Im Sattel des Rat-Bikes


Überflüssiges abschrauben und mit Mattschwarz drüber: Der Black Rebel Motorcycle Club wird seinem Namen heute umso besser gerecht. Ein Anruf in L.A. von Arno Frank.

Ein Röcheln. Dann ein so schwarzes „Hello?“, als hätten wir gerade in einer Gruft angeklopft. Peter Hayes‘ Stimme klingt an diesem Morgen sehr, sehr müde. Zerkratzt und abgedunkelt kommt sie aus dem Hörer, als wäre der Bassist und Sänger des Black Rebel Motorcycle Club eben erst aufgestanden. Ist er aber nicht. Tatsächlich nimmt er den Anruf aus Berlin direkt in seinem Bett in Los Angeles entgegen.

Ob wir stören? „Nein, nein, schon okay“, krächzt es durch die Leitung, „es ist nur gestern ein wenig später geworden.“ Im Laufe unseres Gesprächs wird er aufstehen (raschelraschel) im Vorbeigehen den Laptop starten (Tusch!) und sich in der Küche eine Schüssel Cornflakes mit Milch (plätscherknisterknister) zubereiten. „Hast du das Album gehört“, fragt Hayes und zündet sich, wir hören es genau, eine erste Zigarette an. Husten.

Während im Vereinigten Königreich die musikalische Revolution längst ihre Kinder frisst, geht es den Brandstiftern in den Vereinigten Staaten noch immer prächtig. Von der Ostküste kam mit den Strokes die originale „The“-Band, Milchgesichter mit New-York-Punk-Einschlag. Aus dem Süden kamen die Kings Of Leon, eine bärtige Wanderpredigerfamilie auf den Spuren von Lynyrd Skynyrd. Und von der Ostküste, damals noch aus San Francisco, vollendeten Black Rebel Motorcycle Club das Dreigestirn eines neuen Indierock, der bald die ganze Musikwelt entflammen sollte.

Danach befragt, ringt Hayes sich einen verächtlichen Pfeifton ab und sagt nur: „Hype“, bevor ihn ein weiterer Hustenanfall überkommt.

Hype hin oder her: Fest steht, dass das ganze Erscheinungsbild des Trios aus Kalifornien das Zeug zum „instant classic“ hatte – die Musik, tief im erdigen Blues verwurzelt; der Look, ein um schwarze Lederjacken ergänzter Heroin-Chic; und die Texte, mit denen der Black Rebel Motorcycle Club ohneTankstopp direkt ins Herz der Dinge zu rattern schien.

ten, was wir natürlich nicht haben, dann wäre das: ,No Bullshh!'“, sagt Hayes nach längerem Nachdenken. Auf dem Schwarzweiß-Cover von b.r.m.c, ihrem im April 2001 erschienenen Debüt, sahen Peter Hayes, Gitarrist Robert Levon Been und Drummer Nick Jago aus wie die traurigen jüngeren Brüder von Syd Barrett. Und wenn sie mal nicht genau so klangen „Wenn ivirso etwas wie emMottohätwie die wilden alten Pink Floyd, so erkundeten sie doch gerne die schnörkellose Seite der Psychedelia. Wer wollte, der durfte sich auch an das Wilde der Stooges erinnert fühlen, an das Beschwörende der Doors, das alte Versprechen, der Rock’n’Roll werde sich immer wieder erneuern. „Es geht doch immer und bei allem nur darum, es möglichst echt zu halten, sich selbst und anderen nichts vorzumachen „, sinniert Hayes, der sich langsam warmläuft.

Bis auf „Am I Only“, eine Komposition aus gemeinsamen Schultagen, sind die Songs von BABY 81 alle auf Tournee entstanden: „Sie trugen ursprünglich sogar als Arbeitstitel jeweils den Namen der Stadt, in der uns erstmals die Ideen kamen.“ Übrig geblieben ist davon nur „Berlin“, ein hymnisch dahinwippender, drängender Blues-Stampfer. Und eine gesteigerte Aufmerksamkeit dafür, wie die USA im Ausland wahrgenommen werden.

Schon das zweite Album TAKE THEM ON, on your own war, anders als das Debüt, durch Songs wie „US Government“ bereits 2003 gespickt mit Kritik an der Regierung, wie sie erst später auch bei anderen jungen Gruppen üblich werden sollte. „Dass Nick ein Engländer ist, hat unseren Horizont auch erweitert“, sagt Hayes über den Schlagzeuger. Und ausgerechnet Nick Jago hätte sich damals fast endgültig am Hochgeschwindigkeitsleben verschluckt -und stieg wegen Drogenproblemen aus.

