Herbert Grönemeyer


Überflüssiges Show-Gehabe ist Herbert fremd. Dafür macht Grönemeyer, die Kultfigur aus dem Kohlenpott, aus einem Zweistunden-Konzert eine Greatest-Hits-Parade, die er mit der professionellen Lässigkeit des abgeklärten Routiniers aus dem Ärmel schüttelt.

Massenweise Menschen, die sich still und ergriffen ein Lied über Inzest anhören, kurz nachdem sie bei „Männer“ mit ihrem Stampfen den Hallenboden erzittern ließen — das gibt es nur bei Hörbi, der Kultfigur aus dem Kohlenpott. Grönemeyer präsentiert seine neue LUXUS-Liveshow — stets aktualitätsbewußt — als schweißtreibenden Rundumschlag, der kein Thema ausläßt. Und das macht er mit einer lässigen Antistar-Attitüde, die ihn als echten Entertainer des Sozial-Rocks durchgehen läßt.

Grönemeyers Musiker, hervorragend aufeinander eingespielt und von der Technik gnädigerweise mit exzellenter Aussteuerung bedacht, geben ihm lückenlosen Halt, peitschen das Tempo und brillieren mit guten solistischen Leistungen, so daß sich die Show trotz der oftmals ein wenig bremsenden Texte trotzdem zum Rock-Spektakel entwickelt. Gleich mit dem Opener „Hartgeld“ legt die Mannschaft einen Drive ein, den auch die hie und da eingestreuten Balladen nicht mehr sloppen können und der auch den eher zurückhaltenden Chef der Truppe anzutörnen scheint. Doch meist verschanzt sich Grönemeyer wie gewohnt hinter dem Piano, wohl wissend, daß seine Ausflüge an die Rampe auch mit neuer Frisur und neuem Anzug keinen Rod Stewart aus ihm machen.

Aber der Mann hat schließlich andere Qualitäten: Er besitzt Autorität.

Wer sonst könnte einen Song voller ehrlicher Entrüstung mit den Worten ankündigen “ Und jetzt ein Lied über die Behandlung und Darstellung von Frauen in Video-Clips“ und dafür auch noch beifälliges Geheul ernten? Und so hakt er alles ab: Wiedervereinigung und Beziehungskisten, Freunde und Rassenhaß. Yuppies und Dummies. Und eben auch Inzest („Sie“‚). Grönemeyer geht diese Themen mit unverbrüchlichem Selbstbewußtsein an. Das Publikum honoriert das. Und er könnte ihm alles auftischen mit seiner hypnotischen Ausstrahlung, die sich weder auf suggestiven Sex noch auf diktatorische Lautstärke stützt. Hin und wieder, wenn er wie in „Männer“ operettenhaft übertreibt, blitzt manchmal sogar so etwas wie Selbstironie auf, die Hörbi ansonsten stets abgeht.

Auch sein Bühnen-Ambiente wirkt eher wie ein säuerliches Zugeständnis an die üblichen Rock-Bräuche. Das Licht leuchtet trotz aller Farben recht sachlich; die Musiker bewegen sich zögernd, und nur wenn die Gitarren sich gegenseitig zu paßgenauen Höhenflugen emporhangeln, droht ein Hauch von Chaos. Doch genau davor schreckt Grönemeyer zurück — schnell sucht er wieder den sicheren Klavierhocker auf und schickt lieber „Kinder an die Macht“. Das kann er sich aber leisten, denn ihm steht inzwischen ein beachtliches Repertoire zur Verfügung.

Und so wird aus dem Zweistunden-Konzert ganz locker und nebenbei eine Greatest-Hits-Show, die von neuen Rockern wie „Deine Liebe klebt“ bis zu Klassikern wie „Bochum“ reicht. Dabei wird er nicht müde, immer wieder zu betonen, daß er eigentlich mit all diesem Jubel nicht recht umgehen könne, daß er keine Anekdoten draufhabe und immer ein wenig hilflos sei. Und wahrscheinlich stimmt das sogar. Kein Show-Gehabe ist mitunter eben doch die bessere Alternative.