John Hiatt


Eigentlich hätte man John Hiatt und seine Band nicht ins ‚Luxor‘, sondern auf eine mobile Bühne stellen und durch die ganze Stadt karren sollen. Durch die Stadt, raus aufs Land, Open-air jedenfalls. Denn: Ganz gleich, ob Hiatt & Co. deftige Rock-Kracher spielten oder sensible Balladen anstimmten — der neue Set des US-Singer/Songwriters atmete genügend Luft, um die Fans in Köln fast zwei Stunden abheben zu lassen. Und zwar mit einem Rock-Folk-Blues-Programm, das Hiatt in den Jahren 1993/94 „on the road“ geschrieben hat. Zu Beginn seines kurzfristig einberufenen, einzigen Deutschland-Konzerts vor der großen Tournee im Januar erklärt John Hiatt: „Wir sind hierhergekommen, um etwas Krach zu machen und zu gucken, wie ihr die Songs meines neuen Albums ‚Walk On‘ findet.“ Ja, und die Fans fanden’s toll.

John Hiatt gehört ja zu jener kleinen Spezies Songwriter, die über die Jahre hinweg kontinuierlich Klasse zeigen — auf 15 Alben seit 1974, das Little Village-Werk mit den Kollegen Ry Cooder, Jim Keltner und Nick Löwe dazugerechnet. Sein Markenzeichen: Eine Stimme, die so klingt, als nähme ihr Inhaber vor jedem Auftritt, vor jedem einzelnen Song einen kräftigen Schluck Essig, um dieses unglaublich saure Timbre erst zu ermöglichen. Live im Luxor demonstriert Hiatt dann, was er sonst noch so alles draufhat: Bei ‚Native Son‘ etwa kommt er mit seiner Kratz-Röhre ganz nah an Joe Cocker ran, für ‚You Must Go‘ mimt er einen launigen Bob Dylan und beim Little-Village-Titel ‚Big Love‘ packt er die schwärzeste Soul-Stimme aus, die ich seit langem von einem Weißen gehört habe.

Auch wenn einzelne Songs des Sets im Midtempo-Mittelmaß versinken: Die Band macht mit ihrer Spielfreude aufkommende Langeweile prompt zunichte. Gitarrist und Mandolinen-Mann David Immergluck grinst sich — seinem Namen zur Ehre — eins in den Bart, als schwebe er permanent auf Wolke sieben. Bassist Davey Farragher überzeugt als straighter, konzentrierter Saiten-Rocker. Und Mr. Hiatt höchstselbst, meist mit der akustischen Gitarre zugange, zieht gefährliche Grimassen, schleudert die Hüfte für einen Tanz, für den ein geeigneter Name noch erfunden werden muß und kreischt sich die Seele aus dem Leib. Und Zeit für Spaße hat er auch noch: ,,’Ethylene‘ — dieser Song handelt von einem Mädchen aus Tennessee“, erklärt Hiatt, „sie müßte eigentlich die Traumfrau von Ted Nugent sein. Denn sie trägt Pelz, erlegt Tiere mit ihren bloßen Händen und ist auch sonst ganz schön hart drauf.“