Heinz auf hartem Kurs: „Draufgänger“ Kunze forciert erneut das Tempo


EMDEN. Sturm über Fnesland war angesagt an diesem Abend Ende Januar, und der Hurricane „Heinz“ hielt in Sachen Härte alles, was sein jüngstes Album „Draufgänger“ versprochen hatte.

Kunze live, das stand lange für eine eher feuilletonistische Mixtur aus Song, Chanson, literarischem Kabarett und politischen Pointen. Mit der „Draufgänger“-Tour geht Heinz Rudolf Kunze nun aber auch konzertmäßig konsequent auf einen neuen Kurs. Sein erklärtes Credo, daß klassischer Hardrock mit intelligenten deutschen Texten nicht nur möglich ist, sondern sogar brillant sein kann — hier bewies er’s in satten zweieinhalb Stunden.

Perfektion regierte von Beginn an, und zwar in bestem Sinne des Wortes. Schon als Kunze als „Einziger ehrlicher Mensch auf der Welt“ die technisch dick bepackte Bühne betrat, stimmten Sound und Licht bis aufs i-Tüpfelchen. Präsent, durchsichtig und packend sägte sich die Band durch das eher sperrige Stück und setzte mit viel Druck die stilistischen Eckpfeiler des Abends. Damit war der frostigen Mehrzweckhalle schon mal der Schrecken genommen.

Selbstbewußt und mutig verließ sich Kunze voll auf die neuen Songs und geizte dafür um so mehr mit den eher radiotauglichen „Hits“. Ganz klar, hier gab es eine Premiere zu sehen/hören, und der Saal zog mit. Zum Intro von „Draufgänger“ wippte das Publikum schon wie bei AC/DC, manche wohl leicht ungläubig angesichts der forschen Gangart, aber viel Zeit zum Luftholen war eh nicht, denn das rasende Tempo hielt unvermindert an.

Erst beim zackigen „Held der Arbeit“ gab’s eine leichte Verschnaufpause, denn Kunzes exzellentes Bläser-Quartett, die wohlerprobte „Rumour Brass“, betrat die Bühne. Stilgerecht mit Grubenlampen angetan, räumten sie emsig eine überdimensionale Styropor-Mauer hinweg und stießen anschließend saftig ins Hörn:

Zweifellos ein erster Höhepunkt.

Bei der danach äußerst geschickt plazierten Ballade „Alles gelogen“ konnte die komplette Band dann sämtliche Sound-Register und -Facetten ziehen, allen voran die Gitarristen Heiner Lürig und Martin Huch (hier mit Steel Guitar), deren Soli ebenso mitreißend wie abwechslungsreich waren. Natürlich entpuppte sich „Lebend kriegt ihr mich nicht“ als die große Neil-Young-Hommage, die live dank Lürigs Saiten-Höhenflügen noch erheblich mehr Feuer entfalten konnte als in der Vinylversion.

Doch diese erstaunlichen stillen Reserven hatte Kunzes neues Härte-Konzept bei allen seinen Mitmusikern aktiviert. Noch nie konnte man Drummer Peter Miklis so entspannt, druckvoll und treibend erleben, das geheime Kraftwerk der Kunze-Band. Auch Josef Käppis Baß pumpte mehr als mächtig, und Thomas Bauer entwickelte mit fettem Hammond-Sound delikate KeyboardAkzente. „Leck mich doch“ pflügte sich dann mit wahrhaftig erdigem Rhythm & Blues-Touch durch eindeutig deutschen Boden, aber das ist bei diesem Mann ja wohl auch so beabsichtigt. Fast wirkten nun Kunzes (sparsame) Zwischentexte ein wenig fremd in diesem Power-Kontext, doch seine gallig hinterhältige Rede „Ich war immer Rassist“ hatte alles von der alten Schärfe: Worte wie Salzsäure.

Auch am gewohnten Piano nimmt er noch für ein paar balladeske Ehrenrunden Platz, doch seine wahre Liebe gehört heute dem Rock ’n‘ Roll bis zum Anschlag. Wer in der Vergangenheit immer noch leise

Zweifel an Kunzes diesbezüglicher Kompetenz hatte, mußte an diesem Abend wohl oder übel die Segel streichen.

Und Kunze selber scheint zu spüren, daß er richtig lag, denn noch nie wirkte er so locker, behende, überlegen. „Draufgeher oder Draufgänger“? Mit dieser rundum kraftstrotzenden Rock-Form haben Heinz Rudolf Kunze und seine Jungs ihr Überlebens-Elixier gefunden.