Jay Ferguson


Der Name Jay Ferguson ist den Durchblickern bestimmt schon vor zehn Jahren begegnet. Damals versuchte nämlich die Frankfurter CBS unter dem Begriff "That's Underground" ihre neuen US-Gruppen an den Mann zu bringen. Eine von diesen Bands war Spirit, deren Keyboard-Mann und Sänger Jay Ferguson hieß. Später erregte dieser Jay Ferguson mit seiner Band Jo Jo Gunne gewaltig Aufsehen. Und jetzt kommt er plötzlich alleine. Und wie....!!

Es ist Mitte Januar. Beim International Entertainment auf dem Sunset Boulevard in Los Angeles laufen die Telefone heiß. Hier ließen auch die Bellamy Brothers, Dr. Hook und Bachman Turner Overdrive managen. Seit Howard und David nach ihrer Eintagsmiicke „Let Your Love Flow“ keine Hitliste mehr zum Erschüttern bringen, kümmert sich Spiritus Rector Paul Smith verstärkt um Jay Ferguson. Somit sieht auch der wieder Land, und auf seinem Bankkonto tut sich was. Denn seit zwei Wochen ist die Single „Thunder Island“ in der Top 50 der US-Hitlisten.

Zwischen zwei Telefonaten mit Amerikas Rock’n’Roll-Mafia erwischt Smith Jay am Telefon im knapp zwei Stunden entfernten Santa Barbara. Das Interview mit dem Musik Express wird ausgescheckt. Vereinbarter Treffpunkt ist das Elektra/Asylum-Gebäude am La Cienega Boulevard. Tatsächlich kommt Ferguson nach zwei Stunden angerauscht, um auf dem Sonnendach dieser Hitfabrik einen gemütlichen Plausch bei 26 Grad im Schatten abzuhalten.

Unsere erste Begegnung verschlägt mir fast die Sprache, denn ich erwartete eigentlich einen ausgebufften Altstar, der weiß wo’s langgeht, und das auch in jedem zweiten Satz mitteilt. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Ferguson ist fast schüchtern, hat aber dabei eine freundlich-sympathische Ausstrahlung, die aus unserem Gespräch eine nette Plauderei über Gott und die Welt werden läßt; er ist nicht der Prototyp des Popstars, der „die Puppen tanzen läßt“; er hat seine Vergangenheit bewältigt und freut sich still auf die Zukunft. „Ich kann es kaum erwarten, am 24. Januar auf Tournee zu gehen,“ meint er. „Ich bin seit einigen Jahren auf keiner Bühne mehr gestanden, da staut sich natürlich ganz schön viel an.“ Die Tournee, von der Jay Ferguson im Januar sprach, wurde ein Riesenerfolg. Daraufhin wurde er vom NBC-Fernsehen als Gastgeber für ein „Midnight Special“ eingeladen. Mitte April ging diese Sendung über den US-Äther, und hier bestätigte sich Jay denn doch als cooler, aber freundlicher Entertainer, als professioneller Performer und ausgezeichneter Musiker der alten Schule.

Warum steigt man bei einer Band aus, die gerade im Zenith ihres Erfolges steht, wie das 1971 bei Spirit der Fall war? Immerhin hatte Spirit mit „Mr. Skin“, „Animal Too“ oder „Mechanical World“ einige beachtliche Charts-Erfolge! Ferguson: „Spirit war mir immer etwas zu experimentell, hier gab es keine klare Linie. Vielleicht lag das daran, daß einfach zu viele Köche den Brei verdarben. Mir schwebte damals sehr geradliniger Rock ’n’Roll vor, den man besser ausleben kann…“

Zum Auftakt ein Flop

Mit den Spirit-Bassisten Mark Andes gründete Jay Ferguson 1972 in Los Angeles die Gruppe Jo Jo Gunne, die anfangs genau seinen Vorstellungen entsprach, ihn nach drei Jahren jedoch nicht mehr befriedigen konnte. Ferguson: „Am Anfang von Jo Jo Gunne gingen alle daran Beteiligten mit sehr viel Enthusiasmus ans Werk. Wir waren eine der ersten Gruppen des damals neu gegründeten Asylum – Labels, und entsprechend groß waren natürlich Euphorie und Enthusiasmus, als wir mit „Run, Run, Run“ unseren ersten großen Hit hatten. Nach meinem Ausstieg existierte die Gruppe dann nur noch als Begleitband von Albert Hammond, bis Mark Andes dann nach Boulder in Colorado ging, um bei Fireball mitzuspielen. So hat Mark es offensichtlich auch wieder geschafft…“ Mit dem ehemaligen Jo Jo Gunne-Produzenten Bill Szymczyk machte sich Jay nach einiger Zeit ans Werk, sein erstes Solo-Album aufzunehmen. „Bill war auch der Produzent von Joe Walsh und den Eagles. Wir hatten lange über die Band gesprochen, bis er dann sagte, daß er sich darum kümmern werde. Als ich schließlich ms Studio kam, standen sie alle da: Joe Walsh, George Perry, Joe Murcia und Joe Vitale. Ich dachte zuerst, ich stehe im falschen Studio, doch es stellte sich heraus, daß Bill die besten Musikanten aus seinem Stall geholt hatte, damit sie mich auf meinem ersten Soloalbum begleiteten. Umso größer war die Enttäuschung, als „All Alone In The End Zone“ keinerlei Reaktion brachte. Vielleicht habe ich auch zu viel davon erwartet, oder womöglich habe ich mich auch musikalisch verzettelt…“ Dieses erste Soloalbum von Jay Ferguson wurde in Deutschland leider nie veröffentlicht. Es stellt eine Verquickung von Fergusons musikalischen Erfahrungen dar. Der Bogen ist sehr weit gespannt und geht von Country-Rock-Adaptionen bis zu Heavy-Riffs. Sehr interessant ist Fergusons Version von Steve Winwoods „Medicated Goo“ aus dessen Traffic-Zeit.

Zweiter Start: Ein Hit

Jay Ferguson ließ allerdings den Kopf nicht hängen und machte sich an die Arbeit für „Thunder Island“. Wieder war es dieselbe Mannschaft, die ihm dabei behilflich war. Und diesmal ließ schon das Titelstück keinen Zweifel aufkommen, daß es sich hierbei um potentielles Hitmaterial handelte. So dauerte es auch nicht lange, da kletterte die Single langsam aber sicher die Charts hinauf. Ende April hatte „Thunder Island“, umgeben von lauter Gibb-Songs, die Top 5 erreicht.

Sind kommerzielle Zugeständnisse der Schlüssel zu diesem Erfolg? Das neue Material von Jay Ferguson ist zweifelsohne leichtere Kost, die allerdings musikalisch mit viel Geschmack und Niveau zubereitet wurde. Ferguson: „Ich glaube nicht. Meine Musik hat sich paralell mit mir und meinem Umfeld entwickelt, es stecken in ihr auf alle Fälle keine berechneten Zugeständnisse…“ Gibt es ein starkes Gefühl von Selbstbewußtsein, wenn nach zwei geglückten Anläufen nun auch noch der dritte geklappt hat? Ferguson: „Dazu kann ich nur sagen, daß ich wahrscheinlich einer der Wenigen bin, die einfach nur Glück haben. Meine Erfolge sind wirklich nur Zufälle…“ Ob sich Jay Ferguson schon mal intensiv seine eigenen Platten angehört hat….?!??