J.J.Cale


"Philharmonie", München

„Lauter, dreh‘ doch lauter“, brüllen zig aufgebrachte Zuschauer. Doch der knorrige Klangkünstler auf der Bühne läßt sich dadurch nicht beeindrucken. Cale gibt heute abend den Kammerblues. Dezent bis zur Unkenntlichkeit spielt der 55jährige Amerikaner Songs, die ihm in München immerhin ein volles Haus beschert haben. Ob es an der wenig Rock’n’Roll atmenden Atmosphäre der überwiegend klassischen Klangkörpern vorbehaltenen Philharmonie liegt, daß Cale und seine fünf Begleitmusiker dem verhaltenen Ton frönen? Keiner weiß es. Fest steht indes, daß der Altmeister des groove-geprägten, bisweilen swing- oder country-orientierten Rhythm’n’Blues medienwirksame Auftritte so sehr liebt wie das Rind den Schlachthof. Und hierin liegt wohl auch der Grund für Cales kaum vorhandene Präsenz auf dem Podium. Natürlich, er ist da. Nur merkt man es kaum. Der manchmal mit einem halben Meter Abstand ins Mikro gemurmelte Gesang ist meist nicht zu verstehen, und auch Cales Gitarrenspiel, wegen dem doch viele gekommen sind, dringt oft nur mit Mühe ans Ohr des zahlenden Zuhörers. Klar, Cales karger Blues für die Bar braucht keine große Lautstärke. Doch benötigt auch diese Musik einen gewissen Druck, um ihre Wirkung entfalten zu können. In München kann davon keine Rede sein. Noch allein auf der Bühne, spielt Cale zu Beginn des Sets seinen Evergreen ‚After Midnight‘. Nicht unplugged zwar, aber trotz Verstärker kaum zu verstehen. Als die Bandmitglieder nach und nach die Bühne betreten, wird’s besser, aber noch längst nicht gut. Zu leidenschatfslos kommen Cales Kompositionen über die Rampe. Kurz vor der Zugabe dann (vielen gefiel’s eben doch) der Klassiker ‚Cocaine‘. Eine Nummer also, die den Gitarrendruck geradezu gebietet. Aber heute abend: Fehlanzeige! Vielleicht ist J.J. Cale ja doch besser auf seiner kleinen, südkalifornischen Farm aufgehoben als auf der großen, internationalen Bühne.