Nur wenige hungrige Bands sind wie das Beispiel der Arctic Monkeys zeigt, bereit, einem ausgefallenen Kollegen ein Hintertürchen offenzulassen. Hayes erinnert sich nicht ohne Bitterkeit: „Wir haben niemals auch nur in Erwägung gezogen, Nick zu ersetzen ganz im Gegensatz zu unserer damaligen Plattenfirma.“ Und so stand dem unglückseligen Nick Jago sogar der Haupteingang so lange offen, bis er sich fit genug fühlte, wieder zurückzukehren -mitten in die Aufnahmen zu howl, einer musikalischen Kehrtwendung. Angelehnt an Allen Ginsbergs berühmtes Gedicht, schaltete das Trio einen Gang runter, um seine Botschaft in folkigere Melodien zu kleiden und an das Erbe der Beatpoeten anzuknüpfen.

„Was mir an Kerouac oder Ginsberg so gefällt“, sagt Hayes, „ist, dass es ihnen ernst war. Es ging ihnen mit der Poesie wie uns mit unserer Musik darum, das Bewusstsein der Leute zu schärfen,zu verändern.“ Mit def Wende zum akustischen Auftritt erspielte sich die Band ein neues Publikum, ohne das alte zu verprellen:

„Seit howl sehe ich wirklich häufiger andere, auch ältere Leute vor der Bühne“, erzählt Hayes und macht nicht den Eindruck, als würde ihn das stören: „Wirklich große Kunst ist doch in jeder Hinsicht alterslos, oder?“ Darum würde er es auch nur ungern als „Rückschritt“ bezeichnen, wenn jetzt wieder die E-Gitarren heulen und sägen, dass es eine Freude ist. Vielmehr erklärt er sich den Energieschub mit der vollständigen Rückkehr von Nick – ein kreativer lnput, der nicht von der Hand zu weisen ist.

Das wuchtig dahinwälzende „666 Conducer“ mit seinem muskulösen Schlagzeug ist mehr als nur eine flüchtige Verbeugung vor John Bonham und „When The Levee Breaks“; es ist ein cleverer Kniefall von vier Minuten, der nicht einfach einen der besten Songs von Led Zeppelin in unsere Zeit übersetzen, sondern die wahre Essenz des Bluesrock in die Zeitlosigkeit überführen will. Zeitlosigkeit ist das eigentliche Programm dieser Band. „Das war auch der Grund, warum das mit uns undVirgin damals nicht funktionierte“, erzählt Hayes: „Wir haben alle Anfragen, unsere Musikfür Fernseh spots verwenden zu dürfen, abgelehnt. Alle. Natürlich eignet sich, Whatever Happened To My Rock’n’Roll’schon allein textlich ideal, um langweiligen Leuten langweilige Autos zu verkaufen. Aber was, außer Geld, hätten wir schon davon gehabt? Einen totgespielten Song, einen ruinierten Ruf.Wenn’s ums Geldverdienen geht, geben wir noch immer lieber Konzerte.“

So wichtig ihm die Platten auch sind: Hayes hält Konzerte eindeutig für die Kernkompetenz seiner Truppe: „Wenn du ein Album aufnimmst, ist es anschließend weg – es treibt dort draußen mm, dieLeute hören essich an, interpretieren dies oder jenes hinein, ohne dass du noch einen Einfluss daraufhättest“, sagt er: „Nur auf der Bühne können diese Eindrücke gebündelt korrigiert oder verstärkt werden, nur auf der Bühne gibt es diese magischen Augenblicke der Einheit zwischen Musiker und Publikum, den ultimativen Rausch.“

Bei so viel zur Schau getragener Authentizität drängt sich die überfällige Frage auf, ob der Chef des Black Rebel Motorcycle Club, nun ja, privat überhaupt Motorrad fährt. „Ja, klar“, schnaubt Hayes und tut, als verstünde er die Frage nicht: „Ich fahre seit Jahren eine aufgebohrte900erHarley Sportster… Weißt du, was ein Rat-Bike ist?“, fragt er: „Ich habe alle überflüssigen Teile abgeschraubt und weggeworfen und bin anschließend mit der mattschwarzen Sprühdose drübergegangen.“ Meint er jetzt das Bike – oder schon wieder seine Musik? >»www.blackrebelmotorcycleclub.com «-