßen neu zurecht zu rücken. Letztes Lebenszeichen der Kölner Band, 2007: das Album NO. 1 HITS. Die Entstehung dieser nur auf den ersten Blick schrulligen Platte hatte „sehr viel mehr Arbeit gemacht, als wir erwartet haben. Wir haben gemerkt, das ist sehr interessant und haben’s dann auch superwichtig genommen“, sagt Sänger und Texter Markus Berges. Tatsächlich vermochte es die Band, nicht nur die Lyrics zu übersetzen, sondern die kompletten Songs, „vor denen wir uns normalerweise ekeln“ (Bassist und Arrangeur Ekki Maas) zu ihren und unseren neuen Lieblingsliedern. „Wir hatten selbst erwartet, dass es relativ glatt rüberkommt“, erzählt Keyboarder Wolfgang Proppe, „doch die Leute haben gesagt:, Boah, ist das schräg.'“

Aber was machen Erdmöbel anders? Was ist das für eine Band? Sie öffnet den Pop von innen, spürt ihm nach und füllt ihn neu aus. Und was sie dabei lernt, begreift und verinnerlicht, macht sie nur noch feinsinniger, gescheiter, besser. Der Beweis für diese These nennt sich KROKUS. Es ist ihre bislang beste Platte, und sie haben schon fünf, sechs ziemlich gute. Gegen die Unterstellung, Erdmöbel seien unverbesserliche Melancholiker, strotzt sie vor Kraft, Spannung und Munterkeit. Sie tut das in Berges Texten, die in ihrem Gefühl für Poesie in den Bagatellen und Nebenwegen und im so bild- und klanghaften Umgang mit der deutschen Sprache längst eine eigene Klasse erreicht hat. Und in der Musik, Erwachsenenmusik im besten Sinne, seit ehedem das „Gegenteil von breitbeinig“, wie sie sagen – in Bossa Nova, Jazzbass-Kapriolen, Querflötentönen, schwierig zu meisternden Taktarten und Metren.

Was das für eine Band ist? Markus Berges sagt: „Es gibt 1000 Anliegen, die man in der Popmusik haben kann – wie Stil oder jugendliche Lebensfreude oder so. Aber bei uns ging es von Anfang an um Songs, das heißt um Geschichten, um Gefühle, um eine andere Sprache als die Alltagssprache. Ich würde das auch nicht, entspannt‘ nennen, gar nicht – es geht ja gerade darum, Spannung zu erzeugen.“

Diese auch über die lange Distanz zu halten, das war eine der großen Aufgaben, denen sich der Sänger neben der Arbeit am neuen Album zu stellen hatte: Markus Berges schrieb nämlich seinen ersten Roman. „Ein langer Brief an September Nowak“ erzählt die Geschichte eines jugendlichen Taumels entlang der Mittelmeerküste, die „ich schon lange mit mir rumgeschleppt habe“. Der Autor war unterwegs auf Recherchereise, an allen Orten des Buches. Obwohl sich im Roman vieles auf der Traumebene bewege, im Spielerischen, Ungefähren bleibt, „wollte ich eine realistische Schreibweise hinbekommen, durch die man sich die Orte möglichst gut vorstellen kann“. Man kann. Und man könnte bei diesem ausgezeichneten Buch sogar wunderbar auf das werbeträchtige Vehikel „Sänger der Band XYZ schreibt seinen ersten Roman“ verzichten.

Ekki sagt: „Ich fand es immer schade, dass wir uns bemühen mussten, Markus‘ literarisches Talent nicht so in den Vordergrund zu stellen. Weil es uns wichtig ist, dass man das nicht auseinander rupft: die Musik und die Texte.“ Und Markus sagt: „Es ist ja tatsächlich so, dass unsere Texte auch Musik sind – sie würde ohne das Musikalische des Textes nicht funktionieren. Und insofern ist es auch keine Literatur, mal abgesehen davon, dass Literatur, wenn sie gut ist, auch eine musikalische Ebene hat.“

Albumkritik S. 110

Buchkritik S. 133

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