„Ich Bin Keine Schönheitskönigin“


Zum Geldverdienen spielt sie auch mal in einem Mainstream-Streifen. Ansonsten gehört Uli Taylors Herz dem Indie-Film.

Lili Taylor und Julia Roberts haben genau eine Sache gemeinsam: Beide wurden in dem harmlosen Lustspiel ‚Pizza, Pizza‘ 1987 zum ersten Mal von einer breiten Kino-Öffentlichkeit wahrgenommen. Seitdem hat sich Julia Roberts zu einer Art Schneewittchen Hollywoods entwickelt. Und Lili Taylor? Die ist das, was der Filmfreund gerne „Charakterdarstellerin“ nennt. „Mir ist schon klar, daß ich keine Schönheitskönigin bin“, sagt Lili Taylor. „Aber das ist kein Problem für mich, im Gegenteil, für meine Arbeit sehe ich darin eher eine Chance und Herausforderung.“

Tatsächlich wirkt Lili Taylor immer ein wenig wie das Liebchen eines Kleinganoven oder die Schwester des Dorfschlägers. Ein wenig gedrungen, die Augen dunkel umrandet, der Lidstrich stets leicht verschmiert: Die Vorstadt läßt grüßen. Doch die Energie und Intensität, mit der die 28jährige aus Chicago an ihre Rollen herangeht, haben sie zu einer der großen amerikanischen Independent-Hoffnungen gemacht. Auch wenn ihre Beteiligung am krawalligen Action-Thriller ‚Kopfgeld‘ mit Mel Gibson und Rene Russo darauf hindeutet, daß sie vor dem kommerziellen Hollywood keine Berührungsängste kennt. „Natürlich sind mir Filme wie ‚Girls Town‘ und ‚I Shot Andy Warhol‘ näher“, sagt sie, und ihre Stimme klingt dabei, als sei sie als Backgroundsängerin für Joe Cocker die ideale Besetzung: „Aber irgendwo muß ich ja auch mal Geld verdienen.“ Klar. Indie-Produktionen wie die verfilmte Lebensgeschichte der Warhol-Attentäterin Valerie Solanas mögen zwar Anerkennung bringen, Riesengagen kassiert sie dafür nicht.

Aber immerhin Preise. Etwa den Special Award für die beste Hauptdarstellerin beim Sundance Festival 1996, dem wichtigsten Independent-Filmfest in den USA. „Das ist ganz schön, aber nicht unbedingt mein Gradmesser für Erfolg“, winkt Lili Taylor ab. „Ich wollte diese faszinierende Frau, Valerie Solanas, in den Griff bekommen. Eine Person, die in ihrem feministischen Manifest S.C.U.M. einen unglaublichen Sinn für Humor bewies, was oft vergessen wird. Und die dann langsam in ihr persönliches düster-bedrohliches Schattenreich hinüberdämmerte.“ Lili Taylor verspürt eine gewisse Sympathie für diese Frau, die auf ihr einstiges Idol Andy Warhol am 3. Juni 1968 drei Schüsse abgab. Auch wenn sie sich nicht vorstellen kann, „egal unter welchen Umständen“, zu einer Waffe zu greifen. Zum Schraubenschlüssel auch nicht, aber das ist eine andere Geschichte.

Die von ‚Girls Town‘ nämlich. Darin spielt Lili Taylor Patti, eine von drei Highschool-Mädels, die durch den Selbstmord einer Freundin aufgerüttelt werden, nach den Gründen forschen und einen Rachefeldzug starten. Patti, die Älteste von ihnen, will Kfz-Mechanikerin werden und ist in diesen Dingen ziemlich geschickt. „Da sieht man, was Schauspielkunst ausmacht“, lacht Lili Taylor, „ich kann nicht mal einen Reifen wechseln.“ Aber das war es auch nicht, was sie am ersten Spielfilm des Videoclip- und Dokumentarfilm-Regisseurs Jim McKay (R.E.M.) ge-, reizt hat: „Ich kann mich gut mit den Ängsten und Nöten der Mädchen identifizieren. Ich glaube, der Film kann jungen Frauen helfen, Selbstbewußtsein zu entwickeln, ihnen zwei Dinge zeigen: Hey, wir müssen erst mal offen und ehrlich miteinander umge hen, und zweitens: Wir sind keine Opfer!“

In den nächsten Monaten macht Lili Taylor Pause von der Kamera. Sie hat vor ein paar Jahren eine Theatergrup pe gegründet, ‚Machine Füll‘. Immer, wenn sie durch die Filmarbeit genug Geld zusammen hat, nimmt sie sich eine kreative Auszeit und spielt „wohl eher experimentelles“ Theater. Derzeit wieder vier Monate am Stück – in New York. Dort lebt sie und kann sich trotz der vielen Filmangebote auch nicht vorstellen, nach L.A. zu ziehen: „In LA. ist doch alles nur Film, Film, Film. New York, das ist das ganze Leben.“ Und da steckt Lili Taylor schließlich mittendrin.