Im Gespräch mit Marky Ramone: „Man braucht Punk heute mehr denn je“


Marky Ramone gehört zu den wenigen Mitgliedern der legendären Ramones, die heute noch leben. Wir trafen ihn in den Berliner Hansa Studios und sprachen mit ihm über die Relevanz von Punk, seine Biografie und den Geschmack von Hundefutter.

Das kann nur Punk schaffen?

Ich bewundere auch im Hip Hop diejenigen Rapper, welche die Eier haben, bestimmte Dinge zu benennen. Aber vor allem im Punk hast du die Möglichkeit in nur zwei Minuten gezielt und mit voller Wucht all die Gefühle reinzulegen, die du willst, um etwas zu beschreiben. Egal ob Angst, Wut oder Freude. Punk heißt: No Bullshit, kein Gelaber, einfach nur die Message rausknallen und rocken.

„Es gibt keine Band, die so klingt wie die Ramones“

Hypothetische Frage: Hätten die Ramones auch noch heute mit ihrem Punk diese große Wirkungskraft wie damals, als sie bekannt wurden?

Es gibt keine Band, die so klingt wie die Ramones geklungen haben. Wenn du dir unsere Songs anhörst, weißt du genau wer da ist und was abgeht. Das gleiche gilt auch für den Sound der Beatles, der Stones oder von The Who. Das ist einzigartig, unverwechselbar und selbst nach Jahrzehnten noch gut. Der textliche Kontext unserer Songs gilt nach wie vor, die Themen sind wie ich vorhin sagte, auch heute noch die gleichen. Und die Energie, die wir hatten, würde die Menschen sicher auch noch heute ansprechen.

Du hast gerade erst deine Biografie veröffentlicht. Wie fühlt es sich an, wenn alle Gründungsmitglieder der Band, in der du gepielt hast und über die du jetzt auch schreibst, heute nicht mehr leben und du einer der wenigen bist, die das alles noch erzählen können?

Natürlich ist das sehr traurig, der einzige zu sein, der das alles noch von mehr oder weniger Anfang anerzählen kann. Ich schätze mich glücklich, ein gutes Gedächtnis zu haben, um mich an all das, was geschah, noch zu erinnern. Aber ich würde niemals einfach nur Klatsch und Bullshit erzählen, um daraus Kohle zu machen. Fuck the money, das meine ich ernst! Ich will einfach nur ehrlich und umfassend erzählen, was passiert ist und was uns als Band ausgemacht hat. Ich besitze die wohl größte Ramones-Video-Sammlung der Welt. Mir gehören 400 8mm-Filme, die den Werdegang unserer Band dokumentieren. Man kann all das, was passiert ist, nicht einfach vergessen. Es war so intensiv, dass ich mich einfach dazu berufen gefühlt habe, endlich eine sozusagen vollständige Version unserer Geschichte aufzuschreiben, auch um Gerüchten und Spekulationen über gewisse Ereignisse die Grundlage zu entziehen. Wir waren Bandmitglieder, aber auch Freunde und Familie füreinander und da muss man brutal ehrlich sein, das war mir das wichtigste. Ich spare nichts aus, auch nicht mein Alkoholproblem, nicht die verrückten Storys mit Phil Spector, die Anfänge, der historische Kontext unserer Musik, es ist alles enthalten. Ob mir die Leute glauben, das müssen sie selbst entscheiden. Aber natürlich ist es unfassbar schade, dass die anderen nicht dabei sein können, dass sie nicht die Früchte ihrer harten Arbeit genießen konnten. Sie waren meine Freunde und sie alle starben zu früh. Das ist tragisch.

Im Endeffekt wart Ihr ein Leben lang nur auf Tour.

Eben! Ich hab mit den Ramones nach meinem Einstieg 1978 bis zu unserer endgültigen Auflösung 17oo Shows gespielt, die anderen insgesamt über 2200 Shows. Wir waren gefühlt nur auf Tour, ohne lange Pausen, im Schnitt mit 120 Auftritten im Jahr. Dazu kam auch das Musikaufnehmen im Studio. Eine intensive Zeit.

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Marky Ramone (Foto: Lars Borges)

Erinnerst du dich eigentlich daran, was du mit deinem ersten Gehalt von den Ramones gemacht hast?

Natürlich, ich habe mir ein Auto gekauft.

Welches Modell?

Einen Buick Riviera. Das war das erste Highlight, das zweite, fast noch größere war endlich in eine bessere Bude zu ziehen. Ich lebte zuvor drei Jahre in einem Kellerloch, ohne heißes Wasser, mit eiskalten Wänden, Müll lag vor meinem Fenster. Ich aß sogar Hundefutter.

Wieso das?

Mein Kumpel hatte damals einen Hund in der Wohnung über mir. Er zog aus, ließ aber das Futter im Haus zurück. Ich hatte keine Kohle für Essen, aber großen Hunger, also würzte ich das Hundefutter etwas, goss Milch dazu und was soll ich sagen: Es schmeckte eigentlich ganz gut! (lacht)

Marky Ramone aß Hundefutter.

Tja, wie du siehst habe ich mich langsam nach oben gearbeitet. Und ich bin bis heute sparsam mit Geld umgegangen, weil ich all das zuvor auch erlebt habe. Ach und ich hatte immer einen guten Buchhalter und einen guten Anwalt. Zwei Dinge, die ich ebenfalls allen jungen Musikern ans Herz legen kann!

 

Lars Borges