Ghetto GmbH


Regisseur, Autor, Schauspieler, Geschäftsmann und seit neuestem auch Label-Manager - die Frontfigur des schwarzen Films ist zum multimedialen Arbeitstier geworden. Zeit für eine Bilanz.

„Jungk Fever‘ hl auch ein Film über den schwachsinnigen Mythos, daß schwane Männer lange Schwänze haben.“ Spike Lee hackt angriffslustig ins Mikrofon, wenn er spricht. Hört er zu, liegt sein Kopf im Nacken, die wachen Augen zu Schlitzen verengt. Eine dumme Frage, und der Mann klappt sich aus wie ein Messer. Etwa, warum er, der Filmkämpfer für alle „schwarzen Brüder“, eine eigene Merchandising-Boutique betreibt, mit Preisen die Harleni-Kids kaum be-rappen können? Vielleicht hat man noch Zeit für den Nachsatz, daß man mit derlei materieller Yerführungskunst die kriminelle Energie der jungen Kids ganz unhrüderlich anheizt. Dann allerdings redet bloß noch einer: Spike Lee, der Mann, der Hollywood einen neuen Absatzmarkt, Schwarz-Amerika eine neues Selbstbewußtsein und sich selbst ein geregeltes Einkommen verschaffte, l’nd der daran interessiert ist. daß seine „message“ auch weiterhin angehört wird.

Dazu sind ihm viele Mittel recht. Provokation. Plakativität. Popularität. lud natürlich auch Geld. Wenn er gerade keinen Film macht, veröffentlicht er Bücher oder dreht Music-Videos. Für „Nike“ ließ er in TV-Spots seinen „She’s Gotla Have It“-Charakter Mars Blackmon wieder aufleben. Auch der bereits erwähnte Filmdevolionalien-Handel „Spike’s Joint“ floriert blendend. Aktuellster Ausflug in die Grau/one von Bewußtsein & Barem: ein Musie-Label. l’nter der Oberherrschaft von Sony Music sucht Lee nach schwarzen Musikern, die unverfälsete« Klänge produzrefen. Erste Veröffentlichung: „State Of Art“ ein Duo in der Art „Soul II Soul meets The Family Stand.“ Spike Lee, der Erfolgsmensch? „Ich weiß, das spaltet die Gemeinde. Seht mal, sagen die weißen Arschlöcher, der predigt Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit. Dabei sieht er aus wie mein Broker. Yeah, Mann, kann ich da nur sagen, ich war auf der Universität, stamme aus dem Mittelstand. Wieso soll ich also aussehen, als ob ich mir mein Essen aus dem Mülleimer besorge?“

Diskretion, Milde und Bescheidenheit gehören nicht zu den Kardinaltugenden Lee’s. Für ihn gibt es dazu auch keinen Grund: „Wir waren viel zu lange viel zu leise und machtlos. Das ist vorbei. „

Nola Darling sei Dank. Mit mühsam aufgebrachten 175 000 Dollar drehte er 1986 die Geschichte der Frau mit dem gesunden Bedürfnis, gleich drei Männer an ihrer Brust zu nähren: „She’s Gotta Have It“. Einspielergebnis acht Millionen Dollar. Über Nacht war Spike Lee in seiner Dreifaltigkeit als Autor, Darsteller und Regisseur das schwarze Kalb, das Hollywood schlachten wollte. Lee aber war gewarnt. Schon einmal hatte das schwarze Kino in den USA eine trügerische Blüte erlebt: Gordon Parks löste Anfang der 70er Jahre mit seinen „Shaff‘-Filmen eine kurze Phase schwarzer Leinwand-Präsenz aus. Schnell aber domestizierte der weiße Kommerzbetrieb das erwachende schwarze Selbstbewußtsein wieder, indem er blutleere farbige Plüschhelden zu Entertainment-Marionetten für ein hauptsächlich weißes Publikum zurechtbosselte. Spike Lee erstickt derartige Methoden im Keim. Zwar kooperiert der clevere Kleinwuchs mit Hollywoods Major-Studios, behält sich aber die absolute Kontrolle über seine Filme vor.

So präsentierte Spike Lee nach seinem erfolgreichen Debüt mit „School Daze“, „Do The Right Thing“, „Mo Better Blues“ und nun Jungle Fever“ sehr unterschiedliche Werke. Mit einer Gemeinsamkeit: sie erzählen alle konsequent aus der schwarzen Perspektive. Das ist neu in Hollywood, vor allem aber erfolgreich. Spike Lee ebnete einen Weg, der sich in nackten Zahlen ausdrücken läßt: 1991 starten in den USA 19 Filme von afro-amerikanischen Regisseuren. Und 59,6 Prozent der Farbigen gehen laut aktueller Umfragen regelmäßig ins Kino. Was heißt: Schwarze Identität im Kino, harte Dollars an der Kasse. Eine Sprache, die Hollywood versteht. Und ein Druckmittel für Spike Lee im Kampf um seine Unabhängigkeit „Ich will kein Geld, um ein saturiertes Arschloch zu werden, sondern um die Macht zu bekommen, uns letztlich überall zu repräsentieren. Sehen Sie sich Ed Murphy an, der hat mit seinen Filmen Paramount saniert und kann nicht mal dafür sorgen, daß dort ein paar Brüder Jobs bekommen!“